Umwelt- und Naturzerstörung
Der Flächenfraß durch Siedlungs- und Straßenbau nimmt unvermindert zu (Frankfurter Rundschau, 11.03.2000). Der Ausbau von Flughäfen (insbes. Frankfurt) schreitet ungehindert voran. Eine der wertvollsten und schönsten wilden Naturlandschaften im Bereich der ehemaligen Grenze zur DDR am Fluß Wakenitz bei Lübeck, wird durch Autobahnneubau (A 20) zerstört (Frankfurter Rundschau, 31.08.1999, taz, 7.08.1999). Bei Hamburg wird das Mühlenberger Loch, ein einzigartiges Süßwasserwatt zerstört, weil dort die DASA den neuen Airbus A3XX bauen will (taz, 13.08.1999). In Nordrhein-Westfalen werden neben dem Ausbau von Ahaus und Gronau durch Garzweiler II riesige Flächen zerstört (taz, 13.08.1999).
Weder bei der Bonner Konferenz vom November 1999, einer Folgekonferenz des vorletzten Weltklimagipfels, noch beim diesjährigen Weltklimagipfel in Den Haag, gab es konkrete Ergebnisse. Die Entwicklungsländer zeigten sich enttäuscht. Dem Klimaschutz droht "inmitten von Auto- und Flugzeugabgasen" der "Erstickungstod", kritisierten Greenpeace und VCD. Ohne Veränderung der Politik würden "im Jahr 2020 rund 241 Millionen Tonnen CO2 durch den Transport freigesetzt werden, gut ein Viertel mehr als 1995" (Frankfurter Rundschau, 10.11.1998). Dabei war das lauthals verkündete Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2005 den CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 25 Prozent zu vermindern. Optimistische Schätzungen gehen dahin, daß die CO2- Reduzierung durch die Öko-Steuer innerhalb von 5 Jahren etwa zwei Prozent ausmachen wird. Wenn offiziell höhere Prozentzahlen für die prognostizierte CO2- Reduzierung genannt werden, sind stillschweigend 14 Prozent Minderung aus der Zeit zwischen 1995 und 1998 eingerechnet, die auf die "wallfall profits", die Umstellung von Kohle auf Gas und den Zusammenbruch von DDR-Altindustrien in den neuen Bundesländern zurückgehen. Auch die Ökosteuer stellt sich als Flop heraus. Denn zumindest bisher läßt sich trotz Benzinpreiserhöhungen um rund 50 Pfennige, wovon die Ökosteuer gerade mal 14 Pfennige verursacht hat, kein Rückgang des Benzinverbrauchs belegen. Er stagniert seit Jahren bei monatlich rund 2,5 Mio. Tonnen, wobei die Schwankungsbreite bei rund 200.000 Tonnen liegt.
Der sogenannte Atomausstieg wurde von den Anti-AKW- Initiativen als Lüge bezeichnet. Die Atomindustrie hat dieser Regierung nicht ein einziges Alibi-AKW zugebilligt, das noch in dieser Legislaturperiode vom Netz gehen würde. Stattdessen bekam sie die Zusicherung, die bestehenden 19 AKW nicht wie ursprünglich vorgesehen 25 Jahre, sondern durchschnittlich gerechnet rund 34 Jahre betreiben zu dürfen, ohne wie bisher durch steigende Sicherheitsauflagen zu Nachrüstungen gezwungen werden zu können. Diese Bestandsgarantie wird von der Bundesregierung als Erfolg verkauft und es wird von einem "unumkehrbaren Ausstieg" fabuliert, obwohl gleichzeitig Forschungsgelder an Siemens-Framatom für die Entwicklung einer neuen Euroreaktorlinie fließen und eine Vervierfachung der Kapazität der Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau genehmigt wurde. Zum bisher angefallenen radioaktiven Müll soll nochmals mehr als dieselbe Menge hinzukommen.
Im Juni 1999 mußte Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt und Reaktorsicherheit, auf Geheiß des Kanzlers in der EU-Umweltministerkonferenz seine Zustimmung zur EU-Altauto-Verordnung zurückziehen. Kurz zuvor hatte dies der VW-Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piêch gefordert. Der dänische Umweltminister Svend Auken "nannte die deutsche Haltung schändlich. Er habe noch nie erlebt, daß ein multinationaler Konzern wie Volkswagen solchen Druck auf eine Regierung ausüben könne." (Frankfurter Rundschau, 26.06.1999) Die Elektronikschrott-Verordnung endete ebenfalls nach medial verstärkten Protesten der Wirtschaft in der Schublade. Die Sommer-Smog-Verordnung landete bereits im März 1999 im Papierkorb. Bundeskanzler Schröder bezeichnete die Vorlage "als für die Wirtschaft schädlich" (Frankfurter Rundschau, 12.03.1999). Seitdem gibt es weder eine Sommer-Smog-Verordnung noch ein Tempolimit. Stattdessen werden die Bundes-Ausgaben für den Straßenbau um 100 Millionen auf 8,7 Milliarden Mark erhöht, die ohnehin erheblich über denen für den Aus- und Neubau der Schienenwege liegen. Tatsächlich liegen die gesamten Staatsausgaben für den Straßenbau bei 33 Milliarden Mark, während der Autoverkehr jährlich Kosten von 160 Milliarden Mark verursacht wie eine aktuelle Studie des Schweizer Infras-Instituts und der Universität Karlsruhe belegt. Würden diese Kosten, die die gesamte Gesellschaft zu tragen hat, auf den Spritpreis umgerechnet, müßte der Liter Normalbenzin 4,05 Mark kosten. "Es gibt keine Verkehrswende", verkündete Ulrich Schüller, der im Bundesverkehrsministerium die Grundsatzabteilung leitet. Es soll "in der Verkehrspolitik so weitergehen wie in den 16 Jahren unionsgeführter Regentschaft." (Die Zeit, 8.04.1999)
135 Unterzeichnerstaaten einigten sich in Montreal auf ein "Protokoll über biologische Sicherheit", das den Handel mit gentechnisch veränderten Organismen regeln soll. Was Ministerin Andrea Fischer als "historischen Moment" und "großen Schritt" bezeichnete, nannte Die Zeit einen "faulen Kompromiß" (Die Zeit, 3.02.2000).
Die rot-grüne Bundesregierung hatte versprochen, die "umweltschädliche Billigentsorgung von Giftmüll unter Tage zu unterbinden" (Der Spiegel, 33/1999). Aber Bundesumwelt- minister Trittin läßt ebenso wie unter der Kohl-Regierung hochgiftigen Müll aus Verbrennungsanlagen in Bergwerken vergraben. 1999 erhielt die Deutsche Steinkohle AG "die Erlaubnis, im Schacht Altendorf-Ulfkotte, einem Steinkohlebergwerk in Nordrhein.Westfalen, 110.000 Tonnen Giftmüll abzulagern (taz, 28.12.1999). Weil sein Ministerium den gefährlichen Stoff außerdem flugs in Wertstoff umdefinierte, können Bergwerke in Deutschland nun auch Giftmüll aus dem Ausland aufnehmen. In regulären Sondermülldeponien wäre die Müll-"Entsorgung" zehnmal teurer.
Unsoziales
Pharmaindustrie und Medizintechnikfirmen könne mit Gesundheitsministerin Andrea Fischer zufrieden sein. Sie hat zu keinem Zeitpunkt die weltweit vergleichsweise extrem hohen Arzneimittelpreise in Frage gestellt, geschweige denn die Machtstellung und Marktaufteilung der Konzerne. Die Krankenkassen lösen sich als "Solidargemeinschaft der Versicherten" selbst auf und buhlen um die Gunst des wohlhabenden Bürgertums, werben mit esoterischen Therapien, deren Wirksamkeit niemals nachgewiesen wurde (Ausnahme: Akupunktur) und verstärken gleichzeitig den Druck auf kranke Erwerbslose, Schwerkranke, Alte und Arme. Viele alte Menschen vegetieren in Pflege- und Altenheimen mangelernährt, unversorgt, mit wunder haut und faulenden Gliedmaßen vor sich hin, weil Kosten für qualifiziertes Personal und für medizinische Hilfsmittel gespart werden. Das sozialstaatliche Gesundheitswesen wird Stück für Stück zerschlagen.
Auch die Überwachung der PartientInnen schreitet schneller voran als unter der CDU/FDP-Regierung. Der frühere Bundesgesundheitsminister Seehofer konnte die digitale Aufbereitung von Diagnose- und Patientendaten nicht durchsetzen. Im August 1999 beschloß Ministerin Fischer, den ICD-10, den computerlesbaren Diagnoseschlüssel, einzuführen. Mit ihm wird der "gläserne Patient" möglich. Die beamteten DatenschützerInnen erfuhren von der Einführung aus dem Bundesanzeiger.
Die Zahl der Erwerbslosen stagniert bei knapp vier Millionen, wobei nach jeder saisonalen Schwankung der Rückgang der Arbeitslosigkeit angekündigt wird. Doch diese Zahl ist statistischen Tricks zu verdanken und die tatsächliche Zahl der Erwerbslosen dürfte bei 8 Millionen liegen. Die Absenkung der Lohnnebenkosten wird als Allheilmittel verkauft, ohne daß in den letzten zwei Jahren tatsächliche Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt zu verzeichnen waren. Bei einem Nachlassen der Konjunktur wird die Erwerbslosigkeit weiter ansteigen.
Die Renten sind seit 1977 real, d.h. gemessen an der Kaufkraft, bereits um etwa ein Drittel gesunken. Auch hier werden die von der vorangegangenen Regierung gesteckten Ziele zur Entsolidarisierung der Gesellschaft weiterverfolgt. Privatisierung ist das Schlagwort. "Wie wenig sich das jetzt vorliegende Rentenkonzept in Wahrheit von den Plänen der Vorgängerregierung unterscheidet, zeigt eine interne Analyse des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger. Danach müssen Arbeitgeber und Beschäftigte bis zum Jahr 2030 fast auf die Kommastelle genau dasselbe Rentenniveau finanzieren, das sich schon nach den Vorschlägen des früheren CDU-Arbeitsministers Norbert Blüm ergeben hätte." (Spiegel, 22.12.2000)
Die Vermögenssteuer wollten die Grünen nicht wieder einführen, "obwohl dieses Vorhaben im Programm festgelegt ist", staunte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (1.10.1998). Auch deutsche Konzerne stöhnen unter der Steuerlast. Professor Jacobs von der Universität Mannheim hat die Gewinne und die gezahlten Steuern der 30 größten deutschen Konzerne über einen Zeitraum von fünf Jahren untersucht: Einige Unternehmen bewegen sich auf eine Nullsteuer zu. So lag die Allianz AG drei Jahre lang bei null Prozent. Bei Siemens und BMW ist es nicht viel anders. Es gibt auch Steuerkünstler wie Continental oder die Lufthansa: Sie bekamen mehr Steuern rückerstattet als sie zahlten. Der Elektro- und Atom-Konzern Siemens zahlte im Geschäftsjahr 1993 / 1994 nur noch 100 Millionen Mark. Im gleichen Jahr strich Siemens 190 Millionen Mark an staatlichen Forschungszuschüssen ein (Der Spiegel 12/1996).
Das im Grundgesetz in Artikel 16 verankerte Asylrecht, das aus der eigenen Erfahrung der verfassungsgebenden Versammlung mit Flucht und Vertreibung stammte, und 1993 praktisch abgeschafft worden war, wurde nicht wieder hergestellt. Minister Schily führt die menschenfeindliche Politik seines Vorgängers Kanther unverändert weiter. Auch das Staatsbürgerschaftsrecht zielt nur darauf ab, Menschen, die für die deutsche Industrie von Interesse sind, hierzubehalten. Diktatorische Regime wie der Iran, die Türkei oder China werden aus wirtschaftspolitischen Gründen hofiert.
Krieg
Mit dem Argumentationsmittel der "humanitären Katastrophe", dem Mißbrauch von Auschwitz als Schlagwort, massiven Propagandafälschungen, einseitiger Darstellung von serbischer Seite verübter Verbrechen und der Unterschlagung von Verbrechen der kosovarischen UCK wurde Deutschland in der ersten Kriegseinsatz nach dem Zweiten Weltkrieg getrieben. Bereits am 16. Oktober 1998 faßte der alte Bundestag mit Zustimmung der neu gewählten Abgeordneten einen Beschluß auf Vorrat, sich an eventuellen Luftangriffen gegen Jugoslawien zu beteiligen. Nur neun von 48 Grünen stimmten dagegen. Der Krieg, der am 24. März 1999 begann und bis zum 10. Juni dauerte, war gut vorbereitet. Wie der International Harald Tribune aufdeckte, wurde der Beschluß einer deutschen Beteiligung am Kosovo-Krieg bereits am 9. Oktober 1998 beim Antrittsbesuch von Gerhard Schröder und Joschka Fischer beim US-amerikanischen Präsidenten Clinton getroffen. Die Verhandlungen von Rambouillet dienten, wie durch die spätere Veröffentlichung des geheimen Annex B des Vertrages bekannt wurde, allein dazu, einen Vorwand zu schaffen. Die Unterzeichnung des Vertrages und seines geheimen Zusatzes hätte Jugoslawien gezwungen, zu dulden, daß NATO-Truppen ganz Jugoslawien hätten besetzen dürfen, von Jugoslawien hätten versorgt werden müssen und zudem nicht der der jugoslawischen Gerichtsbarkeit unterstanden hätten. Jedem Diplomaten ist klar, daß kein souveräner Staat einen solchen Vertrag unterschreiben würde.
Wer dennoch meint, eine friedliebende Bundesregierung sei unfreiwillig in einen Krieg hineingeschliddert, kann sich die offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik über die deutsche Ausfuhr an Kriegswaffen ansehen:
1996 1.006 Millionen Mark
1997 1.384 Millionen Mark
1998 1.338 Millionen Mark
1999 2.844 Millionen Mark
Dies ist von 1998 auf 1999 eine Steigerung um mehr als das Doppelte. Bereits 1999 waren für dieses Jahr Exporte in Höhe von 5,92 Milliarden von der rot-grünen Bundesregierung genehmigt worden - nochmals eine Steigerung um mehr als das Doppelte. Die Türkei wird dabei mit 1,9 Milliarden Hauptabnehmer sein.
Im Jahr 2000 stellt die Bundesregierung 0,0175 Milliarden DM für Programme der zivilen Konfliktbearbeitung, dagegen für die Bundeswehr und Rüstungsprogramme 59,6 Milliarden DM zur Verfügung. Das ist 3405 mal soviel wie für den möglichen zivilen Umgang mit Konflikten.
Für die kommenden Jahre plant das Verteidigungsministerium Beschaffungsmaßnahmen, die ausschließlich kommenden Kriegseinsätzen dienen werden, wie zum Beispiel:
243 Transporthelikopter 11,5 Milliarden DM *
80 Kampfhelikopter 7,0 Milliarden DM *
685 Cruise Missile Taurus 4,2 Milliarden DM *
180 Eurofighter 41,0 Milliarden DM *
75 strateg. Transportflugzeuge A400M 20,0 Milliarden DM *
* Sytemlieferant EADS (Daimler-Chrysler im Verbund mit anderen europäischen Partnern)
Klaus Schramm