22.11.2007

Skandal erschüttert Bio-Branche

Krebserreger in Bitterschokolade von 'Rapunzel'
Haben Verantwortliche trotz Vorabinformation Rückruf-Aktion verzögert?

Bitterschokolade von 25 Herstellern wurde von der Stiftung Warentest analysiert. Heute, Donnerstag, liegen die Ergebnisse mit der Dezember-Ausgabe des 'test'-Magazins öffentlich vor. Doch in der Regel sendet die Stiftung den Herstellern die Ergebnisse mehrere Wochen zuvor als Vorabinformation.

Die Edelmarken, ob in Bio-Qualität oder konventionell, ob Rapunzel, Côte d'Or oder Hachez, enttäuschten die TesterInnen. Doch über Geschmacksfehler hinaus schockiert das Ergebnis der Bio-Schokolade 'Bio Negro' des bayerischen Herstellers 'Rapunzel': Die LebensmittelchemikerInnen der Stiftung Warentest fanden polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe - darunter Benzo(a)pyren, ein äußerst gefährlicher krebserregender Stoff. In einem Kilogramm 'Bio Negro' Edelbitterschokolade von Rapunzel stecken 10 Mikrogramm Benzo(a)pyren.

Stiftung Warentest schreibt hierzu: "Die Schokolade hätte nicht verkauft werden dürfen. (...) Fast schon tragisch, daß der Stoff nun ausgerechnet in einer Bio-Schokolade landet. Hier haben die Kontrollen bei Rapunzel versagt."

Doch ein kleiner Skandal im großen darf dabei nicht übersehen werden: Schon seit Jahren ist bekannt, daß Bitterschokolade nicht selten mit Cadmium belastet ist. Und ebenso wie im Falle Acryamid1, interessierte sich weder eine "rot-grüne" noch eine "schwarz-rote" Bundesregierung für die Gesundheit der KonsumentInnen. Bis heute gibt es keinen gesetzlich festgelegten Grenzwert für das giftige Cadmium in der Schokolade - nur eine Empfehlung. Schokolade sollte demnach pro Kilogramm nicht mehr als 0,3 Milligramm Cadmium enthalten. Eine der getesteten Sorten - Tobago Edelbitter von Rausch - liegt deutlich darüber. Sie enthält 0,45 Milligramm Cadmium pro Kilogramm. Doch durchweg alle untersuchten Schokoladen enthielten das Schwermetall Cadmium.

Und besonders bitter für die Naturkost-Branche: Die Billig-Anbieter wie Aldi oder Lidl schnitten mit ihren Eigenmarken gut ab. Ausgerechnet Lidl hat mit 'Fairglobe' eine Bitterschokolade im Angebot, die der Discounter zudem als "fair gehandelt" bewerben darf.

KundInnen in Bioläden und im Naturkostfachhandel dürfen bei Produkten mit deutlich höheren Preisen nicht nur eine umweltschondende Herstellung, sondern auch gesundheitlich unbedenkliche Ware erwarten. Schwermetalle oder gar krebserregende Stoffe haben in Bioprodukten nichts zu suchen. Ein solcher Skandal wie jetzt mit 'Rio Negro' von Rapunzel kann das Vertrauen in die Naturkost-Branche anhaltend beeinträchtigen. Und kaum eine Branche lebt so sehr vom Vertrauen ihrer Kundschaft.

Doch nun kommt noch ein Verdacht hinzu, der nicht mehr allein mit Leichtfertigkeit bei der Produkt-Kontrolle zu erklären wäre. Laut 'BioHandel', dem Fachmagazin der Naturkostbranche, bekam Rapunzel bereits vor mehreren Wochen die Testergebnisse von der Stiftung zugesandt. Erst heute informierte Rapunzel den Einzelhandel und empfahl einen Verkauf-Stopp. Auf Nachfrage von 'BioHandel' habe Rapunzel erklärt, es werde derzeit intern recherchiert, warum das Schreiben über mehrere Wochen hin "nicht beachtet" wurde.

Schon in den vergangenen Jahren war absehbar, daß sich mit zunehmender Größe der Firmen, die sich mehr und mehr auf dem Naturkost-Markt breit machen, das Risiko wächst. Wie auf dem Markt für konventionelle Lebensmittel bestimmt mittlerweile in hohem Maße der Profit die Geschäftspolitik. Bei einer solchen Entwicklung darf nicht verwundern, wenn in der Bio-Branche bald ein Skandal dem anderen in derselben Häufigkeit folgt wie wir es von der konventionellen Lebensmittel-Branche längst gewöhnt sind.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel:

      Krebsgift Acrylamid seit fünf Jahren in Kartoffelchips
      TV-Konsum und Narkose (16.08.07)

      Kein Schutz vor Acrylamid in Kartoffelchips
      Verlorene Zeit wegen der Politik von "Rot-Grün" (7.08.07)

      Neues "EU-Bio-Siegel" für Mogelpackungen
      Einführung der Gen-Landwirtschaft soll erleichtert werden (13.06.07)

      Bio-Lebensmittel
      - gebremst und bekämpft (9.03.07)

      Das Sterben der kleinen Bioläden
      Die Geschichte von Tante Emma und
      den Supermärkten wiederholt sich (30.09.05)

 

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