Kein besetztes Haus mehr in Berlin
Ebenso eifrig wie sich der "rot-rote" Berliner Senat um den Sozialabbau bemüht, zeigte er nun auch Muskeln bei der Räumung des letzten besetzten Hauses in Berlin. Lange Zeit war versucht worden, die BewohnerInnen des linken Wohnprojekts durch "Vermittlungs"- Gespräche zu zermürben. Gestern nun wurde mit Einsatz von rund 500 BeamtInnen geräumt.
Bereits um vier Uhr morgens waren die ersten Hundertschaften angerückt. Zugleich hatten sich vor dem Haus rund 300 DemonstrantInnen versammelt. Im Haus befanden sich rund 150 Leute - etliche SymathisantInnen hatten sich zu den rund 60 Haus- bewohnerInnen gesellt. Die Hofeinfahrt wurde durch eine Sitzblockade versperrt. Als die Blockade nach der obligaten dreimaligen Aufforderung nicht aufgegeben wurde, kam es zum Schlagstock- Einsatz. Mehrere BlockiererInnen wurden zudem getreten und auf dem Boden weggeschleift. Zwei Personen erlitten einen Kreislaufkollaps. Zum Glück gab es keine schweren Verletzungen.
Gegen fünf Uhr traf der Gerichtsvollzieher ein. Dennoch benötigte die Staatsmacht weitere zwei Stunden, um den Hinterhof von mit Wasser gefüllten Containern und anderen schweren "Gütern" zu räumen. Auch auf den Dächern war Polizei zu sehen - teilweise das SEK. Nach verschiedenen Aussagen sollen auch Steine und Feuerwerkskörper während der Räumung geworfen worden sein. Kurz nach sechs Uhr wurden die ersten aus dem Haus gezerrt. Anschließend wurden sie fotografiert und die Personalien festgestellt. Alle der rund 150, die sich im Haus aufgehalten hatten, erhielten Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs. "Die spektakulären Häuserkämpfe, wie wir sie aus den Achtzigern kennen, sind wohl vorüber", meinte ein Polizeisprecher sichtlich gutgelaunt.
Bereits in der Nacht zum Montag wurde von Unbekannte ein PDS-Büro in Berlin-Mitte mit Steinen beworfen und "Rache für Yorck 59" an die Hauswand gesprüht. Auch zwei Autohäuser in Kreuzberg wurden Ziel von Angriffen, die im Zusammenhang mit der Räumung stehen sollen.
Der Eigentümer des Hauses hatte bereits vor mehreren Wochen einen Räumungsbeschluß gegen die BewohnerInnen, darunter zehn Kinder, erwirkt. Die Streitigkeiten mit dem Hauseigentümer hatte sich über ein Jahr hingezogen. Im Frühherbst 2004 hatte ein bekannter Hamburger Immobilienspekulant das Gebäude für 1,5 Millionen Euro erworben. Er wollte die Miete verdoppeln oder alternativ das Objekt für 2,5 Millionen Euro weiterverkaufen.
Der Räumung war noch bis zuletzt ein monatelanger "Verhandlungsmarathon" zwischen SprecherInnen der 'Yorck 59', RepräsentantInnen der "rot-roten" Senats und weiteren des Bezirk sowie des Liegenschaftsfonds vorausgegangen. Die dabei bislang vorgelegten Angebote wurden allerdings von den BewohnerInnen als "unseriös" bewertet. Noch am Freitag hatte Innensenator Erhart Körting (SPD) dem Hauskollektiv empfohlen, innerhalb von zwei Wochen aus der Yorckstraße in Übergangsräumlichkeiten umzuziehen und sich anschließend für den Kauf eines Ersatzobjektes zu entscheiden. Über den städtischen Liegenschaftsfonds hatte der Senat den BewohnerInnen ein Ersatzobjekt für den symbolischen Preis von einem Euro angeboten. Als "Gegenleistung" verlangte er jedoch die Unterzeichnung eines Vorvertrags, worin sich die Bewohner zum freiwilligen Auszug aus der Yorckstraße innerhalb von zwei Wochen verpflichten sollten. Der zugesagte Kaufpreis war im Vertrag allerdings nicht enthalten. Die BewohnerInnen brachen die Verhandlungen daraufhin ab.
Das Haus Yorckstraße 59, das vor 17 Jahren besetzt wurde, war bis zuletzt einer der Mittelpunkte des Berliner Szenelebens. Die Antirassistischen Initiative (ARI), das Anti-Hartz-Bündnis und viele andere soziale Initiativen hatten in der Yorckstraße 59 ihre Anlaufstelle. Das Haus war zugleich ein Treffpunkt für die außerparlamentarische Linke aus ganz Deutschland.
Frank Bayer
Anmerkungen
Siehe auch:
www.Yorck59.net