Klaus Schramm sprach mit Lothar Krikowski
Vorbemerkung:
Lothar Krikowski von der BUND-Gruppe Ettenheim-Ringsheim leitet in Ringsheim ein
kleines Umweltzentrum mit drei Mitarbeitern und bietet einen Wespen-Notruf an.
Im Falle von Problemen mit Wespen- und Hornissennestern gibt er telefonisch Rat,
wie mit den ungebetenen Untermietern am besten umzugehen ist und siedelt im
Notfall auch deren Nester um.
K. S.:
Herr Krikowski, wie lange bieten Sie nun schon diesen Wespen- und
Hornissen-Notruf an und wie oft sind sie dabei schon gestochen worden?
Lothar Krikowski:
Ich mache das inzwischen seit fünf Jahren für die Landkreise Ortenau und
Emmendingen. Und um gleich zwei geläufigen Mißverständnissen vorzubeugen: Wespen
und Hornissen sind nicht gefährlich. In der Regel gelingt es, mit Ratschlägen
und Informationen ein einvernehmliches Nebeneinander zwischen Mensch und Tier zu
ermöglichen. Wer sich im Alltag richtig verhält, wird weder von Bienen, noch von
Wespen oder Hornissen gestochen, außer sie setzen sich versehentlich auf ein
solches Tierchen. Gefährlich kann das allenfalls für Menschen werden, die eine
Allergie haben, die ärztlich diagnostiziert wurde. Diejenigen müssen ihr
Notfall-Set immer dabei haben - auch wenn sie abends ausgehen. Etwas anderes ist
es natürlich bei Umsiedelungen. Dabei kommt es nicht selten vor, daß ich auch
durch den Schutzanzug hindurch gestochen werde.
Ab wie vielen Stichen wäre das tödlich?
Da liegen selbst in der Fachliteratur die Angaben weit auseinander, weil es
dazu schlicht und einfach sehr wenig Erfahrungen gibt. Während bei der Biene 100
bis 150 Stiche für einen Menschen tödlich sein können, benötigt es bei Wespen
und Hornissen mindestens 1000. Der Unterschied kommt daher, daß beim Stich einer
Biene der Stachel mit Widerhaken samt Giftblase herausgerissen wird, was immer
tödlich ist - allerdings für die Biene, während eine Wespe mehrfach stechen
kann. Wespen dosieren daher ihr Gift und investieren nicht gleich ihre gesamte
Verteidigungsfähigkeit. Denn lediglich zur Selbstverteidigung stechen diese
Insekten - im Gegensatz beispielsweise zu Stechmücken. Obwohl Hornissen als
größte unserer heimischen Wespenarten einen viel gefährlicheren Eindruck machen,
sind ihre Stiche nicht gefährlicher als die der kleineren Wespen. Sie sind
allenfalls schmerzhafter, da ihr Stachel tiefer in die Haut zu dringen vermag.
Es heißt, die "Wespen-Plage" sei dieses Jahr besonders schlimm - Wie oft
klingelt bei Ihnen das Notruf-Telefon?
Es ist ein ganz durchschnittliches Jahr. Letztes Jahr war es wesentlich mehr.
Zwischen Juli und September wird der Wespen-Notruf durchaus mehrmals am Tag in
Anspruch genommen und im September sehr oft. Aber wie schon gesagt, es ist nicht
jedesmal nötig, selbst vor Ort zu sein. Meist genügen Informationen über die
Lebensweise der Tiere und Ratschläge, wo beispielsweise am vernünftigsten ein
Fliegengitter in der Nähe des Nestes angebracht werden kann. Wer erfährt, wie
diese Tiere leben und daß sie weitestgehend ungefährlich sind, bringt in der
Regel auch die nötige Toleranz auf. Wenn Wespen durch geringfügige Maßnahmen
davon abgehalten werden können, in den menschlichen Wohnbereich zu geraten und
es ihnen möglich ist, ungehindert ein und aus zu fliegen, können sie zwar ein
bißchen lästig sein. Aber die meisten Menschen sind nach einer ausreichenden
Aufklärung bereit, diese geringfügige Beeinträchtigung wenige Monate in Kauf zu
nehmen.
Ist dann nicht zu befürchten, daß sie im folgenden Jahr wiederkommen, wenn
sie sich so wohl fühlen dürfen?
Im Gegenteil. Es ist sogar empfehlenswert, verlassene Wespen-Nester an Ort
und Stelle zu belassen. Ein vorhandenes Nest wird garantiert kein zweites Mal
bezogen und darüber hinaus meiden die Tiere die Nähe alter Nester. Umgekehrt:
Wer beispielsweise unterm Dach den vom Aussterben bedrohten Wespen- und
Hornissenarten eine Zuflucht bieten will, sollte die alten Nester entfernen und
ihnen einen Zugang bieten. Die immer häufiger ausgebauten und gut
wärme-isolierten Dächer unserer Häuser, abgerissene Scheunen und gefällte hohle
Bäume haben zur Wohnungsnot dieser für uns Menschen sehr nützlichen Insekten
beigetragen. So müssen wir uns nicht wundern, wenn sie sich immer häufiger auch
in unseren Wohnungen nach einem Nistplatz umschauen.
Inwiefern sind Wespen und Hornissen Nützlinge?
Weithin bekannt ist ja, daß manche Schlupfwespenarten bereits gezüchtet
werden, um sie gegen andere Insekten, die gewöhnlich als "Schädlinge" betrachtet
werden - wie beispielsweise Motten - , einzusetzen. Weniger bekannt ist dagegen,
daß ein durchschnittliches Hornissenvolk an guten Tagen rund 500 Gramm an
Insekten fängt. Ähnlich einem Falken erjagt die Hornisse ihre Beute im Flug, um
die in den Waben heranwachsenden Larven zu ernähren und mit frischem Eiweiß zu
versorgen. Über das spannende und interessante Leben der Hornissen gäbe es noch
viel zu erzählen.
Wie kommt es, daß Menschen häufig völlig hysterisch reagieren und beim
Anblick einer Wespe oder Hornisse nur wild um sich schlagen?
Das wird wohl schon seit Generationen den Kindern so eingeimpft. Immer noch
treffe ich auf solch dumme Sprüche wie "Sieben Stiche töten ein Pferd, drei
einen Menschen". Häufig sind völlig falsche Vorstellungen über die
Verhaltensweisen der Wespen und Hornissen und die Wirkung ihrer Stiche daran
Schuld, daß Menschen bei ihrem Anblick in Panik geraten. Bei behutsamer
Annäherung und Vermeiden hastiger Bewegungen ist es möglich, das Leben der Tiere
ganz aus der Nähe zu beobachten. Wespen und Hornissen verteidigen sich nur, wenn
sie im unmittelbaren Nestbereich gestört werden. Außerhalb dieser Zone sind die
gelb-schwarz gebänderten Insekten sehr selten angriffslustig, scheuer als
Honigbienen und ziehen es in der Regel vor, zu flüchten. Unter den vielen
heimischen Wespenarten sind übrigens nur zwei, die gelegentlich lästig werden
und auch mal zustechen: Die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe. Es sind auch
ausschließlich Wespen dieser beiden Arten, die gelegentlich bei Kaffee und
Kuchen ihren Besuch abstatten.
Wäre es da nicht sinnvoll, mit der Aufklärung besonders bei Kindern und
Jugendlichen anzusetzen?
Neben dem Wespen-Notruf biete ich auch Vorträge an. Und mit einem speziell
auf kleinere Kinder ausgerichteten Angebot werde ich häufig in Kindergärten
eingeladen. Bei einem "Notfall" wurde ich kürzlich in einen Kindergarten gerufen
und da hatten sich die Erwachsenen ganz vorbildlich verhalten. Die Kinder sind
so relativ ruhig geblieben. Selbst ruhig und gefaßt zu bleiben, ist schon mal
die erste Grundvoraussetzung, daß nichts Ernstes passiert.
Was war der Anlaß, daß Sie gerufen wurden ?
Hornissen hatten sich im Dach des Kindergartens einquartiert und nutzten
zudem einen Fliederbusch im Bereich der Freifläche als "Tankstelle". Auch in
diesem Fall war es nicht nötig umzusiedeln, denn der Flieder ließ sich
problemlos mit rot-weißem Absperrband eingrenzen. Wichtig war es natürlich, den
Kindern einiges über Hornissen zu erzählen, um ihnen einerseits die Angst zu
nehmen, andererseits aber auch klar zu machen, daß sie die durch das Band
markierte Zone respektieren müssen. Manche Eltern waren da erst mal sehr nervös,
obwohl keines der Kinder gestochen wurde.
Was ist unter einer Hornissen-Tankstelle zu verstehen?
Während sie für ihre Brut frisches Eiweiß benötigen und sich dieses durch die
Jagd auf andere Insekten besorgen, ernähren sie sich selbst ausschließlich von
Kohlehydraten. Hierzu beißen sie zum Beispiel aus der Rinde des Fliederbusches -
nicht der Sommerflieder, sondern der gewöhnliche Flieder - kleine Stückchen
heraus und saugen die Pflanzensäfte auf. Sie decken so ihren hohen
Energiebedarf, der durch das viele Fliegen bedingt ist. Hornissen sind
durchschnittlich 22 Stunden am Tag aktiv.
Unter welchen Umständen ist dann eine Umsiedlung nötig?
Jeder Fall ist verschieden. Es kommt auch immer sehr auf das Verhalten der
Menschen an. Kürzlich wurde ich wegen einem Hornissen-Nest in einem
Rolladen-Kasten angerufen. Trotz ausführlicher Beratung am Telefon bestand der
Hausbesitzer darauf, daß ich komme. Es handelte sich um ein Mietshaus und der
Vermieter war sehr nervös und wollte das Nest unbedingt weghaben. Dabei war das
Nest sehr klein, sehr clever gebaut und an einer schwierigen Stelle. So mußte
nach der Entfernung der Verblendung ein Handwerker geholte werden, der von außen
mit einer Lochfräse eine im Durchmesser zehn Zentimeter große
Zugriffsmöglichkeit herstellte. Die Hornissen waren dementsprechend nervös und
der Handwerker mußte mit Schutzanzug, Imkerhut und Gesichtschleier arbeiten.
Nach der Bergung des Nestes beginnt allerdings erst der schwierigste Teil.
Sie können die Wespen oder Hornissen nicht einfach in den nächsten Wald fahren?
Zunächst einmal muß das Nest in einem speziellen Nistkasten eingeklebt und
mit Stäben fixiert werden, denn es bricht leicht auseinander. Die Arbeiterinnen und
eventuell auch die Königin wird in eine Art Schublade, den Abfangkasten gesetzt.
Dazu ist dort für die Tiere ein spezielles Futter plaziert, damit sie die
Strapaze der Umsiedlung besser überstehen. Und dann muß ich möglichst viele der
Tiere einfangen, damit das Volk eine Überlebens-Chance hat. Ein großer Teil des
Volks ist schließlich immer unterwegs und würde den neuen Standort des Nests
nicht finden. Sie haben zwar einen Aktionsradius von rund fünf Kilometern. Wenn
ich den neuen Standort aber zu nahe wähle, ziehen sie einfach wieder um und
bauen ein neues Nest im Rolladen-Kasten. Es ist gar nicht so einfach, einen
richtigen Standort zu finden, denn ich bin schließlich keine Wespen-Königin.
Wenn ich dann in über fünf Kilometer Entfernung am Waldrand einen mir passend
erscheinenden Baum gefunden habe, muß ich im Schutzanzug, den Kasten auf den
Knien, auf einer Leiter bis in mindestens vier Meter Höhe hinauf, um dort den
Kasten anzubringen. Diesen am Baum zu fixieren ist meist auch nicht so einfach.
Erst danach wird mit einer Schnur die Verbindung zwischen Abfangkasten und
Nistkasten geöffnet.
Wie hoch ist die Erfolgsrate solcher Umsiedlungsaktionen?
Ich mache immer nach vierzehn Tagen einen Kontrollgang und in diesem Fall
mußte ich feststellen, daß die Hornissen-Königin gestorben war. Das bedeutet,
daß das Volk zum Tode verurteilt ist und auch im folgenden Jahr keine
Nachkommen-Generation mehr hat. Durchschnittlich gelingen aber 70 bis 80 Prozent
der Umsiedlungen. Ich öffne bei meiner Kontrolle vorne eine Tür am Nistkasten,
sehe nach, ob neue Wabenteller hinzu gekommen sind und ob eine neue Klimaanlage
gebaut wurde und kann daran erkennen, ob es dem Volk gut geht. Am Besten ist es
natürlich immer, wenn eine Umsiedlung zu vermeiden ist.
Was war dieses Jahr ihr spektakulärster Fall?
Na ja, das war vielleicht, als ein Wespennest durch die Decke in ein
Schlafzimmer herunter zu brechen drohte. Da mußte ich ebenfalls an der Ort des
Geschehens. Es ist allerdings nicht so, daß die Wespen sich durch die Decke
beißen, wie vielfach vermutet wird. Sie entfernen allenfalls mal Styropor oder
anderes Dämmmaterial, wenn es sie daran hindert, eine feste Aufhängung für ihr
Nest zu finden. Im konkreten Fall war eine Gipskartonplatte von den Exkrementen
der Wespen durchfeuchtet und drohte deshalb herunter zu brechen. Die
Wohnungseigentümer hatten allerdings schon selbst eine Lösung gefunden und von
unten eine dünne Spanplatte als Absicherung darunter angeschraubt. Ich mußte
dann vor Ort nur bestätigen, daß keine unmittelbare Gefahr besteht. Die Wespen
hatten ihren eigenen Eingang. Zu bedenken ist auch immer, daß das Ganze bereits
im Frühherbst oder je nach Art im Spätherbst vorbei ist. Die Jungköniginnen
fliegen aus, das Volk stirbt. Im nächsten Jahr suchen sich die Jungköniginnen
einen Ort für ein neues Nest. Sie besiedeln niemals ein altes Nest, selbst
wenn's das Nest der Mutter wäre. Ja, sie meiden sogar den Bereich vorhandener
Nester.
Benötigen Sie eine besondere Genehmigung, um Wespen oder Hornissen
umzusiedeln?
Hornissen und einige Wespen-Arten stehen seit 1987 unter strengem
ganzjährigen Schutz nach der Bundesartenschutzverordnung. Weil diese Arten vom
Aussterben bedroht sind, dürfen ihre Nester nicht entfernt oder zerstört werden.
Nur anerkannte Fachleute dürfen in Ausnahmefällen eine Umsiedelung vornehmen.
Wer Umsiedlungen hauptberuflich oder wie ich ehrenamtlich durchführt, muß dazu
die Genehmigung des Regierungspräsidiums beziehungsweise der Unteren
Naturschutzbehörde bei den Landratsämtern haben.
Was kostet die Umsiedlung beispielsweise eines Wespennests?
Je nach Aufwand berechnen kommerzielle Anbieter rund 100 Euro. Bei mir sind
Beratung und Umsiedlung kostenlos.
Vielen Dank für das Gespräch.