27.05.2004

Zuwanderungsgesetz
oder Abschottungsgesetz?

Was einmal als Zuwanderungsgesetz angekündigt wurde, ist heute nichts anderes mehr als ein Sicherheitspaket III. Selbst die Teile des "Zuwanderungsgesetztes", die gegenüber tatsächlich noch vorhandenen Restbeständen originär roter oder grüner AnhängerInnen von "Rot-Grün" als Lockstoff für deren Akklamation dienen, sind keineswegs definitiver Inhalt des Gesetzespakets. Kein Mensch weiß mehr sicher zu sagen, was von diesem Lockstoff letztlich drin stehen wird und was nicht.

Sicher ist allein, was nicht mehr im "Zuwanderungsgesetz" enthalten sein wird: Das Punktesystem, das einmal wertloses von wertvollem Menschenmaterial scheiden sollte, ist rigoroser "Das Boot ist voll"-Mentalität zum Opfer gefallen. Selbst für die erste Generation der MigrantInnen wird es keine Erleichterungen bei der Einbürgerung geben. Kinder sollen nur noch nachkommen dürfen, wenn sie höchstens 12 Jahre alt sind - bisher galt das 16 Lebensjahr als Grenze. Migrantenkinder können weiterhin in die Herkunftsländer ihrer Eltern abgeschoben werden. Eine weitere Schwächung des Abschiebeschutzes für diese Gruppe ist nicht ausgeschlossen. Die "Integrations"-Kurse sind als Verpflichtung mit Sanktionen vorgesehen und die finanzielle Beteiligung der MigrantInnen ist nicht ausgeschlossen. Selbst die nach Art. 16a GG anerkannten AsylbewerberInnen, deren Zahl im internationalen Vergleich verschwindend gering ist und eh nur noch Alibi-Zwecken dient, sollen künftig nur noch eine befristete Aufenthaltsgenehmigung bekommen.

Zunehmende Illegalität wird mit einem solchen Gesetz billigend in Kauf genommen, immer mehr Menschen werden in Zukunft in die Hände der Folterknechte expediert, die Isolation und Ausgrenzung der in Deutschland Geduldeten durch Absenkung der Leistungen weit unter den Sozialhilfesatz verschärft.

Im Grunde ist das vorliegende Gesetz wirtschaftsfeindlich. Ironie - oder Zynismus - der Geschichte: Die Merkel-Stoiber-Bande, die mangels Kontrollmöglichkeiten aus den Konzern-Etagen ihr Fitzelchen Macht, das ihr im Bundesrat zugefallen ist, bis zur Bewußtlosigkeit auskostet, gefährdet den "Standort Deutschland". Angesichts einer unübertrefflich wirtschaftshörigen, neo-liberalen Regierung im modischen rot-grünen Tarnmäntelchen zur Bedeutungslosigkeit verdammt und von Dotationen der "Landschaftspflege" schmählich vernachlässigt, ergreift die Merkel-Stoiber-Bande den einzigen Strohhalm, der ihr bleibt: Sie versucht sich in vermeintlichem Populismus nach rechts von der "rot-grünen" Regierung abzusetzen. Weniger an den Interessen ihrer Auftraggeber als am puren Machterhalt interessiert, schwenkt "Rot-Grün" beliebig weit auf diese anti-kapitalistischen Abwege ein.

Die Einführung der Greencard für - meist indische - IT-SpezialistInnen, die einmal der Debatte um ein Zuwanderungsgesetz neuen Schwung verliehen sollte, ist längst in Vergessenheit geraten. Dabei sollten gerade Linke nicht vergessen, daß hinter diesem Kalkül einer wirtschaftspolitisch gesteuerten Zuwanderung allein das gnadenlose Interesse stand, ärmeren Ländern deren Fachkräfte abzuwerben. Zwischen Abschottung und Abwerbung als Scylla und Charybdis schipperte "Rot-Grün" seit dem Verlust der Bundesratsmehrheit nun Dank Otto Schily als listenreichem Odysseus geradezu unverwundbar dahin. Wer behauptet, die "Grünen" würden hierbei keinerlei Rolle mehr spielen, irrt. Mit erstaunlicher Glaubwürdigkeit erfüllen sie gegenüber einer Öffentlichkeit, die gerne wegschaut, wenn das Elend sich im Mittelmeer statt im Sudan abspielt, die Funktion des Feigenblättchens. Von der F.D.P. haben sie sich abgeschaut, daß es das politische Überleben keineswegs beeinträchtigt, von Intellektuellen als notorische Umfaller bezeichnet und verachtet zu werden.

Korrekt könnte das Gesetzespaket am Ende vielleicht als "Ausnahmeverordnung zur Anwerbestopverordnung für Hochqualifizierte" bezeichnet werden.

 

Harry Weber

 

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