9.03.2007

Bio-Lebensmittel
- gebremst und bekämpft

Der Gesamtumsatz der mit dem "EU-Bio"-Siegel zertifizierten Lebensmittel lag im vergangenen Jahr in Deutschland bei rund vier Milliarden Euro. Während der konventionelle Lebensmittelsektor stagniert, sind hier Zuwachsraten von jährlich über 10 Prozent zu verzeichnen. In vielen Medien ist von einem "Bio-Boom" die Rede. Bio-Lebensmittel kommen so häufig vor, daß der Eindruck entstehen könnte, es handele sich um einen gesamtgesellschaftlichen Trend oder gar eine Wende...

Doch der Marktanteil ökologisch erzeugter Lebensmittel liegt in Deutschland immer noch unter vier Prozent. Das ist nach wie vor ein Nischen-Dasein. Und vom Zuwachs profitieren weit überwiegend Discounter oder Bio-Supermärkte, während immer mehr Bioläden mit qualifiziertem Personal schließen müssen.

Zweifellos ist das Interesse an gesunder Ernährung in Deutschland gewachsen. Beigetragen haben hierzu die regelmäßigen Veröffentlichungen von Greenpeace über alarmierend hohe Pestizid-Belastungen bei Obst und Gemüse und - unfreiwillig - die Gammelfleisch-Skandale, die Acrylamid-Skandale und nahezu monatliche Meldungen über Gesundheitsgefahren durch konventionelle Nahrungsmittel. Bio-Lebensmittel sind dagegen weitgehend schadstoff-frei. Der Einsatz von Gentechnik ist verboten und es gelten strenge Anforderungen an Dünge- und Futtermittel.

2001 führte die damaligen Agrar- und Verbraucherschutzministerin Renate Künast das sechseckige "EU-Bio"-Siegel mit der Aufschrift "Bio nach EG-Öko-Verordnung" ein. Es basiert auf der 1991 erlassenen EU-Öko-Verordnung, die Mindestanforderungen an Bio-Lebensmittel aufstellte. Tatsächlich war mit der Einführung des Künast-Siegels eine Verwässerung der bis dahin weitverbreiteten Bioland- und Demeter-Standards verbunden. Beispielsweise ist es nur unter dem Künast-Siegel erlaubt, daß landwirtschaftliche Betriebe zugleich ökologisch und konventionell wirtschaften.

Eine Chance zur Weiterentwicklung hätte nun in der anstehenden Neufassung der EU-Öko-Verordnung gelegen - doch der Entwurf, der im März 2007 verabschiedet und 2009 in Kraft treten soll, stellt eine weitere Verwässerung durch die EU-Kommission dar. So dürfen in Zukunft nach den Plänen aus Brüssel sogar genmanipulierte Bestandteile bis zu 0,9 Prozent in Bio-Produkten enthalten sein. Auch chemische Düngemittel sollen dann beim Anbau von Bio-Lebensmitteln verwendet werden dürfen.

Die großen Bio-Verbände scheinen diese Entwicklung zu verschlafen. Protest ist bislang lediglich von der VerbraucherInnen-Organisation 'foodwatch' zu hören. Eine Entwicklung wie sie von der EU-Bürokratie, die aufs engste mit Agro-Konzernen wie Bayer, Syngenta oder Monsanto zusammenarbeitet, geplant ist, könnte sich als fatal für die gesamte Bio-Branche erweisen. Glaubwürdigkeit und nachprüfbare Qualität sind Voraussetzungen für einen dauerhaften Erfolg - gerade bei Bio-Lebensmitteln.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Beiträge zum Thema

      Das Sterben der kleinen Bioläden
      Die Geschichte von Tante Emma und den Supermärkten
      wiederholt sich (30.09.05)

      Müsli ist in
      (26.05.05)

      Öko-Landwirtschaft
      in Deutschland ausgebremst (25.02.05)

      Auch bei Öko-Essen und Öko-Strom:
      Nur Lippenbekenntnisse (25.01.04)

      Bio-Landbau wächst
      (24.11.03)

 

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