9.08.2003

Diskussionsbeitrag

Sozialisierung
bedeutet Umverteilung

Was spricht dagegen, die Enteignung von Millionen Menschen einzutauschen gegen eine Umverteilung des Zugriffs auf jene Vielmillionendepots, die ihre Inhaber nicht einmal selbst erarbeitet haben?

"Eigentum verpflichtet. Es soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen", postuliert die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Wer aber ist "die Allgemeinheit", deren Wohl es dient, wenn DaimlerChrysler und Deutsche Bank Milliarden an Dividenden unter ihre Aktionäre verteilen, aber keinen Euro an Steuern mehr zahlen? Wessen Wohl wird befördert, wenn BMW seine Entscheidungsfreiheit, in Tschechien oder in Leipzig zu produzieren, zum Erpressen öffentlicher Milliardensubventionen und zu Lohndumping nutzt, wenn Siemens noch in Jahren bester Gewinne Tausende Mitarbeiter vor die Unternehmenstür setzt? Wessen Wohl dient ein Europa, in dem eine Handvoll Wirtschaftsgiganten diktieren und die übergroße Mehrheit mit Einbußen und Existenzängsten zahlt? Wessen Wohl dient eine Welt, in der grausamste Armut neben blasiertem, übersättigtem Reichtum grassiert?

Die Diktatur der Global Player gründet auf ihren Eigentumsrechten; sie steht und sie fällt mit ihnen. Jede schützende Regelung, die der Willkür ihrer Verwertungsinteressen Einhalt gebietet, jedes Sozialgesetz, das die Folgen zügelloser Profitgier mildert, jeder Zipfel öffentlichen Eigentums, das Schutzzonen schafft - ob kommunale Wasserversorger oder öffentliche Sparkassen, ob gesetzliche Sozialversicherungen oder verstaatlichte Ölfelder -, jedes Element gesellschaftlicher Kontrolle muß verteidigt werden, um jedes lohnt es zu kämpfen. Aber das reicht nicht. Aus Abwehrschlachten werden allzu leicht bloße Rückzugsgefechte, deren Träger auf immer schmalerem Terrain einem mit jedem Teilsieg machtvolleren Gegner bald chancenlos gegenüberstehen. Die globale Barbarei wurzelt nicht allein im Vordringen der Global Player in all jene Lebensbereiche, die sich ihrem unkontrollierten Zugriff bisher noch entziehen. Sie wurzelt vor allem in ihrer Herrschaft über jene, in denen sie groß geworden sind und die ihre Macht begründen, die ständige Ausweitung ihrer Zugriffsrechte zu erzwingen.

Machtkartell der Giganten

Für private Großbanken spricht nicht mehr als für privatisierte Krankenhäuser, für private Ölmultis nicht mehr als für private Wasserversorger. Die zentralen Bereiche der industriellen Produktion und die Macht über die Finanzierungsbedingungen von Investitionen gehören ebensowenig in private Hände wie die Naturreichtümer und Bodenschätze dieser Erde oder die Gewährleistung von Mobilität, Kommunikation, Bildung, Alterssicherung oder Gesundheitsfürsorge. Das Machtkartell der Giganten ist auflösbar, wenn Eigentum wieder dem Wohle der Allgemeinheit dienstbar gemacht wird, indem all diese Bereiche dem Zugriff privaten Kapitals und damit der Logik maximaler Renditen entzogen werden.

Öffentliches Eigentum kennt viele Facetten. Es reicht von der öffentlich-rechtlichen Eigentumsform bis zu Aktiengesellschaften, an denen öffentliche Körperschaften Mehrheitsanteile halten. Solche Körperschaften können Kommunen oder Bundesländer sein, Nationalstaaten und überstaatliche Organisationen von der Art der EU. Je nach Betriebsgröße, Versorgungsradius und volkswirtschaftlichem Gewicht eines Unternehmens mag die eine oder andere Variante sinnvoller sein. Aber ob Kommune oder Bundesstaat: Der entscheidende Unterschied eines öffentlich kontrollierten gegenüber einem privaten Unternehmen besteht darin, daß die letzte Entscheidung bei demokratisch legitimierten Gremien liegt, in denen die Stimmrechte nicht nach Vermögen und Besitz gestaffelt sind. Gewählte Repräsentanten vom Bürgermeister und Kommunalparlament bis zum Staatspräsidenten müssen sich vor ihren Wählern verantworten; Parteien können abgewählt werden, Parlamentsentscheidungen stehen zur öffentlichen Debatte. Natürlich ist öffentliches Eigentum nur dann ein Garant gemeinwohlbestimmter Entscheidungen, wenn die Gemeinschaft ausreichende Mittel zur Kontrolle des öffentlichen Eigentümer hat. Um mehr direkte Demokratie und um mehr Einfluß auf die staatlichen Gremien aller Ebenen kann und muß daher gerungen, einmal erreichtes Recht immer von Neuem verteidigt werden. Aber dieses Feld steht der gesellschaftlichen Auseinandersetzung offen.

Geld ist Stimmrecht

Der Vorstand eines Unternehmens dagegen ist per se nur dessen Eigentümern verpflichtet; »Geld ist Stimmrecht«, heißt das Prinzip, auf dem seine Entscheidungen beruhen. Das mag unproblematisch sein, solange ein Unternehmen nur betriebsinterne Fragen entscheidet und dabei die Rahmenbedingungen akzeptieren muß, die die öffentliche Hand ihm setzt. Erwächst dagegen aufgrund von Größe und Gewicht eines Wirtschaftskonzerns aus betriebswirtschaftlicher Entscheidungsbefugnis gesellschaftliche Macht, dann kehrt dieses Verhältnis sich um: Dann setzen private Eigentümer im Interesse ihrer Rendite die entscheidenden Daten des öffentlichen Lebens, und der übergroßen Mehrheit der Menschen, einschließlich ihrer gewählten Repräsentanten, bleibt nur die Unterwerfung. Wo dies geschieht, ist privates Eigentum weder mit den Ansprüchen einer sozialen noch einer demokratischen Gesellschaft vereinbar.

Über die Frage der konkreten Betriebsführung ist mit der Eigentumsfrage nicht entschieden. Öffentliche und Staatsunternehmen können nach den gleichen Prinzipien wirtschaften wie private. Wo sie es tun, stehen sie mit Blick auf betriebswirtschaftliche Kriterien wie Effizienz und Rentabilität ihren privaten Konkurrenten meist nicht nach. Weshalb auch sollte es anders sein? (…)

Ein Staatskonzern, der mit gleichen Instrumenten auf gleiche Ziele hinwirkt, wird die gleichen Ergebnisse erzielen. Das ist kein Kunststück, und Beispiele zeigen, daß es geht. Die vom Staat gegründeten und geleiteten Stahlwerke in Korea und Taiwan sind die effizientesten der Welt. Der französische Staatskonzern Electricité de France befindet sich mit einer Bruttomarge von 30 Prozent auf gleichem Level mit den privaten Energieriesen Eon und RWE und geht nicht minder aggressiv als diese auf internationale Einkaufstour. Den französischen Strommarkt bestimmt er nach wie vor fast allein. Unbeschadet dessen gehören die französischen Strompreise zu den niedrigsten in Europa. Gaz de France, ebenfalls noch in Staatsbesitz, ist in 33 Ländern vertreten und hat 2001 bei 14,4 Milliarden Euro Umsatz einen Nettogewinn von 891 Millionen realisiert. Beide Unternehmen unterscheiden sich in Geschäftspolitik und Auftreten nicht von privaten Global Playern. Der einzige Unterschied besteht darin, daß der Gewinn in die Staatkasse fließt und daher für Bildung und soziale Leistungen zumindest zur Verfügung stehen könnte, statt im dunklen Kontensystem des Geldadels zu verschwinden, aus dem kaum ein Rinnsal an Steuern an die Gemeinschaft zurückkehrt. (…)

Die vielbeschworene "Ineffizienz" öffentlicher Unternehmen ist in der Regel nicht die Folge mangelnder Fähigkeit, sondern bewußt anders gesetzter Ziele. Subventionierte Kurzstrecken im Nah- und Fernverkehr mögen unrentabel sein. Um die Blechlawine auf Straßen und Autobahnen zu begrenzen, waren sie sinnvoll und wären auch heute bitter nötig. Krankenbeiträge, die mit der Lohnhöhe steigen, aber gleiche Leistungsansprüche begründen, sind betriebswirtschaftlich absurd. Aber nur sie gewährleisten, daß Gesundheit keine Frage des Geldbeutels wird. Billige Sozialtickets der Bahn oder günstige Sondertarife der Telekom für Rentner und Wenigverdiener rechnen sich nicht. Für die Betroffenen eröffnen sie oft die einzige Chance zu Mobilität und Kommunikation. Betriebswirtschaftliche "Effizienz" allerdings verlangt das Gegenteil, sie verlangt Rabatte und Vergünstigungen für den Zahlungskräftigsten und nicht für den Zahlungsschwachen, denn ersterer bringt den Umsatz, während letzterer nur stört. Nicht der Bedarf, sondern die Zahl der gefüllten Brieftaschen definiert die Größe eines kapitalistischen Marktes. Nur wer zahlen kann, der darf eben auch trinken, eine Schule besuchen, ein Leiden medizinisch versorgt überstehen. Das ist die Konsequenz betriebswirtschaftlicher Rentabilitätskriterien, und wer sie zum Maß aller Dinge erklärt, der sollte sich auch zu den gesellschaftlichen Folgewirkungen bekennen.

Sicher, es gibt Gegenbeispiele tatsächlich schlecht geführter, maroder Unternehmen im Staatsbesitz, die bekannten Vorzeigeexempel für Korruption, Schlendrian und Verschwendung, Mißwirtschaft und persönliche Bereicherung. Aber ist das ein Privileg staatlich geführter Unternehmen? Kommen nicht auf jeden trostlos dümpelnden Staatskonzern mindestens zehn privatwirtschaftliche, für die das gleiche gilt? Unzählige Verstaatlichungen der kapitalistischen Geschichte wurden allein deshalb nötig, weil in den Bankrott gewirtschaftete Privatunternehmen zu groß, zu wichtig und zu volkswirtschaftlich bedeutsam waren, als daß Regierungen sie unbeschadet untergehen lassen konnten. Jüngste Beispiele in der langen Reihe privater Desaster sind die japanische Long Term Credit Bank und die Nippon Credit Bank, die 1998/99 verstaatlicht wurden, weil ihr Konkurs das japanische Finanzsystems mit in den Kollaps gerissen hätte. Japan sanierte die Banken mit Steuergeldern in dreistelliger Milliardenhöhe und gab sie anschließend dem privaten Sektor zurück. (…) Kurz: Trägheit, Bürokratismus, Fehlkalkulation und Unwirtschaftlichkeit bis zur Pleite sind eine Malaise, die in privaten Unternehmen mindestens ebenso oft vorkommt wie in öffentlichen.

Internationale Expansion

Und wie steht es um die internationale Expansion der Giganten, die Quintessenz der kapitalistischen Globalisierung? Ohne Zweifel sind internationaler Austausch von Waren und Dienstleistungen und internationale Arbeitsteilung, so sie auf Gleichberechtigung und nicht auf Ausbeutung beruhen, ökonomisch sinnvoll und steigern den verfügbaren Reichtum. Auch gibt es technologisch bedingte Betriebsgrößen, die nicht ohne Produktivitätsverlust unterschritten werden können. Weder Telefon- oder Schienennetze noch Anlagen zur Produktion von Automobilen sind mit der Kapitalbasis eines Mittelstandsbetriebes zu warten, geschweige denn auf je modernstem Stand zu betreiben. Dennoch: Es gibt keinen ökonomisch plausiblen Grund dafür, über ein Drittel des globalen Handels innerhalb der Strukturen von einhundert allmächtigen Wirtschaftsriesen abzuwickeln. Ob BMW in Europa eine oder zehn Betriebsstätten gehören, erhöht die Wirtschaftlichkeit der Produktion in keiner Weise. Daß DaimlerChrysler in den USA, in Lateinamerika und Südafrika Filialen betreibt, ebensowenig. (…)

Ein Großteil der konzerninternen Transaktionen hat ohnehin nichts mehr mit der Bewegung realer Güter und Dienste zu tun, nichts mit komparativen Vorteilen internationaler Arbeitsteilung. Sie dienen der bloßen Manipulation von Computerzahlen, sei es für globales Steuerdumping mit sozial verheerenden Folgen, sei es für eine rein spekulative Finanzakrobatik, die die imaginären Gewinne erhöht. Wieviel Phantasie und Geist, welche Anstrengungen von Kreativität und Gedanken werden nutzlos verschleudert, wenn sich das Aufgabenfeld ganzer Abteilungen im virtuosen Spiel mit sinnlosen Buchungsvorgängen erschöpft!

Gleiches gilt für die Glücksspieler und Pokerer auf dem Roulette-Tisch der internationalen Finanzwelt. 1,2 Billionen Dollar wechseln auf den globalen Devisenmärkten täglich den Besitzer, annähernd die Hälfte davon wird von den sieben größten Banken der Welt bewegt. Kaum eine dieser gewaltigen Transaktionen hat einen realwirtschaftlichen Wert oder auch nur Hintergrund. (…)

Die Global Player sind kein ökonomischer Fortschritt, sondern ein wert- und zukunftsloser Seitenzweig der ökonomischen Evolution, den es wieder zurückzunehmen gilt. Gleichberechtigter freier Handel und internationale Arbeitsteilung ohne Ausbeutung sind nur über die Entflechtung dieser Wirtschaftsungetüme zu erreichen. (…)

Die 500 Mächtigsten Europas

Die Entflechtung und Sozialisierung der Giganten ist ein Thema, das auch hier wieder auf die Tagesordnung gehört. Dabei geht es nicht um jene Hunderttausende mittelständische Firmen, die weit entfernt sind, auch nur eine Kommune, geschweige denn ganze Staaten zu erpressen, Firmen, deren Interessen bei Gesetzen und Verträgen bisher so wenig gefragt sind wie die der Beschäftigten und die selbst immer häufiger zum Opfer der Krise werden. Ebensowenig geht es darum, jene Millionen Kleinaktionäre, die mit demagogischen Versprechen aufs Aktienparkett gelockt wurden und oft schon genug verloren, am Ende gar noch um den Rest ihrer Ersparnisse zu bringen.

Nein, es geht um die noble Gesellschaft der 500 Wirtschaftsmächtigen in Europa, die am oberen Ende mit BP, DaimlerChrysler, Royal Dutch und Totalfina Elf mit je dreistelligen Milliardenumsätzen beginnt und mit Medienkonzernen und Handelsketten von über zwei Milliarden Euro Umsatz endet, eine Gesellschaft, nahezu geschlossen und über Jahrzehnte kaum verändert, beherrscht von den europäischen Rüstungs-, Finanz- und Automobilgiganten sowie den großen Mitspielern im globalen Energiegeschäft. Und hinter dem schwer durchschaubaren Dickicht ihrer wirtschaftlichen Bande, dem enggewebten Netz an Verflechtungen, in dem ein Konzern Anteile an anderen hält und über deren Aktienpakete wieder dritte beeinflußt, die ihrerseits an ihm selbst beteiligt sein können, hinter diesem Gewirr der Einwirkungen und versteckten Hierarchien steht eine exklusive Gruppe privater Eigentümer. Das ist der Machtclub, dem das heutige Europa gehört.

Die Crème de la Crème dieser Runde repräsentieren die europäischen Namen auf der jährlich veröffentlichten Liste des Magazins Forbes; unter der Rubrik der "Ultra High Net Worth Individuals" sind sie im Weltwohlstandsbericht der Investmentbank 'Merrill Lynch' nahezu vollständig versammelt. 3.700 Deutsche zählen dazu, europaweit sind es wenige Zehntausend. Wer diesem erlesenen Kreis angehört, hat nicht in schweren Arbeitsjahren Enthaltsamkeit geübt, sondern zum großen Teil einfach die richtigen Eltern gehabt. Die Leistung dieser Elite aller "Leistungsträger" besteht mehrheitlich in der Auswahl der richtigen Vermögensverwaltungsgesellschaft oder in geglückter eigener Spekulation. Die alten Clans dominieren bis heute, großgeworden über einhundert Jahre im Stahl-, Finanz-, Rüstungs- und Automobilgeschäft. Vertreter dieser Kaste besetzen die ausschlaggebenden Machtpositionen in den höchsten Gremien der europäischen Wirtschaft, kaum eine Entscheidung in Politik und Wirtschaft wird an ihnen vorbei gefällt.

Und ebenso, wie die Grenze zwischen mittelständischem Betrieb und wirtschaftsmächtigem Konzern aller liberalistischen Mythen zum Trotz nicht fließend ist, sondern auf etablierten Märkten von unten nach oben unüberwindlich, ist die soziale Schicht der Mittelklasse durch einen undurchlässigen Wall von der Glimmer- und Glamourwelt dieser Geldaristokratie getrennt. (…)

Ja, Sozialisierung bedeutet Umverteilung von Vermögen und Einkommensansprüchen. Aber sind nicht Umverteilungen, ja Enteignungen auch heute an der Tagesordnung? Werden nicht Tag für Tag unter dem Druck rüder Renditewünsche Millionen Menschen ihrer Arbeitsplätze, ihrer Ersparnisse, ihrer Altersvorsorge, ihrer sozialen Sicherheit und oft genug ihres Lebenswillens beraubt? Was spricht dagegen, diese Enteignung von Millionen einzutauschen gegen eine Umverteilung des Zugriffs auf jene Vielmillionendepots, die ihre Inhaber nicht einmal selbst erarbeitet haben? Aktienanteile von Kleinaktionären jedenfalls, heute Spielball und Manövriermasse der Großen, könnten fortbestehen oder durch Umwandlung in festverzinste Staatsanleihen gesichert werden.

Würden die 500 größten europäischen Wirtschaftskonzerne entflochten und ihre Betriebs- und Vertriebsstätten, ihre Anlagen und ihre Infrastruktur mehrheitlich ins Eigentum jener Länder übergeben, auf deren Territorium sie stehen, bekäme Europa nach innen und außen ein neues Gesicht. Denn dann endlich würden all die Veränderungen möglich, deren Umsetzung bis heute am Widerstand der Konzernlobby scheitert: Eine europäische Einheit, die für einheitliche Lebensverhältnisse steht und nicht für die Einheitlichkeit profitoptimaler Verwertungsbedingungen. Eine europäische Steuerunion, die die nationalen Steuersysteme so reformiert, daß sie sozialen Ausgleich begünstigen, statt Ungleichheit zu verstärken. Eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik, die nicht der Vorbereitung imperialer Kriege dient, sondern sich für Abrüstung, Gleichberechtigung und Entwicklung verantwortlich sieht. Eine gemeinsame europäische Verfassung, die mehr ist als ein scheindemokratisches Placebo oder gar - wie die jetzt offerierte - ein Hebel der Entmündigung. Eine europäische Sozialunion, die in allen Ländern hohe Standards fixiert und soziale Rechte verbindlich festschreibt, vom Recht auf Arbeit über Arbeitszeitverkürzung bis zu Mindestlöhnen, die ein menschenwürdiges Leben garantieren, und einer gesetzlichen Sicherung für Krankheit und Alter, die soziale Existenzangst zu einem vergessenen Gefühl werden läßt. Dann endlich könnte nicht nur in Proklamationen und Sonntagsreden, sondern in der Realität aus dem alten, hochgerüsteten, kriegerischen Kontinent ein neuer, sozialer und friedlicher werden, ein freundlicher, lebens- und liebenswerter.

Wer das umsetzen soll?

Ja, wird das wirtschaftliche Leben in Europa und auf diesem Planeten etwa von den Kapitalmächtigen, wird es nicht allein von jenen Millionen und Abermillionen Menschen aufrechterhalten, die sich heute noch weitgehend widerstandslos zu Rädchen in einem Getriebe erniedrigen lassen, das zu ihrem Schaden läuft und viele von ihnen irgendwann ins Abseits schleudert! Nichts geht gegen und ohne sie, nichts ginge mehr, wenn diese Menschen sich querstellen, wenn sie ihr Menschenrecht auf ein würdiges, sozial gesichertes Leben ohne Angst einfordern würden!

 

Sahra Wagenknecht

 

Vielen Dank an Sahra für die Überlassung dieses Textes als Diskussionsbeitrag
Es handelt sich um Passagen aus ihrem neuen Buch
'Kapitalismus im Koma. Eine sozialistische Diagnose'.
160 Seiten, Paperback, edition ost, Berlin 2003. 12,90 Euro

 

Geistes-Blitz-Werk