14.04.2003

Zertifizierte Tropenhölzer -
ein gefährlicher Irrweg

Sehen wir vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr ?

Zertifiziertes Tropenholz wurde von der Holzindustrie und von Umweltschützern gleichermaßen als der beste Weg zur Erhaltung der Regenwälder begrüßt. Die inzwischen reichlich vorliegenden Fakten beweisen, daß es sich dabei um einen gefährlichen Irrweg handelt.

"Taten zählen mehr als Worte. Wir alle können etwas tun, um die Wälder dieser Erde zu bewahren. Sie und ich! Denn die Wälder brauchen Menschen, die beim Einkaufen auf das richtige Holz achten". mahnt James-Bond-Darsteller Pierce Brosnan in einer Werbung für das FSC Siegel. Es steht für eine Organisation, die sogar den Segen von Umweltverbänden wie dem WWF, Greenpeace, Robin Wood und dem BUND genießt.

Einige Leser mögen sich wundern. Jahre lang klagten Umweltschutzorganisationen den Holzhandel wegen der weltweiten Zerstörung der Wälder an. Sie erklärten insbesondere Urwaldholz aus den Tropen und Kanada zum überflüssigen Luxusgut und riefen zum Boykott desselben auf. Das Problem setzte sich erfolgreich im Bewußtsein der Verbraucher fest und führte zu deutlichen Ertragseinbußen der Holzimporteure.

Nun darf der aufgeklärte Kunde wieder aufatmen. Die Tugend des Verzichts ist out! Er soll sogar Holz kaufen, wenn er aktiv die Wälder weltweit schützen will, lautet die frohe Botschaft.

Der Wandel in der Waldschutzkampagne ist ein Symptom für allgemeine ideologische Veränderungen in der Umwelt- bewegung von "Radikalität" hin zum "Pragmatismus". Kampagnenerfolge haben die Umweltschützer an den Verhandlungstisch mit Industrie, Handel und Regierungen1 gebracht. Anstatt Kritik an unserer Überflußgesellschaft steht nun die Suche nach akzeptablen Lösungen für die Drahtzieher der Umwelt- und Sozialkrise auf der Tagesordnung. Das Verhandlungsziel heißt "technische Machbarkeit".

"Ökologisch korrekter" Holzeinschlag im Precious Woods Wald

Der Forest Stewardship Council - FSC

Im Bereich des Holzhandels fanden sich in diesem Sinne ökologische, soziale und wirtschaftliche Interessengruppen zusammen, um nach langen Verhandlungen im Jahr 1993 den Forest Stewardship Council zu gründen. Der FSC definiert weltweit geltende Prinzipien und Kriterien für die Zertifizierung einer „geregelten" Waldbewirtschaftung. Anhand dieser Richtlinien führen private Unternehmen die FSC-Zertifizierung von Holzfirmen durch.

Um den Erfolg der neuen Intitiative zu garantieren, gründete der WWF sogenannte Buyers Groups, d. h. Handelsgemeinschaften für FSC-zertifiziertes Holz. Unter den Mitgliedern dieser Käufergruppen befinden sich heute einige der weltweit größten Holzhändler, insbesondere jene, die zuvor Ziele der Boykottaufrufe waren. Ihre Nachfrage ist ein wichtiger Faktor beim gegenwärtigen Zuwachs an FSC-zertifizierten Flächen. Nachdem bereits weltweit 25 Million Hektar Waldes zertifiziert wurden, setzten sich der WWF und die Weltbank das ehrgeizige Ziel, bis zum Jahr 2005 200 Millionen Hektar zu erreichen.

Die Erfolgsgeschichte des Forest Stewardship Councils ist jedoch nicht frei von problematischen Vorkommnissen, vor allem was den Holzeinschlag in tropischen Primärwäldern betrifft. Einer der unangenehmsten Fälle betraf eine zertifizierte Konzession des deutschen Sperrholzplattenherstellers Glunz in Gabun, wo der illegale Handel mit Buschfleisch, also Schimpansen und Gorillas, gang und gäbe war. Nicht der FSC, sondern eine kleine deutsche Umweltschutzorganisation2 untersuchte mit eigenen Finanzmitteln den Fall. Zwei Jahre dauerte es, bis der FSC unter dem Druck der Öffentlichkeit die Zertifizierung wieder zurückzog.

Ungeachtet solcher Vorgänge wird die Zertifizierung von Holzfirmen in Urwäldern von großen Umweltschutz- organisationen weiter enthusiastisch vorangetrieben. Die FSC-Zertifizierung bildet sogar den zentralen Kern der Amazonaskampagne von Greenpeace. Während Greenpeace illegalen Holzeinschlag in der Region anprangert, will die Organisation auch akzeptable Lösungen für die Holzindustrie präsentieren. Mit Precious Woods Amazon, einer Firma, die 1997 das FSC-Siegel erhielt, dachte Greenpeace das Gesuchte gefunden zu haben.

Die 1994 gegründete Schweizer Firma will beweisen, daß nachhaltiger Holzeinschlag in tropischen Regionen wirtschaftlich machbar ist. In traditionellen forstwirtschaftlichen Kreisen gilt die Firma als Vorzeigeprojekt für geplanten Holzeinschlag im tropischen Primärwald. Dem Beispiel folgte die deutsche Firma Gethal, die größte ausländische Holzfirma im brasilianischen Bundesland Amazonas, wofür sie im Jahr 2000 das FSC-Siegel bekam. Zur Zeit verhandelt Greenpeace die Zertifizierung von WTK3, einer malaysischen Firma mit einer erschreckenden Vergangenheit der Umweltzerstörung und sozialer Ungerechtigkeit. Mit missionarischem Eifer preisen nun Unterstützer des FSC die "Bekehrung" von Raubbau betreibenden Holzfirmen.

Doch wenn zertifizierter Holzeinschlag im schwindenden Regenwald die Antwort ist, haben wir vielleicht vergessen, was die Frage war.

Welche Art von Entwicklung in der Region wird durch die Zertifizierung wirklich unterstützt? Wer profitiert von diesem Entwicklungsmodell? Welche Auswirkungen hat die Entfernung von zertifiziertem Nutzholz auf die Urwälder? Trägt der Kauf von zertifiziertem Tropenholz wirklich zur Rettung des Regenwaldes bei?

Anhand des Beispiels von Precious Woods Amazon wollen wir dieser Frage nachgehen und die weitverbreteten Mythen, mit denen der zertifizierte Holzeinschlag im Primärwald verteidigt wird, genauer untersuchen.

Silvikulturelle Techniken: Abtöten unerwünschter Bäume durch 'Ringel`' der Rinde rings um den Stamm

Mythos 1: Zertifizierter Holzeinschlag in tropischen Primärwäldern hat nur minimale Auswirkungen auf das Ökosystem.

Das von Precious Woods Amazon verwendete System des Holzeinschlags basiert auf einer 100-prozentigen Bestandsaufnahme der Bäume und einer sorgfältig geplanten Infrastruktur anhand von Satellitenbildern. In der forstwirtschaftlichen Nutzfläche von 61.718 Hektar werden 2.700 Hektar (laut Bewirtschaftungsplan bis zu 5%) für Straßen, Zugangswege und Lagerstätten abgeholzt. Diese Maßnahmen verursachen einschließlich des Holzeinschlags die Öffnung von ca. 20% des Kronendaches4. Die Bewirtschaftungsfläche wird von 400 km Straßen durchschnitten, die besser unterhalten werden, als die meisten öffentlichen Verkehrswege. Hinzu kommen ca. 5000 km dauerhaft angelegte Rückewege5. Durch das Wegenetz wird der Zugang in den Wald und damit die Wilderei erleichtert. Die Firma ist heute schon nicht in der Lage, das Areal zu kontrollieren. Falls Precious Woods Amazon das Gebiet eines Tages aufgeben sollte, steht es Farmern, Siedlern und anderen Holzfirmen und damit einer zweiten Welle der Zerstörung offen.

Sogenannte silvikulturelle Techniken werden eingesetzt, um das Wachstum von kommerziell lukrativen Baumarten zu fördern. Zunächst werden reife Bäume der gewünschten Spezies mit großem Stammdurchmesser gefällt und abtransportiert. Danach werden benachbarte Bäume ohne Marktwert geringelt (d.h. die Rinde um den Stamm wird ringförmig entfernt) und so zum Absterben gebracht. Dies führt wiederum zur Austrocknung des Waldbodens, woduch das durch die toten Bäume bereits erhöhte Waldbrandrisiko weiter steigt. Die silvikulturellen Techniken haben langfristig einen tiefgreifenden Einfluß auf die Artenzusammensetzung und das Alter des Waldes. So wird im Laufe der Zeit ein uraltes Ökosystem in ein System der künstlichen Landnutzung umgewandelt.

Die Umweltorganisationen innerhalb des FSC setzen ihren Einfluß dahingehend ein, die Kriterien für die Zertifizierung schrittweise weiter zu verschärfen und dadurch die Eingriffe in den Wald zu verringern. Aber auch zertifizierte Firmen müssen ihre Produktionsquoten einhalten, um wirtschaftlich bestehen zu können. Unter diesen Auflagen können sie dies nur durch größere Flächen erreichen, was die Anlage von weiterer Verkehrsinfrastruktur in immer entfernteren Gebieten nach sich zieht. Somit entsteht durch den zertifizierten Holzeinschlag eine neue Erschließungsfront im Regenwald.

Rückeweg im Precious Woods Wald

Mythos 2: Durch die Steigerung des Marktwertes von Tropenholz gibt das FSC-Siegel Wäldern einen wirtschaftlichen Wert. Dadurch unterbleiben noch zerstörerischere Formen der Landnutzung, wie etwa der Kahlschlag zur Ackerlandgewinnung.

Dieser Mythos wird scheinbar durch neue Daten von IMAZON gestützt, die zeigen, daß geplanter Holzeinschlag einen Zinsertrag von 33% pro Landeinheit für die Investoren ergibt, während der Zinsertrag bei Rinderfarmen nur bei 8-14% liegt6. Jedoch zeigt die tatsächliche Situation in Amazonien, daß Kahlschlag zur Ackerlandgewinnung und "Forstwirtschaft" kaum als konkurrierende wirtschaftliche Optionen gesehen werden.

Farmer und Landbesitzer in Brasilien halten es ganz einfach nicht für nötig, den prozentualen Zinsertrag oder die Produktivität des Landes bei ihren Berechnungen mit zu berücksichtigen. Die weitere Ausbreitung der landwirtschaftlich genutzen Gebiete wird durch Subventionen und spezielle Steuererleichterungen gefördert, die so einen billigen Zugang zu neuem Land ermöglichen. Die immer wiederkehrende kurzfristige Umwandlung von Wald in Weideland lohnt sich daher, eher als die Investition in neue Methoden der dauerhaften Waldnutzung7. Der politische Einfluß der landwirtschaftlichen Lobby stellt sicher, daß Wald im Naturzustand auch weiterhin als unproduktiv angesehen wird. Diese Tendenz wird durch die extreme Konzentration des Wohlstandes in Brasilien weiter verschärft. Für die wenigen, die über Kapital verfügen, sind Landverknappung und Flächenproduktivität kein Thema. Unter diesen Umständen kann der FSC keinen bedeutenden Anreiz bieten, um Rinderzüchter und Sojafarmer zu Waldnutzern zu machen. Die Zertifizierung schafft dagegen eine Überlebensmöglichkeit für immer mehr internationale Holzfirmen. Viele dieser Firmen standen durch den Druck der staatlichen Umweltbehörden und des internationalen Boykotts kurz vor dem Bankrott. Die neuen Ökomärkte in Übersee werden als Rettungsanker 8 angesehen, ebenso wie die behördliche Unterstützung und die Geldmittel aus internationalen Quellen, die den Firmen nach dem Treuegelöbnis zum FSC zugänglich sind.

Die internationale Holzindustrie ist auf der Suche nach hochwertigen Holzarten die in der benötigten Qualität nur in bisher ungestörten Wäldern zu finden sind. Daher ist sie in der Regel in geografisch weit von der Agrarfront entfernten Gegenden tätig. Wie bereits erwähnt, erleichtern diese „vorbildlichen" Firmen durch die Schaffung einer Verkehrsinfrastruktur in entlegenen Waldgebieten den Zugang für zukünftige Kahlschläge mit anschließender landwirtschaftlicher Nutzung oder Besiedelung.

Die Zertifizierung schafft zwar einen Anreiz für den besser geplanten Holzeinschlag, ist jedoch nur ein Marketinginstrument auf freiwilliger Basis und keine langfristig verbindliche Verpflichtung. Als solches wird es auch nur so lange funktionieren, wie ein maximaler Gewinn für die Holzfirma gewährleistet ist. Sollte zertifiziertes Holz seinen Marktvorteil verlieren, ist es sehr wahrscheinlich, daß die Firmen die kapitalintensive Waldnutzung nach FSC-Richtlinien wieder fallen lassen und zu Raubbaumethoden zurückkehren9.

Ein Satellitenbild des Precious Woods Waldes dokumentiert das neuerrichtete Straßennetz innerhalb des Waldgebietes
Quelle: K. Laschefski, Original: INPE: Landsat TM 5 WRS: 230/062 + 00 99-11-27 UTM

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Mythos 3: Bei so vielen Bäumen und einer weltweit steigenden Holznachfrage ist Holznutzung die unvermeidliche wirtschaftliche Bestimmung für Amazonien.

Holzeinschlag wurde von den politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Nutznießern der Forstindustrie als unvermeidlich für Amazonien definiert. Forstwirtschaft wird als Wissenschaft angesehen, die den Eingriff unserer Spezies in Waldökosysteme des Waldes rechtfertigt. Immer mehr Forschungsinstitute, Umweltschutzorganisationen und internationale Investmentagenturen stellen Forstwirte ein. Jedoch liegt der Focus der forstwirtschaftlichen Ausbildung auf dem Fällen von Bäumen. Wenn ein Forstwirt vor einem Wald steht, sieht er das Holz und nicht die Bäume. Er ist darauf konditioniert, die Anzahl der Kubikmeter Nutzholz zu sehen und nicht Ökosysteme.

Ein Beispiel für die forstwirtschaftliche Perspektive ist "Promanejo", ein Gemeinschaftsprojekt internationaler Entwicklungshilfeorganisationen und der brasilianischen Regierung. Promanejo gehört zum Pilotprojekt der G7-Staaten für den Schutz des tropischen Regenwaldes, kurz PPG7. Promanejo wurde ins Leben gerufen, um nachhaltige Bewirtschaftungsformen in tropischen Wäldern zu entwickeln. Allerdings interpretiert das Programm zumindest im brasilianischen Bundesland Amazonien ausschließlich Holz als Ressource des Waldes. Sowohl Gethal als auch Precious Woods haben davon profitiert: Gethal bekam 382.000 Dollar zur Personalausbildung zugeteilt, und Precious Woods Amazon 238.000Dollar für ein Ausbildungszentrum zur Förderung ihres Systems der Waldbewirtschaftung.

Angesichts des großen Interesses des globalen Holzhandels und dem Beifall der großen Umweltverbände ist der politsche Erfolg des Programms gesichert. Landnutzungsformen der indigenen Völker und der Flußuferbewohner bleiben dagegen eine Randerscheinung in gutgemeinten Entwicklungsprojekten, die nach deren Auslaufen schnell in Vergessenheit geraten. Dabei hat für die traditionelle Waldbewohner der intakte Wald einen hohen Stellenwert, der in seiner Gesamtheit erhalten werden muß, um weiterhin seine enorme Vielfalt an Produkten zu liefern. Der industrielle Holzeinschlag wird niemals diese Effizienz und Nachhaltigkeit der traditionellen Landnutzung erreichen können. Für eine nachhaltige Entwicklung ist es nicht nötig, die lokale Bevölkerung zu Förstern zu machen. Es ist jedoch nötig, daß diejenigen, die erfolgreiche nachhaltige Wirtschaftsformen für diese Region schaffen wollen, etwas von dem Wissen der traditionellen Bevölkerung über Waldökosysteme akzeptieren und deren Bedürfnisse verstehen. Das Sortiment der wirtschaftlichen Alternativen zur Holznutzung enthält Waldprodukte wie etwa Paranüsse, aus Bäumen gewonnene Öle und Essenzen, Guarana, Arzneipflanzen, Babassu, Honig, kunsthandwerkliche Produkte und eine unendliche Vielzahl von Tropenfrüchten, für die bereits gut funktionierende Absatzmärkte bestehen. Die Vielfalt der Nutzungsformen macht die lokale Bevölkerung weniger abhängig von Wirtschaftsmonopolen und damit weniger anfällig für die Tücken des globalen Marktes. Diese lokalen Wirtschaftszweige erreichen zusammen einen Umsatz, der sich leicht mit den wirtschaftlichen Gewinnen der Holzindustrie messen kann. Dennoch werden diese echten Alternativen kaum berücksichtigt, während die Bäume fallen.

Ortsansässige werden in Waldbau geschult

Mythos 4: Der geplante Holzeinschlag durch zertifizierte Firmen regt das örtliche Wirtschaftswachstum an, bietet Arbeitsplätze für die Anwohner und schafft so eine Alternative zu den traditionellen Formen der Landnutzung, die zu stärkerer Entwaldung führen.

Die Holzindustrie in Amazonien ist eine nicht-nachhaltige, krisengeschüttelte Wirtschaftsform. Während Zeiten des wirtschaftlichen Wachstums verstärkte sie die Landflucht, da die lokale Bevölkerung mit der Hoffnung auf Arbeit in den Sägewerken in die Städte gelockt wird. Produktions- und Finanzkrisen des Wirtschaftszweiges sind jedoch alltäglich, hervorgerufen durch die schwankende Nachfrage eines unstabilen Marktes, Geldstrafen und Kontrollen durch staatliche Umweltschutzorganisationen, internationale Tropenholzboykotte, Lieferschwierigkeiten von immer seltener werdenden Hölzern und durch Transportprobleme. In der stark angestiegenen städtischen Bevölkerung spiegeln sich die Schwierigkeiten der Holzindustrie in der Arbeitslosenzahl wider. Da Infrastruktur, Forschungsmittel, politische Kräfte und menschliche Ressourcen auf allen politischen Ebenen einseitig auf die Holzwirtschaft ausgerichtet sind, gibt es kaum wirtschaftliche Alternativen. In Krisenzeiten bleiben die lokalen Entscheidungsträger bei der Suche nach Auswegen auf sich allein gestellt.

Precious Woods Amazon hat seinen Sitz in Itacoatiara, dem Hauptzentrum für Holzeinschlag im Amazonasgebiet, 200 km entfernt von Manaus. Als die Firma sich in den neunziger Jahren hier ansiedelte, befand sich die Holzindustrie gerade in einem wirtschaftlichen Tief. So war es leicht, Arbeiter ohne Anstellung zu finden, die bereits in der Stadt lebten. Die Schaffung von 300 Arbeitsplätzen bei Precious Woods Amazon wurde zwar gern gesehen, hatte aber nur geringen Einfluß auf die örtlichen Arbeitlosigkeit. Allerdings hat die Existenz der Firma neue Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung der Holzindustrie geweckt. Lokale Bemühungen für eine vielfältige Wirtschaftsstruktur zur Stärkung der regionalen Märkte gerieten so wieder in den Hintergrund. Somit trug Precious Woods Amazon dazu bei, die wirtschaftliche Abhängigkeit der Region von Kapital aus dem Ausland und sich rasch verändernden Exportmärkten aufrecht zu erhalten.

Die wirtschaftliche Unsicherheit spiegelt sich in der instabilen Situation innerhalb der Firma selbst wider. Das Management in Itacoatiara hatte schon mehrfach wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Aufgabe des Betriebs erwogen. Auf der Suche nach einem Primärwaldgebiet mit einem größerem Vorkommen wertvoller Baumarten hat Precious Woods 2001 ein Gebiet von 179.000 Hektar Regenwald im benachbarten Bundesstaat Pará erworben. Würde Precious Woods Amazon den Firmensitz nach Pará verlegen, würde die Arbeitslosigkeit in Itacoatiara wieder verschärft.

Im Hinblick auf Löhne, Arbeitsbedingungen, Sicherheitsmaßnahmen und Gewerkschaftsrechten leistet Precious Woods Amazon zweifellos mehr als andere vor Ort ansässige Firmen10. Diese gerieten unter Druck und mußten dem Beispiel zu folgen . Dennoch liegt der Monatslohn eines Arbeiters bei Precious Woods Amazon nur um 20 Real über dem gesetzlichen Mindestlohn von 151 Real (79,00 $) und reicht somit nicht aus, eine Durchschnittsfamilie in Amazonien zu ernähren. Zieht man die Kaufkraft des Mindeslohns bei dessen Einführung vor 60 Jahren in Betracht, sollte dieser heute bei 489 Reals liegen11. Der ökonomische Vorteil von zertifizierten Tropenholz im internationalen Handel liegt also weiterhin in einem unzureichendem Lohnniveau.

Die ökologischen Konsequenzen von Precious Woods Amazon können verdeutlicht werden, indem man die Auswirkungen der Firma als örtlicher Arbeitgeber mit den Landnutzungsformen der lokalen Bevölkerung vergleicht (siehe Tabelle12).

Employement in relation to area (Hectares/employed Person) from Extensive and Intensive Economic Activities (case study of Paragominas, Pará)

    LOGGING*    CATTLE
  RANCHING
  FAMILY
  AGRICULTURE
  Extensive Logging
Cycle of
90 years
Intensive Logging Cycle of 30 years Extensive
Unreformed pastures
Intensive
reformed pastures
Extensive
Slash and burn
Intensive
Perennial cultures
ha/person   540   154   29   29   16   1.4

       *Logging was analyzed without considering land investment and/or timber processing at sawmill. 
Source: Almeida O. e C. Uhl (1995), "Developing a quantitative framework for sustainable resource-use planning in the Brazilian Amazon", World Development 23 (10): 1745-64.

Ländliche Familien roden im Durchschnitt fünf Hektar Fläche zum Anbau von Grundnahrungsmitteln, die sie im Rotationsprinzip nutzen13, während etwa die zehnfache Fläche Wald als Produktionsfläche von Nichtholzprodukten erhalten bleibt. Precious Woods Amazon verwandelt 2.700 Hektar innerhalb der Forstfläche in Transportinfrastruktur. Dies entspricht einer Rodungsfläche, die rein rechnerisch zur Existenzsicherung von 540 traditionellen Familien ausreicht.

Wird die benötigte Fläche pro Arbeitskraft berücksichtigt, zeigt sich die soziale Ineffizienz der Holzwirtschaft noch deutlicher (siehe Tabelle ). Die Firma Precious Woods Amazon beschäftigt mit dem geplanten Einschlagszyklus von 30 Jahren gegenwärtig 300 Menschen in einem Forstgebiet von 61.000 Hektar Größe. Um also das Problem der geschätzten 10.000 Arbeitslosen in Itacoatiara zu lösen, müssten 2.030.000 Hektar Primärwald zum Holzeinschlag freigegeben werden. Man stelle sich die benötigte Waldfläche vor, um die Probleme der Arbeitslosigkeit in Manaus zu lösen!

Der effektive Landverbrauch von Precious Woods ist aber weit größer. Aufgrund des geringen Gehalts bemühen sich viele Arbeiter zusätzlich um kleine Landparzellen, die sie roden um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Zudem essen jeden Tag 300 Arbeiter das Essen aus der Betriebskantine, das auf Feldern und in Viehfarmen entlang der Verbindungsstraße zwischen Itacoatiara und Manaus produziert wird. Die Auswirkungen dieser städtischen Verbrauchsmuster zeigen sich in dem breiter werdenden entwaldeten Streifen beiderseits der Straße, den man auf Satellitenbildern deutlich erkennen kann.

Das kürzlich zertifizierte Einschlagsgebiet von Gethal ist ein deutliches Beispiel dafür, wie zertifizierte Firmen mit weniger zerstörerischen und sozial verträglicheren lokalen Arten der Landnutzung konkurrieren. Die 40.000 Hektar Land, die von Gethal bewirtschaftet werden, wurden traditionell von sieben am Fluss angesiedelten Gemeinden mit ca. 1.200 Menschen genutzt. Sie haben keine schriftlichen Landrechtstitel, sind jedoch von dem Land abhängig. Nach der Genehmigung des zertifizierten Bewirtschaftungsplans ist ihnen die Nutzung wichtiger Einkommensquellen14, wie zum Beispiel das Sammeln von Paranüssen, nur mit Erlaubnis der Firma gestattet. Die Gemeinden haben zusammen mit den ortsansässigen Kirchen diese Ungerechtigkeit eingeklagt15. Ferner erschwert der Straßenbau für den Holzeinschlag den Zugang zum Wald durch die Unterbrechung der von von ihnen genutzten Wasserwege und die Jagdbeute fällt geringer aus. Damit sehen 1.200 Menschen, die bislang von den Produkten des Waldes lebten, einer ungewissen Zukunft entgegen. Es ist wahrscheinlich, daß viele von ihnen in die umliegenden Städte abwandern und sich dort in das immer größer werdende städtische Arbeitslosenheer einreihen.

Holzwirtschaft: Auskommen für die Bevölkerung Amazoniens?

Mythos 5: Zertifizierte Holzfirmen sind zu vollständiger Transparenz verpflichtet. Zusätzlich zur staatlichen Kontrolle unterliegen ihre Aktivitäten auch der Kontrolle der Zertifizierers, der für die dauerhafte Einhaltung der Zertifizierungsbedingungen zuständig ist.

Bei dem Chaos und dem Durcheinander, die in Brasiliens Holzindustrie herrschen, scheint die Zertifizierung den nötigen Anreiz und die nötige Abschreckung zu bieten, Firmen zu besserem Verhalten zu bewegen. Die Annahme ist berechtigt, daß Firmen auch bestrebt sein würden, ihren ökologischen Nischenmarkt nicht durch illegale Aktivitäten zu verlieren. Wenn es jedoch um den Gewinn geht, lassen sich selbst Vorzeigefirmen nicht davon abhalten, sich auf undurchsichtige Geschäfte einzulassen.

Ein Beispiel dafür ist der Fall der umstrittenen Acuariaquara-Lieferungen von Precious Woods Amazon. Acuariquara ist ein haltbares Tropenholz mit einem vernachlässigbar kleinen lokalen Markt. Die internationale Nachfrage nach dieser Holzart entstand, als sich die Stadt Rostock zum Einsatz von zertifiziertem Acuariquaraholz für Bauprojekte im Küstenbereich entschied. Dieser Vertrag wurde als transatlantische Partnerschaft zum Schutz des Regenwaldes gefeiert. Precious Woods Amazon konnte jedoch nicht genügend Holz bereitstellen, um den Bedarf der Stadt zu befriedigen. Um die Lieferung zu ergänzen, wurde Holz über die österreichische Firma MW Florestal an Ort und Stelle von dritten aus dem Umland zugekauft. In Rostock führte dies zur Verwirrung darüber, welche der ankommenden Acuariquara-Lieferungen nun aus zertifiziertem Anbau stammten und welche nicht.16.

Zur gleichen Zeit gab es in den benachbarten Gebieten von Precious Woods Amazon eine Reihe von Fällen illegalen Holzeinschlags zur Gewinnung von Acuariquara. In einem Fall wurde die Genehmigung zum Kahlschlag einer kleinen Fläche für landwirtschaftliche Zwecke dazu benutzt, Hunderte von Acuariquara-Bäumen mit den Maschinen und Arbeitskräften der Firma aus einem normalerweise gesetzlich geschütztem Uferbereich zu holen17. Darüber hinaus beklagte ein örtlicher Bürgermeister auf einer FSC-Veranstaltung, die Firma habe aus seinem Gemeindegebiet illegal Acuariquara entfernt18. Auch wenn die aktive Rolle der Firmen innerhalb dieser Vorgänge rein formell nicht nachgewiesen werden konnte, ist sicher, daß allein die Nachricht eines neuen Marktes für Acuariquara den Anstieg von illegalem Holzeinschlag im weiten Umkreis nach sich zog19. Zertifizierung kann also nicht verhindern, daß die plötzliche Nachfrage nach bestimmten Hölzern eine Dynamik auslöst, die sich nicht auf eine zertifizierte Fläche begrenzen läßt.

Nach diesen Vorfällen wurde schnell ein Schutzwall um Precious Woods Amazon aufgebaut - also genau das Gegenteil zu den Zertifizierungsgrundsätzen der Transparenz. Ähnlich wie im zuvor erwähnten Fall in Gabun wurde auch hier die Untersuchung besorgten Einzelpersonen und kleinen Umweltgruppen mit niedrigem Budget überlassen.

Dies spiegelt die unscharfe Interessenlage innerhalb des FSC wider, wo Organisationen, die für die Überwachung der Firmen verantwortlich sind, ein Interesse am Erfolg des Programms haben. Der FSC-Zertifizierer wird von den Holzfirmen selbst bezahlt. Für die beteiligten Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace, WWF oder Friends of the Earth ist die Zertifizierung der Joker bei Verhandlungen mit der Industrie und der zentrale Kern der Waldkampagnen. Innerhalb der wachsenden Allianz zwischen Industrie und Umweltschutzorganisationen, die gemeinsam in den Erfolg des Modells investieren, sind kritische Stimmen unwillkommen und werden kaum gehört.

Illegaler Einschlag der Acuariquara-Stämme

Mythos 6: Selektiver Holzeinschlag erhöht die CO2-Bindung in tropischen Wäldern und sollte daher durch Zertifizierung gefördert werden, um die globale Erwärmung zu reduzieren.

Selektiver Holzeinschlag hält den Wald in einem permanenten Zustand der Regeneration, da durch das Entfernen von Holz das Wachstum junger Bäume angeregt wird. Damit begründen diejenigen, die den Holzeinschlag im Primärwald unterstützen, ihre Aussage, daß selektiver Holzeinschlag die Bindung von CO2 erhöht und damit zur Reduzierung der Treibhausgase beiträgt. Dieser Argumentation zufolge haben unberührte Primärwälder eine geringere CO2-Bindefähigkeit und daher einen geringeren Wert bei der Klimakontrolle als bewirtschaftete Wälder20. Derartige Annahmen hängen jedoch entscheidend von dem Zeitraum ab, in dem das CO2 im entnommenen Holz gebunden bleibt, und nicht zuletzt davon, daß die Bewirtschaftung in den Wäldern für alle Zeiten in dieser Form fortgesetzt wird.

Ein kurzer Blick auf die Verarbeitung und den Verbrauch von Tropenholz zeigt, daß in den Endprodukte kaum dauerhaft CO2 gebunden wird. Etwa 70 Prozent der Stämme, die in den Sägewerken im Amazonasgebiet ankommen, enden als Abfall, während nur 30 Prozent zu gesägten Brettern verarbeitet werden. Das Abfallholz wird normalerweise entweder verbrannt oder, wie im Fall von Precious Woods Amazon, zur Produktion von Holzkohle verwendet, wodurch sofort CO2, das vorher im Wald gebunden war, in die Atmosphäre entweicht. Wenn die Bretter aus Massivholz, Laminat oder Preßspan dann zu Türen, Wänden, Böden und Möbeln verarbeitet werden, fällt erneut Abfall an. Es gibt kaum Daten über die durchschnittliche Lebenszeit der Endprodukte, aber es ist sicherlich unwahrscheinlich, daß sie Jahrhunderte oder auch nur Jahrzehnte überdauern werden, so daß sie mit Urwaldbäumen im Hinblick auf das Potenzial, CO2 zu binden, konkurrieren könnten. Abgesehen von einigen wenigen Kunstwerken oder Museumsstücken wird der größte Teil dieses Holzes in Müllverbrennungsanlagen in CO2 umgewandelt werden.

Auch CO2-Quellen, die sich indirekt aus dem geplanten selektiven Holzeinschlag ergeben, müssen in Betracht gezogen werden. Zu diesen gehören Emissionen durch die Erstellung der Infrastruktur, den Maschinenpark und den Transport, die für Holzfällarbeiten im großen Stil nötig sind.

All diese CO2-Emissionen müssen durch stetige Holzzuwachsraten in bewirtschafteten Wäldern zumindest kompensiert werden. Wie in Mythos 1 beschrieben, steigert selektiver Holzeinschlag jedoch das Risiko unkontrollierter Waldbrände, die in den letzten fünf Jahren eine der größten CO2-Quellen in Brasilien waren. Zusätzlich dazu erhöht die Infrastruktur, die sich in bewirtschafteten Wäldern findet, die Gefahr einer Besiedelung und Abholzung zur Weide- und Ackerlandgewinnung. Insgesamt gesehen, stellt so die Erschließung von Urwäldern zur Holznutzung eher eine CO2-Quelle und nicht eine CO2-Senke dar.

Die Herstellung von Holzkohle bei Precious Woods Amazon

Mythos 7: Viele Verbraucher in Europa und in den Vereinigten Staaten sind bereit, für Produkte mit Ökosiegel mehr zu zahlen. Werden die wirtschaftlichen Gegebenheiten im globalen Wettbewerbs berücksichtigt, stellt Zertifizierung ein unentbehrliches Werkzeug des Umweltschutzes dar.

Bedeutende Händler, die sich FSC-Buyers Groups angeschlossen haben, erwecken den Eindruck eines riesigen umweltbewußten Marktes. Diese Illusion ist für Regierungen und Unternehmer sehr willkommen, die bei der Suche nach ökologischeren Auswegen die Frage nach den wirtschaftlichen Grundfragen unserer gegenwärtigen Umweltkrise vermeiden wollen. Die Ursache der sozialen und ökologischen Misere wird so zur Lösung - die Rettung der Welt kommt durch Einkaufen!

Zertifizierung war Thema eines Experten-Arbeitskreis der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung im Jahr 199621. Da Verbote und Boykotte als unvereinbar mit dem Regelwerk der Welthandelsorganisation (WHO) gelten, wurde die Zertifizierung unter drei Bedingungen akzeptiert: Erstens, der Markt sollte für alle Zertifizierungsinitiativen offen sein, wobei „der Markt" über die beste Initiative entscheidet.
Zweitens, von politischer Seite her sollte es keine Bemühungen zur Einschränkung des Handels mit unzertifiziertem Holz geben.
Drittens, das Ursprungsland des Holzes sollte aus dem Siegel nicht ersichtlich werden, um Boykottaktionen gegen bestimmte Gebiete zu verhindern22.

Mit diesen Bedingungen bleiben die Märkte für Produkte aus Raubbau und aus illegalen Quellen offen. Die Verantwortung für die Bekämpfung von Umwelt- und Sozialverbrechen wird von den Regierungen auf die Verbraucher abgewälzt. Diese aber sehen sich mit Hunderten von Ökosiegeln konfrontiert, von denen der größte Teil das Ergebnis einer opportunistischen Vermarktungsstrategie sind. Umweltschutzorganisationen sind nun damit beschäftigt, den FSC als einziges "vertrauenswürdiges" Ökolabel zu verteidigen - zu Lasten politischer Aktionen gegen die wirklichen Gründe der Waldzerstörung.

Forschungen zeigen, daß der Markt für "Ökoprodukte" sehr beschränkt ist. Die Hälfte der Konsumenten in Deutschland achten auf Produkte mit Ökosiegel, aber nur ein Drittel würde 5% mehr dafür bezahlen23. Diese Statistiken berücksichtigen nicht das im Alltag oft wechselhafte Verbraucherverhalten. Selbst hartgesottene umweltbewußte Verbraucher entscheiden sich oft für ein günstigeres Produkt ohne Ökosiegel. Der Markt alleine reicht also nicht aus, um die Veränderungen, die für eine nachhaltige Waldwirtschaft nötig sind, herbeizuführen.

Zudem hat zertifiziertes Tropenholz, das an eine umweltbewußte Eliteschicht der ersten Welt verkauft wird, nur wenig Einfluß auf die weltweite Dynamik des Holzhandels. In Brasilien wird 85% des Holzes aus dem Amazonasgebiet auf Binnenmärkten verbraucht24. Es sind diese Märkte, die zur Unterstüzung des illegalen Holzeinschlags in der Region beitragen, der auf 80% geschätzt wird. Brasilianer mit geringem Einkommen können sich den Luxus einer durch Zertifizierung ermöglichten Auswahl nicht leisten. Brasilianische Verbraucher antworteten auf die Frage, ob sie mehr für zertifizierte Produkte zu bezahlen würden, daß die Verantwortung für ökologisch und sozial verträgliche Produkte bei der Regierung liege und nicht bei ihnen.25.

Was tun ?

Viele Menschen unterstützen den FSC in der Hoffnung, daß durch eine Inwertsetzung von Tropenholz die Regenwälder geschützt werden können. Sie glauben, der FSC werde die lokale Bevölkerung in kleinen Initiativen unterstützen und so eine Alternative zu zerstörerischen Formen der Landnutzung bieten. Tatsächlich unterstützt der FSC jedoch hauptsächlich die industrielle Holzwirtschaft in den noch verbleibenden Primärwäldern dieser Welt. Gegenwärtig sind 96% des zertifizierten Waldes im Besitz von Großunternehmen oder Regierungen, wobei 85% eine Fläche von mehr als 100.000 Hektar haben. Nur 34 Prozent aller FSC-Zertifikate wurden an Gruppierungen auf Gemeindeebene und kleinen Waldbesitzern vergeben, die gemeinsam nur einen Anteil von 3 Prozent der gesamten zertifizierten Fläche umfassen.26.

Die Zertifizierung hat wahrscheinlich nur geringe Auswirkungen auf einen Stop der Zerstörung des Tropenwaldes. Unterdessen öffnet der FSC jedoch Tropenholzmärkte in Europa und den USA, die während der Boykottkampagnen der 90er Jahre verschlossen waren. Er bietet internationalen Holzfirmen mit unrühmlicher Vergangenheit eine Überlebenschance und zieht neue internationale Investitionen für den Holzeinschlag in Primärwäldern an. Alles deutet darauf hin, daß auch zertifizierter Holzeinschlag tiefgreifende Auswirkungen auf tropische Ökosysteme hat. Durch die Schaffung einer Transportinfrastruktur dringen zertifizierte Firmen immer tiefer in entlegene Waldgebiete vor. Darüber hinaus gibt es keine Beweise für die Verhinderung von Kahlschlag zur Acker- oder Weidelandgewinnung durch einen höheren Preis für zertifiziertes Holz. Die von den zertifizierten Firmen vor Ort gewährten Sozialleistungen sind nach wie vor zu gering. Unter diesen Umständen setzt der Kauf von zertifiziertem Tropenholz die Regenwälder nur zusätzlich unter Druck.

Durch den FSC entsteht eine neue wirtschaftliche, wissenschaftliche und umweltpolitische Kultur um die Holzindustrie. Beachtliche Finanzbeträge und menschliche Ressourcen werden in zertifizierten Holzeinschlag investiert, obwohl diese Mittel besser für sinnvollere Arten des Waldschutzes ausgegeben werden sollten.

Es gibt zweifelsohne Verbesserungen in der Planung und Kontrolle durch die Zertifizierung von Holzeinschlag. Innerhalb der westliche Logik der linearen Produktion werden aber nach wie vor Waldökosysteme zu einseitigen Holzfabrikationsstätten degradiert. Kurz gesagt, durch den Kauf von Holz mit FSC-Siegel unterstützen die Verbraucher die Ausbeute von Rohstoffen in Entwicklungsländern durch multinationale Konzerne.

Anstatt einen Mythos durch Kauf zu unterstützen, sollten sich am Regenwaldschutz interessierte Einzelpersonen und Organisationen besser an folgende Forderungen halten:

  1. Beendigung aller Pläne zur Zertifizierung von Tropenholz aus Primärwäldern.
  2. Kompletter Tropenholzboykott in Europa und Nordamerika.
  3. Unterstützung von Initiativen für fairen Handel lokaler Gemeinden mit anderen Waldprodukten
  4. Wenn es sich nicht vermeiden läßt, in Sekundärwäldern erzeugtes Holz kaufen.
  5. Die verstärkte Kontrolle des illegalen Holzeinschlags und eine Verschärfung der Gesetze politisch einfordern.
  6. Anstatt in Holz in andere Waldprodukte investieren, die echte wirtschaftliche Alternativen für die traditionelle Bevölkerung darstellen
  7. In Wiederaufforstungsmaßnahmen von entwaldeten Gebiete investieren.

Eine gekürzte Ausgabe dieses Artikels erschien unter dem Titel „Seeing the Wood from the Trees" in der Zeitschrift "The Ecologist" Vol. 31, Nr. 6 (Juli/August 2001) S.40-43.
Eine Doktorarbeit von Klemens Laschefski zum Thema ist hier veröffentlicht (Achtung: 12 MB):
www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/2975

 

Nicole Freris und Klemens Laschefski

Nicole Freris entwickelt mit der indigenen Bevölkerung im Amazonasgebiet alternative Wirtschaftszweige.

Klemens Laschefski war als Sprecher für tropische Wälder des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland für eine Tropenholzboykottkampagne verantwortlich.
Kontakt: klemens.laschefski@gmx.net

 

Fussnoten und Quellenangaben:

1 siehe ZHOURI, A. (1998): Trees and People. An Anthropology of British Campaigners for the Amazon Rainforest. Department of Sociology. University of Essex.

2 REGENWALD REPORT No 4/96: Neue Hoffnung für den Wald? FSC, Rettet den Regenwald, Hamburg.

LASCHEFSKI, K. (1997): Ökozertifikate für Tropenholz kritisch hinterfragt. In: Perubüro Heidelberg: Themenheft Amazonien. El Dorado? Peru Nachrichten Nr. 42, 10/97, 13. p.9195.

3 Greenpeace circular, November 2000.

4 ITTO/OIMT/FUNPAR/IBAMA (1999): "Disseminação de treinamento nas Diretrizes e Criterios da ITTO/OIMT, Fase II, Estagio 2, Projeto PD 30/95 Relatorio de Assessoramento técnica à Empresas Mil Madeireira Ita. Ltda, Documento 6/B, Curitiba, September 1999.

5 Calculation based on data provided by Precious Wood Amazon.

6 VERISSIMO, A., /E. ARIMA & P. BARRETO (2000): A derrubada de mitos amazônicos. Folha de São Paulo, 28 de Maio de 2000, Folha Mais Raízes do Brasil, p. 27/28.

7 Ein Beispiel ist der Imposto Territorial Rural (ITR), der eine reduzierte Steuerbelastung für Landbesitzer im Amazonasgebiet bedeutet, wenn diese die Produktivität ihrer Landbewirtschaftung erhöhen. Bis 1999 waren alle Nutzungsformen von Wäldern ausgeschlossen. Siehe: GAZETA MERCANTIL (17.03.99): O novo ITR e as florestas nativas. p. 2.

8 GAZETA MERCANTIL (08.03.99): Madeireiras devem exportar mais 20%. p. B20. GAZETA MERCANTIL (19.03.99): Selo verde é passaporte mundial. p. 10. 

A CRITICA (14.03.99): Selo verde chega à madeira tropical. p. E4.

9 GAZETA MERCANTIL (0507.03.99): Subsidiára da Vale perde o selo verde. p. A13.

10 Basiert auf Interviews mit der örtlichen Gewerkschaft (Sindicato dos Trabalhadores da Industria Madeireira, Itacoatiara) im Juli 2000.

11 SANTA CRUZ, A. (2000): Mínimo não cria rombo, diz Pochmann. In: Folha de São Paulo, 23 de fevereiro de 2000.

12 Interviews mit B. Ribeiro dos Santos ASPAC (Associação de Silves pela Preservação Ambiental e Cultural) in Silves und IBAMA-Mitarbeitern in Itacoatiara, Juli 2000.

13 ALMEIDA, O. & C. UHL (1995), "Developing a quantitative framework for sustainable resourceuse planning in the Brazilian Amazon", World Development 23 (10). p. 174564.

14 Governo do Estado do Amazonas Instituto de Proteção Ambiental do Amazonas (2000): "Projeto de Gestão Ambiental Integrada PGAI /AM. Relatório técnico das atividades realizadas no município de Manicoré / AM. Manaus.

15 Information vom Amazonasbüro der Pastoralen Land Kommission (CPT). 

16 OSTSEEZEITUNG (11.08.98): Amt kaufte Regenwald Holz zweiter Klasse. p.13.

17 Prefeitura Municipal de Presidente Figueirido (1998): Relatorio percial de constatação de dano ambiental. Extração de madeira no sitio "Boa Esperança", Comunidade Bom Futuro, margem direita do Rio Uatumã, jusante da Cachoeira da Morena/Presidente Figueiredo AM 25 June 1998.

18 siehe: A CRITICA (03.98): Mil Madeireira faz exploração ilegal. p. E2.

19 Illegaler Holzeinschlag von Aquariquara-Bäumen entlang der Straße von Itacoatiara nach Silves (Estrada de Varzea), bestätigt von IBAMA-Mitarbeitern, Itacoatiara, im Juli 2000.

20 siehe for example HIGUCHI, N. et al (1997): Projeto Bionte Biomassa e nutrientes florestais. Relatório Final, Sumário Executivo, Manaus, p. 6. siehe for example HIGUCHI, N. et al (1997): Projeto Bionte Biomassa e nutrientes florestais. Relatório Final, Sumário Executivo, Manaus, p. 6.

21 International Experts'Working Group Meeting, Bonn, 1216 August 1996: "Trade, Labeling of Forest Products and Certification of Sustainable Forest Management"

22 siehe working papers for the the International Experts' Working Group Meeting, Bonn, 1216 August 1996: " Trade, Labeling of Forest Products and Certification of Sustainable Forest Management"

23 BROCKMANN, K. L., J. HEMMELSKAMP & O. HOHMEYER (1996): Certified Tropical Timber and Consumer Behavior The Impact of a Certification Scheme for Tropical Timber from Sustainable Forest Management on German Demand. Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Mannheim, p. 30.

24 siehe: SMERALDI, R. & A. VERISSÏMO (1999): Acertando o alvo Consumo de madeira no mercado interno Brasileiro e promoção da certificação florestal, São Paulo. 

25 the results of the research will be presented in a PhD thesis which is to be worked out by Laschefski, K. at the end of the year 2001.

26 COUNSELL, S. (1999): Trickery or Truth an Examination of the Effectiveness of the Forest Stewardship Council. The Rainforest Foundation, London.

 

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