10.07.2004

Filmkritik

Super Size Me

Filmische Attacke auf McDonalds und Co.

Immer wieder wurde der Zusammenhang geleugnet: Vorwiegend Menschen der unteren Schichten in den USA sind von Übergewicht betroffen - Vorwiegend Menschen der unteren Schichten ernähren sich vom Fraß der Fast-Food-Ketten wie McDonalds. In der Manier von Michael Moore - nur viel besser - drehte Morgan Spurlock einen Selbstversuch als unterhaltsames Doku-Movie, riskierte seine Gesundheit - und gewann einen Preis auf Robert Redfords 'Sundance Festival', begeisterte das Publikum auf dem Doku-Filmfestival 'Hot Docs' in Toronto und hat großen Erfolg in den Kinos.

Der New Yorker Filmemacher Morgan Spurlock ist zu Beginn von 'Super Size Me' gesund und schlank. Was manche jahrelang durchhalten, mutet er sich als Experiment am eigenen Körper 30 Tage lang zu: Alle Mahlzeiten - morgens, mittags, abend - ausschließlich bei McDonalds. Auch alle kleinen Snacks zwischendurch! Und zu allem Überfluß mutete er sich als Sonderregel zu: Immer, wenn ihn McDonalds-Mitarbeiter auffordern sollten, das "Super Size Meal", die supergroße Mahlzeit zum Sonderpreis, zu nehmen, würde er das Angebot akzeptieren. Daher der Titel des Films: Super Size Me (ungefähr: übergrößere mich).

Doch um bei allem todernsten Freßvergnügen ein gewisses Maß an Objektivität zu wahren, beginnt Spurlock seinen Film mit dem Gang zum Arzt. Gleich von drei verschiedenen Ärzten läßt er sich eine sehr gute Gesundheit bescheinigen. Dennoch bemerkt er bereits nach wenigen Tagen an sich selbst eine Sucht nach Fast Food. Geradezu exhibitionistisch berichtet er von Erschöpfungszuständen und Depressionen, die der tägliche Konsum bei McDonalds bei ihm auslösen. Mehr noch: Er läßt seine Freundin vor der Kamera antreten, die sich zu den Veränderungen unter der Gürtellinie äußern soll. Sichtlich genervt spricht sie ins Mikro: "Libido? Vergiß es!" Das Thema verspricht garantiertes Gekichere im Kinosaal. Doch indem er sich selbst der Lächerlichkeit preis gibt, vermeidet er es, die wahren Opfer durch den Kakao zu ziehen.

Der Erkenntisgewinn wird immer auf eine witzige Art präsentiert. Spurlock fragt PassantInnen auf der Straße nach deren Ernährungsgewohnheiten, schaut sich in den Firmen-Kantinen um, läßt sich zeigen, was Kinder zum Mittagessen bekommen und berichtet von einem Prozeß, den zwei übergewichtige Mädchen gegen McDonalds anstrengten. "Zuerst fand ich das selbst lächerlich", erklärt Spurlock. Schließlich sei jeder selbst für seine Gesundheit verantwortlich. Aber gerade die Erlebnisse in den Kantinen hätten ihm gezeigt, daß es oft nur eine Auswahl zwischen gleich ungesunden Alternativen gebe. Und gerade die Kinder würden von klein auf an Fast Food gewöhnt, so daß ihr Geschmacksinn richtig gehend darauf geeicht werde.

In den USA sind bereits rund 37 Prozent der Kinder übergewichtig (in Deutschland rund 20 Prozent1) und die gesundheitlichen Schäden nehmen immer mehr zu. WissenschaftlerInnen warnen, daß es sich um die erste Generation handeln wird, bei der die Kinder vor ihren Eltern sterben. Bereits heute sterben in den USA nachweislich 300.000 Menschen pro Jahr an den Folgen von Übergewicht. Doch auch solches Zahlenmaterial verpackt Morgan Spurlock auf witzige Weise. Grafiken werden zu kleinen Animationsfilmen. Beispielsweise wird so die Ausbreitung der McDonalds-Restaurants erschreckend deutlich. Und zudem wird ohne viel Worte erfahrbar, warum es in der Nachbarschaft kaum noch Alternativen zu Fast Food gibt.

Und auch journalistischem Anspruch wird genüge getan, indem Spurlock dem McDonalds-Konzern Gelegenheit zur Stellungnahme einräumt. Doch hier sorgt die Gegenseite für unfreiwillige Komik: Gnadenlos dokumentiert Spurlock wie er immer wieder bei seinen Bitten um ein Interview vertröstet wird. Und ebenso gnadenlos ist Spurlock gegen sich selbst. Als er nach nur zwei Wochen des Selbstversuchs dieselben Ärzte wie zu Beginn konsultiert, zeigen sich diese schockiert. Sicherlich war jedem klar, daß Spurlock an Gewicht zunehmen würde. Doch daß sich die Blutwerte dramatisch verschlechtern haben und die Leber bereits einen kritischen Zustand erreicht hat, ist denn doch auch für die Ärzte ein überraschendes (Zwischen-) Ergebnis. Sie raten dem Filmemacher dringend, sein Experiment abzubrechen. Doch Spurlock ist gewillt, bis zum Ende der 30 Tage durchzuhalten.

Im Abspann von "Sper Size Me" vergißt Spurlock nicht zu erwähnen, daß noch drei Monate nach Beendigung des Experiments sowohl sein Gewicht als auch seine Blutwerte noch nicht wieder auf Ausgangsniveau erreicht haben. Doch wie zu erfahren ist, hat er dies ein halbes Jahr darauf denn doch geschafft. Da bleibt nur zu hoffen, daß Spurlock keine Spätfolgen davonträgt und daß den KinobesucherInnen der nächste Burger nicht im Hals stecken, sondern daß McDonalds darauf sitzen bleibt.

 

Adriana Ascoli

 

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