25.04.2007

Staatliches Hacken
privater Computer
bereits seit 2005

Im Vergleich zu Schily ist Schäuble ein Waisenknabe

Wer schon mal etwas von Echelon1 gehört hat und dennoch meinte, sensible politische Daten auf seinem privaten Computer sicher aufbewahren zu können, wird bereits während der letzten zehn Jahre entsprechende Vorkehrungen zum Schutz dieser Daten ergriffen haben. Und wer nicht nur den CIA, sondern auch deutsche Schlapphüte in ihrer Wißbegier richtig einzuschätzen wußte, wird sich auch nicht wundern, daß Otto Schily das Hacken privater Computer deckte. Allerdings soll es einige Naive gegeben haben, die solches dem Innenminister einer "rot-grünen" Regierung, der doch schließlich einmal "RAF-Verteidiger" gewesen sei, nicht zugetraut hätten...

Nun ist es heraus: Eine Dienstanweisung Otto Schilys erlaubte den heimlichen Zugriff. Die "Grünen" tun empört. Ein Vertreter der Bundeskanzleramtes räumte ein, daß eine Dienstanweisung Online-Durchsuchungen als nachrichtendienstliches Mittel legitimiert habe. Dies erfuhr heute der Innenausschuß des Bundestags. KoalitionsvertreterInnen reagierten mit heftigen, gegenseitigen Schuldzuweisungen.

Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand hackten also zumindest seit 2005 auch der deutsche Geheimdienst BND - vermutlich auch MAD und "Verfassungsschutz"- private Computer und Festplatten. Der besondere Witz bei der Sache ist, daß die jetzige "schwarz-rote" Bundesregierung dies wußte und daß zugleich der jetzige Innenminister Wolfgang Schäuble den Eindruck zu erwecken suchte, für diese Art der Bespitzelung benötige er dringend einer Rechtsgrundlage. Schließlich hatte der Bundesgerichtshof im Januar entschieden, daß derzeit keine Rechtsgrundlage für solche Maßnahmen besteht. Wie schon bei der Legalisierung eines Abschusses von Passagierflugzeugen zeigt sich hier einmal mehr, daß Schäuble im Vergleich zu Schily ein Waisenknabe ist.2

Doch auch Schäuble scherte sich wenig um das Urteil des Bundesgerichtshofes. Denn noch vor wenigen Wochen ließ er auf eine parlamentarische Anfrage antworten, daß für die Geheimdienste eine ausreichende rechtliche Grundlage für das Hacken von privaten Computern bestehe. Die Dienstanweisung Schilys wurde darin selbstverständlich nicht erwähnt.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sieht in Online-Durchsuchungen der Geheimdienste einen Verstoß gegen die Grundgesetz-Artikel 10 und 13, also das Telekommunikationsgeheimnis und die Unverletzlichkeit der Wohnung. Schaar erhob bereits in seinem kürzlich Tätigkeitsbericht schwere Vorwürfe gegen staatliche Stellen, daß diese die Bürgerrechte zu sehr der Sicherheit untergeordnet würden. Die Bundesregierung will Details zu den bisherigen Online-Durchsuchungen nur im Parlamentarischen Kontrollgremium erläutern. In dieses Gremium haben nur fein säuberlich ausgewählte VertreterInnen der Fraktionen Zutritt.

Dieter Wüfelspütz, der "rote Rechtsexperte", der im Einklang mit Schäuble das Spiel "Zwei Drehungen nach rechts, eine nach links" beherrscht, äußerte nun gegenüber 'spiegel-online': "Wir haben in keinem Bereich, weder im polizeilichen noch im nachrichtendienstlichen noch im präventiven, ausreichende Rechtsgrundlagen für Online-Durchsuchungen." Er gehe davon aus, daß die Geheimdienste eben wegen des BGH-Urteils derzeit gar keine Online-Durchsuchungen durchführten. Von Schilys Dienstanweisung habe er erst "seit einigen Monaten" gewußt. Zugleich versuchte Wüfelspütz zu beschwichtigen: Seines Wissens sei die fragliche Online-Durchsuchung erst "ein- oder zweimal" vorgekommen. Zugleich kolportiert 'telepolis' Gerüchte, wonach von Regierungsseite beklagt worden sein, daß mit dem Hacken schon so viele Daten gesammelt wurden, daß die Geheimdienste ob der Flut überfordert waren.

Beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe steht zurzeit eine Entscheidung über ein Gesetz der nordrhein-westfälischen Landesregierung aus, das dem dortigen Landesamt für "Verfassungsschutz" eine Online-Durchsuchung von Computern ausdrücklich erlaubt. Etliche InnenpolitikerInnen scheinen der Ansicht zu sein, daß das Urteil zunächst abgewartet werden müsse, bevor an ein Gesetzentwurf auf Bundesebene zu denken sei. Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, forderte von der Bundesregierung, die Haushaltsmittel für die Programmierung von Software für Online-Durchsuchung - sogenannte Trojaner - und für die eigentliche Durchführung unverzüglich sperren. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard Baum (FDP) hat Verfassungsbeschwerde gegen das NRW-Verfassungsschutzgesetz eingereicht.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel:

      "Grüner" Bundestagsabgeordneter für Daten-FKK? (6.11.03)

      Echelon und die deutsche Wirtschaft (5.03.01)

      Echelon - Existenz des Abhörsystems
      erstmals von einer Regierung bestätigt (21.01.01)

2 Siehe auch unsere Artikel:

      Totalüberwachung der Konten (21.11.04)

      Mabuse und Mielke im Jenseits blaß vor Neid
      Neues "rot-grünes" Telekommunikationsgesetz (26.01.04)

      "Rot-Grün" im Überwachungswahn (8.05.03)

      Stasi-Mielkes Auferstehung (22.02.01)

 

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