29.03.2009

Zehntausende protestieren
gegen den G-20-Gipfel

Motto von unfreiwilliger Komik

Zehntausende haben am gestrigen Samstag in Paris, London, Berlin und Frankfurt gegen den G-20-Gipfel und die von Banken und Konzernen georderten Milliarden-Ausschüttungen aus den Staatshaushalten demonstriert. Die Kundgebungen sollten als Auftakt zur einer Woche der Proteste gegen den Gipfel der 20 - sich selbst als "führend" bezeichnenden - Regierungsoberhäupter aus Industrie- und Schwellenländer am 2. April in London zu verstehen sein. Unter dem Motto "Wir zahlen nicht für eure Krise", das von unfreiwilliger Komik zeugte, demonstrierten in Berlin rund 20.000 Menschen (VeranstalterInnen: 30.000 / Polizei: 15.000), in Frankfurt rund 15.000 (VeranstalterInnen: 25.000 / Polizei: 14.000) und in Wien weniger als 10.000. Diese äußerst bescheidene Beteiligung ist vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise ein deutliches Zeichen für eine mangelnde Mobilisierungsfähigkeit von Linkspartei und Gewerkschaften.

Jedem halbwegs kritischen Menschen dürfte klar sein, daß die von den Regierungen zur Verfügung gestellten Milliarden-Pakete von den unteren zwei Dritteln der Gesellschaft aufgebracht werden müssen, solange diese Regierungen nicht - gewaltfrei oder gewaltsam - gestürzt werden. Die wenig verdeckte resignative Grundstimmung der meisten TeilnehmerInnen der Demos kam daher treffend mit der Parole eines Transparents zum Ausdruck: "Die Milliarden, die jetzt verbraten, zahl'n unsere Kinder noch in Raten" (gesehen in Frankfurt).

Lächerlich zudem und kaum erwähnenswert, wenn es nicht für die Tendenz der InitiatorInnen bezeichnend wäre, ist deren zentrale Forderung "an die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, bei ihrem Gipfel am kommenden Donnerstag einen demokratischen und transparenten Plan zur wirtschaftlichen Erholung" vorzulegen.

Eine Perspektive, wie sich die zur Zahlung Verurteilten gegen die bestehenden Machtverhältnisse zur Wehr setzen könnten, war weder in Redebeiträgen noch auf Transpartenten erkennbar. Statt dessen wurde eine lächerliche "Zukunftsausgabe" der Wochenzeitung 'Die Zeit' verteilt, in der 'attac'-nahe Polit-KommödiantInnen ihre Rezepte verbreiteten, mit denen der Kapitalismus reformiert werden könne. Doch nicht einmal diese Inhalte lassen sich mehr mit Hilfe der Mainstream-Medien transportieren (wie es noch zu Zeiten des Gipfel-Protests in Seattle Dank kreativer Protestformen möglich war), sondern allenfalls werden im Zusammenhang mit der "Berichterstattung" über die Demos Menschen interviewt, die sich in ihrer Not für eine Forderung nach dem Erhalt von Opel einspannen lassen.

In diesem Zusammenhang ist denn leider auch kaum mißverständlich, an wessen Adresse die Forderung "Put People First" ("Setzt die Menschen an erste Stelle"), die als Motto der Demo in London verbreitet wurde, gerichtet ist. Streng genommen blieb dabei offen, ob es sich um eine Forderung, eine Bitte oder gar ein Gebet handelte. Immerhin folgten in London zwischen 15.000 und 35.000 Menschen dem Aufruf.

In Wien erklärte zwar Alexandra Strickner von 'attac Österreich': "Die Menschen setzen heute ein Signal für eine alternative Form des Wirtschaftens." Da diese Forderung jedoch merkwürdig nebulös bleibt und anhand der 'Zeit'-Fälschung (die von deren Herausgeber denn auch gutmütig geduldet wurde) als reformistisch bezeichnet werden muß, wird erkennbar, daß 'attac' das Attibut "antikapitalistisch", das ihm von den Mainstream-Medien gerne und oft verliehen wird, nicht verdient.

In Genf schlossen sich - obwohl der G-8-Gipfel-Protest von Evian 2003 in unmittelbarer Nähe stattgefunden hatte1 - nur wenige hundert Menschen einer Anti-G20-Demonstration an. Weitere Aktionen soll es auch in Spanien und Norwegen gegeben haben.

Nachdem sich die VeranstalterInnen in Berlin zunächst gegen die Teilnahme eines "scharzen Blocks" ausgesprochen hatten, reihten sich dennoch - laut 'indymedia' - 7000 Menschen in den "schwarzen Block" bei der Demo ein. Es zeugt allerdings eher von schwarzem Humor, wenn sich sämtliche Grüppchen wie 'Interventionistische Linke', 'FelS', 'Avanti', ALB, ARAB, TOP, 'Redical M', KPD/ML, MLPD, SAV, DKP oder KAZ in Blocks formieren, so daß der "Verfassungsschutz" anhand der Filmaufnahmen deren Mitgliederzahl leicht ermitteln kann. Rituell lieferten sich Einzelne aus dem "schwarzen Block" oder woher auch immer die unvermeidlichen Rangeleien mit der Polizei.

In Frankfurt versuchte sich einmal mehr Oskar Lafontaine in der Vordergrund zu drängen. Er forderte in einem Redebeitrag, Steuergeld zur Stützung von Unternehmen müsse in Belegschaftsbeteiligungen umgewandelt werden. Für diesen genialen Einfall zur Beseitigung des Kapitalismus wurde er von einigen "Radikalen", die offensichtlich auf das Stichwort gewartet hatten, mit Eiern bedacht. Die baden-württembergische ver.di-Chefin Leni Breymaier sagte, diejenigen sollten die Krise zahlen, die sich "maß- und schamlos bereichert" hätten. Auch dies war offensichtlich als Rat an Bundeskanzlerin Merkel gerichtet, die denn auch prompt via TV davor warnte, solch Ungeduldige dürften nicht "zu hohe Erwartungen" an den G-20-Gipfel haben. Und in Chile appellierte US-Vizepräsident Joe Biden an die DemonstrantInnen in London und in Deutschland, den Regierungen eine Chance zur Bewältigung der Krise zu geben.

Weiter gab Breymeier die Weisheit preis, nicht Steuergelder für Banken und Versicherungen sondern Löhne und Renten, von denen man leben könne, sowie sicher Arbeitsplätze seien "systemrelevant". Die hinter Merkel & Co. stehenden Mächtigen werden sich ob solcher systemerhaltender Vorschläge sicherlich köstlich amüsieren.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu:

      G-8-Protest in Evian:
      Zwiespältiger Eindruck (3.06.03)

Siehe auch unsere Artikel:

      G8-Gipfel in Heiligendamm
      Zwei Sorten Gewalttäter,
      zwei Sorten Unpolitische
      und eine strahlende zweifache Blenderin (8.06.07)

      Bush-Besuch:
      Telefon hät's auch getan (23.02.05)

 

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