Wald-AIDS, Nachwirkungen von Sturm Lothar
und Klimawandel spürbar
Der in Staatsbesitz befindliche Wald in Baden-Württemberg lieferte im Jahr 2008 nur noch 14,8 Millionen Euro Überschuß gegenüber 23,6 Millionen Euro im Vorjahr. Dies bedeutet einen Rückgang um mehr als 37 Prozent. Als gestern (Donnerstag) der baden-württembergische Agrar-Minister Peter Hauk das mehr als bescheidene Ergebnis in Stuttgart bekannt gab, vermied er es, auch nur ein Wort über den erbärmlich kranken Zustand der Wälder zu verlieren.
Die seit den 1980er Jahren anhaltende Immunschwäche der deutschen Wälder, auch Wald-AIDS bezeichnet, wird auch von den Mainstream-Medien bis auf ein, zwei unvermeidbare Ausnahmen im Jahr, totgeschwiegen. Und was in der heutigen Informationsflut nicht permanent wiederholt wird, gerät bei der Mehrheit in Vergessenheit. Deshalb sei hier daran erinnert, daß laut dem im Februar dieses Jahres veröffentlichten "Waldschadensbericht 2008"1 der Bundesregierung und dem der baden-württembergischen Landesregierung2, der im November 2008 vorlag, im Südwest-Bundesland nur noch rund 25 Prozent der Bäume als gesund bezeichnet werden können. Am schlimmsten betroffen ist in Baden-Württemberg die Eiche, von der bundesweit 84 Prozent als krank eingestuft werden.
Minister Hauk erwähnte lediglich die "international schwächelnde Bauindustrie", die mit ihrer gesunkenen Nachfrage einen Rückgang von rund 25 Prozent bei den Holzpreisen verursacht habe. Woher also der Rückgang beim Erlös von 37 Prozent herrührt, ließ Hauk offen. Stattdessen fabulierte er, das vergangene Jahr sei "für den Forst auch ein Naturschutzjahr gewesen". Die baden-württembergischen Wälder wiesen "die höchste Artenvielfalt in Deutschland" auf. "Naturnähe und Laubholzanteil haben deutlich zugenommen, die Wälder sind im Schnitt älter und vorratsreicher geworden," so Hauk. Dies jedoch ist allein einer in Teilen nachhaltigen Wiederaufforstungsstrategie nach dem Sturm Lothar, der im Dezember 1999 große Verwüstungen angerichtet hatte, zugute zu schreiben. Wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) im Juli dieses Jahres jedoch mit seiner Veröffentlichung des "Schwarzbuch Wald" aufdeckte, kann die deutsche Forstwirtschaft insgesamt wegen einer Vielzahl an Mißständen nach wie vor nicht als nachhaltig bezeichnet werden.3
UmweltschützerInnen und selbst die Forstkammer kritisierten Hauk umgehend: "Einerseits bestätigt Minister Hauk, daß Extremwetterlagen noch zunehmen werden, andererseits fährt das Land die Förderung für den Wald weiter zurück", erklärte der Präsident der Forstkammer, Max Erbgraf zu Königsegg. Obwohl der Staatswald nur ein Drittel soviel Fläche belege wie der Kommunal- und Privatwald, würde die Landesregierung für Erholung und Schutz fast genau so viel Geld ausgeben wie für die Unterstützung privater Eigentümer.
"Hauks These, daß sich im Staatswald Naturschutz und Wirtschaftlichkeit die Waage hielten, ist Augenwischerei. Der Sparkurs der Landesregierung ist weder ökologisch noch nachhaltig,"
erklärte Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND. Auch der Naturschutzbund NABU bezeichnete Hauks Politik als "Holzweg". Baden-Württemberg sei noch weit davon entfernt, stabile Wälder zu haben, sagte Andre Baumann vom NABU.
Schon in den vergangenen Jahren hatten NaturschützerInnen kritisiert, daß die Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft nicht längst durch strenge Auflagen über die Höchstzahl an Viehbestand pro Hoffläche gemindert werden und daß immer noch häufig Bodenschäden und Bodenverdichtung durch den Maschineneinsatz bei Baumfällarbeiten zu beobachten seien. Auch kam es immer wieder zu verheerenden Kahlschlägen und Verstößen gegen das Bundesnaturschutzgesetz, wobei unter anderem die Brut besonders geschützter Arten zerstört wurde. Offenbar bestimmt der Profit das Handeln und keineswegs das Prinzip Nachhaltigkeit. Die Umwelt-Verbände forderten, daß nicht die Haushaltslage drüber entscheiden dürfe, welcher Baum gefällt werde.
Hauk entgegnete gestern jedoch, daß die 2008 entnommenen 7,6 Kubikmeter Holz pro Hektar Wald unter der für die Nachhaltigkeit maßgeblichen Grenze von 8 Kubikmetern läge. Der Durchschnittswert von 7,6 Kubikmeter Holz pro Hektar Wald bezogen auf den gesamten baden-württembergischen Staatsforst mit rund 330.000 Hektar ist jedoch wenig aussagekräftig, da die Lagen sehr unterschiedlich sind und in Höhenlagen mit kargen Böden weit weniger nachwächst.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe auch unseren Artikel:
"Waldzustandsbericht" 2008 veröffentlicht
Wald-AIDS verschlimmert sich schleichend (21.02.09)
2 Siehe auch unseren Artikel:
Wald-AIDS:
Elende Zustände in Baden-Württemberg (18.11.08)
3 Siehe auch unseren Artikel:
Trotz Wald-AIDS
Deutsche Forstwirtschaft nicht nachhaltig (21.07.09)