17.04.2009

Analyse und Kritik

30 Jahre 'taz'?
Kein Grund zu gratulieren!

Wie tot die 'taz' längst ist, läßt sich allein schon an den netten Jubiläums-Adressen anderer Mainstream-Medien ablesen, die dieser Tage durchweg nur freundliche Worte über den Bettvorlegen mit den abgeschliffenen Krallen verbreiten. Als die 'taz' noch gefährlich war - lang, lang ist's her - wurde sie von dieser Seite mit Häme überzogen oder schlichtweg ignoriert. Sie ist inzwischen ebenso unlebendig wie alle anderen deutschen Mainstream-Medien und versucht krampfhaft, dies mit unpolitischem Krawall zu übertönen, der stilistisch an ihre Anfänge erinnern soll.

Warum lohnt es sich dennoch, über dieser Blatt zu dessen 30. "Geburtstag" Kritisches anzumerken? Uns erscheint dies notwendig, da die 'taz' nach wie vor von ihrem "links-alternativen" Image zehrt, von allzu Vielen immer noch als Gegengewicht zu den Mainstream-Medien wahrgenommen wird und weil sie deshalb eine nicht zu unterschätzende Desinformations- und Propaganda-Quelle darstellt.

Randy Kaufman, seit 1983 Archivar bei der 'taz', betrachtet das Blatt inzwischen als ganz gewöhnliche Zeitung, die ein fester Bestandteil der deutschen Presselandschaft geworden sei: "Man ist älter geworden, hat Kinder bekommen, und die taz ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Viele Themen, die die taz am Anfang in die Öffentlichkeit gebracht hat, sind mittlerweile Mainstream geworden."

Ist Antimilitarismus heute Mainstream?

Im Gegensatz zu vielerlei Legenden, die heute verbreitet werden, war die 'taz' in ihren Anfangsjahren keineswegs ein grünes Blatt - eher Sprachrohr der gewaltbereiten Sponti-Szene. Nicht selten fanden sich in den 80er Jahren in Artikeln der 'taz' dümmliche und herablassende Sprüche gegen den Pazifismus der Grünen. Als antimilitaristisch kann die 'taz' jener Jahre allerdings gelten. So war die Forderung nach Abschaffung der NATO unbestritten ein "Essential", zu dem sich Grüne ebenso wie 'taz'-SchreiberInnen und überwiegend auch deren Publikum ohne Einschränkung bekannten. Der Pazifismus der Grünen wurde erst in den 90er Jahren in der pseudo-grünen Nachfolgerpartei "Bündnis 90 / Die Grünen" zur beliebigen Leerfloskel ausgehöhlt.

Ähnlich vielen "Realos" in den Grünen, die aus Sponti- und K-Grüppchen stammten und sich nie ernsthaft mit den Grundlagen eines politischen Pazifismus auseinander setzten, war auch der Weg vieler 'taz'-JournalistInnen von anfänglich antimilitaristischen Bewegungs-AktivistInnen zu PropagandistInnen des Kriegs nicht allzu weit.

Jungen LeserInnen der 'taz' ist heute kaum mehr bekannt, welch entscheidende Rolle die 'taz' in den 90er Jahren spielte, als es darum ging, die deutsche Linke und insbesondere die WählerInnen der pseudogrünen Partei auf Kriegs-Kurs zu bringen. Die einseitig gegen die serbische Seite ausgerichtete Darstellung der Konflikte bei der Zerteilung Jugoslawiens bis hin zur Verbreitung von Propaganda-Lügen ist bis heute in Deutschland ein Tabu, das von der 'taz' wohl nie selbstkritisch aufgearbeitet werden wird. So brachte die 'taz' im Gleichschritt mit vielen anderen Mainstream-Medien weltweit das mittlerweile als Fake entlarvte "Bosnien-Bild" auf der Titelseite:

Das unter manipulativen Bedingungen entstandene Foto, auf dem die ausgemergelte Gestalt eines Bosniers hinter Stacheldraht zu sehen ist, diente dazu, Assoziationen zu deutschen KZs zu wecken und die serbische Seite in die Nähe von Nazis zu rücken.1

In den 90er Jahren wandelten sich die "Grünen" unter massivem Flankenschutz der 'taz' und der Führerschaft des späteren Außenministers Joseph Fischer von einer pazifistischen zur Kriegs-Partei. Als Anlaß, den jahrelang vorbereitenen Schwenk zu vollziehen, benutzte Fischer das angebliche Massaker von Srebrenica, dessen Umstände bis heute nicht eindeutig geklärt sind: "Läuft die deutsche Linke jetzt nicht massiv Gefahr, ihre moralische Seele zu verlieren, wenn sie sich, egal mit welchen Ausflüchten, vor diesem neuen Faschismus und seiner Politik der Gewalt wegduckt?", stellte Fischer seine ausgeklügelte rhetorische Frage in der 'taz' vom 2. August 1995.

Unter dem Motto "Kein zweites Auschwitz" organisierte Fischer die für den Kosovo-Krieg dringend benötigte Zustimmung im Lager der linken und grünen WählerInnen. Warum der erste Kriegseinsatz Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg ausgerechnet unter einer "rot-grünen" Regierung stattfinden mußte, erklärte recht ungeniert der frühere Chef der Aufsichtsräte von DaimlerChrysler und Deutscher Bank, Hilmar Kopper, im 'Hamburger Abendblatt' im November 1999:
"Wenn Sie mich vor anderthalb Jahren gefragt hätten, ob ich mir eine aktive Beteiligung der Bundesregierung auf dem Balkan unter rot-grüner Beteiligung vorstellen könnte, dann hätte ich Sie für nicht recht gescheit gehalten. Genauso aber kam es. Und es konnte nur von der rot-grünen Regierung kommen, sonst hätten wir in diesem Land eine Revolution gehabt. Ähnliches gilt wohl auch für die Veränderung des Sozialstaates. Wahrscheinlich müssen die heiligen Kühe von denen geschlachtet werden, die an ihrer Aufzucht am aktivsten beteiligt waren."

Nachdem im Verlauf des am 24. März 1999 begonnenen Kosovo-Kriegs die Zustimmung zur deutschen Beteiligung an den "Luftschlägen" deutlich nachgelassen hatte, agierte die 'taz' nach dem Beginn des Afghanistan-Kriegs Ende 2001 deutlich vorsichtiger. Nach einer Analyse des Medienwissenschaftlers Adrian Pohr2 war in der Anfangszeit des Afghanistan-Kriegs das Verhältnis von kritischen und unterstützenden Aussagen in der 'taz' in etwa ausgeglichen. 57 Prozent der Artikel repräsentierten Meinungen, die den Krieg als gerechtfertigt einstuften. Pohr stellte darüber hinaus fest, daß die 'taz' viel eher Kritik am 'Wie' der Kriegsführung übte als die grundsätzliche Notwendigkeit des Krieges und seine Begründung in Frage zu stellen. Die Kommentare zum 'Wie' des Krieges enthielten zu 47 Prozent kritische, zu 53 Prozent unterstützende Stellungnahmen. Für kritische Artikel zum Afghanistan-Krieg sorgte der 'taz'-Journalist Andreas Zumach, der so die Rolle des friedenspolitischen Feigenblatts übernahm. Bei anderen Tageszeitungen signalisierten laut Pohr zwischen 61 ('Frankfurter Rundschau') und 81 Prozent ('Welt') aller Aussagen Unterstützung für den Afghanistan-Krieg.

Eine besonders üble Rolle spielte die 'taz' im Januar 2003 bei einem Versuch, die friedenspolitisch stark engagierte Schriftstellerin Arundhati Roy zu diffamieren. So wurde aufgrund einer Falschübersetzung der Eindruck erweckt, Roy habe in einer Rede vor dem Sozialforum in Mumbay (Bombay) zu einem "Krieg gegen die USA" aufgerufen. In ihrer Ausgabe vom 19. Januar 2003 berichtete die 'taz' in ihrem Aufmacher "Irak-Widerstand spaltet Kritiker" auf Seite 1 sowie in einem ganzseitigen Beitrag über die "Kriegserklärung der Kämpferin": "Auf dem Sozialforum in Bombay fordert die Autorin Arundhati Roy den Krieg der Globalisierungskritiker gegen das Establishment". Selbst führende Mitglieder der deutschen Friedensbewegung fielen darauf herein, distanzierten sich öffentlich von Arundhati Roy und erhoben ihre Stimmen im Chor der Hetzer von dpa bis 'taz' - um sich kurze Zeit darauf verschämt mit dem Hinweis auf die Berichterstattung "seriöser" Tageszeitungen herauszureden und ihre Reaktion als "übereilt" herunterzuspielen. Was geschehen wäre, wenn der "Übersetzungsfehler" nicht aufgedeckt worden wäre, kann sich jedeR selbst ausmalen.

Nachdem die 'taz' mit "viel Bauchschmerzen" zur Propagierung der Kriege in Jugoslawien und Afghanistan beigetragen hatte, schien sie 2003 plötzlich eine Kehrtwende zu vollziehen. Nun verherrlichte sie unkritisch die vordergründige Weigerung der "rot-grünen" Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, am Krieg im Irak teilzunehmen. Mittlerweile ist hinlänglich bekannt, auf welch mannigfaltige Weise Deutschland dennoch diesen Krieg unterstützte. Doch in der 'taz' war hierüber kaum etwas zu erfahren. Am 29. März 2003 wurde Schröder in der 'taz' gar als Begründer einer "Friedensbewegung" dargestellt, die nun aber "nicht gegen, sondern im Einklang mit deutschen Interessen" stehe.

Doch schon 2005 zeigte die 'taz' wieder, wie perfekt sie als Kriegstreiberin agieren kann. Im Zusammenhang mit dem über Jahre hin - ohne irgendwelche Beweise - propagierten "Völkermord" in der sudanesischen Region Darfur, hieß es in der 'taz' am 8. Januar 2005 in kolonialistischer Tradition: "Wir wollen in Khartum einmarschieren." Inzwischen hat sogar der nicht gerade für seine richterliche Unabhängigkeit von den USA berühmte Internationale Strafgerichtshof in Den Haag eingestehen müssen, daß es keine Beweise für einen Völkermord im Darfur gibt.

taz-Titelseite v. 13.03.06 Und daß die JournalistInnen der 'taz' keineswegs bereits sind, sich selbstkritisch mit ihrer Rolle bei der propagandistischen Vorbereitung des Kosovo-Kriegs auseinanderzusetzen, bewiesen sie am 13. März 2006. Auch wer, wie wir, keineswegs den jugoslawisch-serbischen Machthaber Slobodan Milošević in der Zeit vor 1999 als Unschuldslämmchen stilisieren wollte, sondern den Platz zwischen den Stühlen - zwischen der Dämonisierung der Serben und deren Stilisierung zu Opfern - als ehrlichen Standort vorzug, wird angesichts des Zynismus, dessen Tod während der Haft in Den Haag mit der Schlagzeile "Schlächter Abgang" zu feiern, nur Ekel empfinden.3

Ein über die vergangenen 25 Jahre hin konstanter Zug im Vorgehen des 'taz'Journalismus besteht darin, der links-alternativen Szene gewissenrmaßen über den Schreibtisch hinweg die Hand zu reichen und ihr zugleich unter dem Tisch vors Schienbein zu treten. So bescheinigte die 'taz' der mit ihrer Beteiligung an den NATO-Protesten nicht sonderlich erfolgreich agierenden Friedensbewegung am 5. April 2009 in einer Artikel-Überschrift hämisch: "Bewegung am Boden." Mit der im Vergleich zu den vergangenen Jahren überdurchschnittlich guten Beteiligung an den Ostermärschen konnte die Friedensbewegung das Revolverblatt jedoch bereits eine Woche darauf widerlegen. Von einem "unparteiischen" Journalismus wäre wenigstens zu erwarten, eine schwache Beteiligung sachlich zu analysieren.

Ist "Atomkraft - Nein Danke!" heute Mainstream?

2004 meldet die 'taz' im Vorfeld der CASTOR-Proteste - ohne Nennung von Quellen - , daß im Wendland in diesem Jahr mit weniger DemonstrantInnen gerechnet werde. Als besonders witzig erachtete das Blatt offenbar, den Artikel mit der Überschrift zu ergänzen: "Dafür sind mehr Seelsorger vor Ort" (4. November 2004).

Im Mai 2005 tat sich die "links-alternative" 'taz' wieder einmal damit hervor, in ihrem "Bericht" den Widerstand bei den CASTO-Protesten klein zu schreiben: Die Beteiligung sei "eben nicht erwähnenswert". Tatsächlich waren über 10.000 Menschen beteiligt. Zugleich wurde schulmeisterhaft versucht, der Anti-Atom-Bewegung nahe zu legen, sie solle doch endlich den von "Rot-Grün" im Jahr 2000 verkündeten "Atom-Ausstieg" als Erfolg feiern. Da insbesondere im Wendland die "Lüge vom Atom-Ausstieg" von Anfang an als das erkannt wurde, was sie war, zog die 'taz' über die "alljährlichen Castor-Festspiele" her, schrieb die Beteiligung klein und spielte die Blockade-Aktionen herunter: "Ein paar Minuten Castor-Stopp" - Schlagzeile am 7. Juni 2005.

Selbst ihre treueste Leserschaft stieß die 'taz' im Dezember 2006 vor den Kopf, als sie Werbung vom Atomenergie-Konzern EnBW abdruckte. Auf wütende Proteste von LeserInnen reagierte die 'taz' arrogant, indem sie deren Anzeige zensierte. Mit der Werbung "30 Jahre Neckarwestheim - 30 Jahre Klimaschutz" sprangen die Strom-Konzerne RWE, E.on, Vattenfall und EnBW - nach vielen Jahren, in denen das Thema Klimakatastrophe auch für die 'taz' uninteressant gewesen war - auf den fahrenden Zug der Klima-Diskussion auf. Frech behaupteten ihre PropagandistInnen, Atomenergie sei "kohlendioxid-frei".

Für die insgesamt drei mal 1/4-Seiten-Annonce im Dezember kassierte die 'taz' 3.874,50 Euro plus Mehrwertsteuer. In einer später nachgeschobenen Rechtfertigung hieß es: "Die taz als Anzeigenmedium zu verkaufen ist mitunter eine sehr schwierige Aufgabe. So gesehen sind Anzeigen von EnBW (oder auch ExxonMobile) für uns ein großer Erfolg. ... Auf bestimmte Anzeigen zu verzichten oder nur 'kleine' oder 'gute' Anzeigenkunden zu akzeptieren ist auch kein gangbarer Weg. Hätten wir gesagt, EnBW kommt nicht ins Blatt, hätte sich diese Information wie ein Lauffeuer in der Branche verbreitet und keine große relevante Werbeagentur würde die taz auch nur noch mit der Kneifzange anfassen. ... Ich hoffe, Sie finden meine Argumentation nachvollziehbar."

Am 23. Juni 2007 schriebt die 'taz' noch auf der Grundlage der "rot-grünen" Versprechen vom "Atom-Ausstieg": Das AKW Biblis A "muss damit voraussichtlich 2008 vom Netz gehen." Um die Illusionen über den deutschen "Atom-Ausstieg" jedoch nicht zu gefährden, war seitdem nicht mehr die Rede von all den Atomkraftwerken, die laut dem von "Rot-Grün" verkündeten "Fahrplan" längst abgeschaltet sein müßten.4

Immer wieder wurde in den Mainstream-Medien - so auch am 31. August 2008 in der 'taz' - behauptet, daß die Existenz der Atombomben in Deutschland nicht offiziell bestätigt sei. Tatsache ist jedoch, daß der deutsche Kriegsminister Rudolf Scharping am 9. Februar 2001 in der ARD-Sendung 'Bericht aus Berlin' die Existenz von Atombomben in Deutschland zugab.

Ist der Widerstand gegen Gentechnik heute Mainstream?

Wir haben relativ ausführlich versucht, am Beispiel Friedenspolitik und Atomenergie aufzuzeigen, welche "Blattlinie" die 'taz' in den vergangenen 25 Jahren verfolgte. Damit dürfte die mögliche Ausrede vergeblich sein, es habe sich um gelegentliche "Ausrutscher" gehandelt. Auch auf anderen Politikfeldern läßt sich dieselbe Linie der 'taz' analysieren. Beispielhaft sei hier nur der Widerstand gegen Gentechnik herausgegriffen.

Selbst bei vielen GegnerInnen der Gentechnik ist heute längst vergessen, daß die 'taz' im Verein mit der damaligen Landwirtschaftsministerin Renate Künast zur Zeit der "rot-grünen" Koalition (1998 bis 2005) die Öffentlichkeit auf einen unvermeidlichen Siegeszug der Gentechnik einstimmen wollte:

Interview am 17. September 2002:
'taz': "Zurzeit läuft wieder die Debatte, dass die grüne Gentechnik grundsätzlich von Übel ist. Tatsächlich ist sie immer weiter auf dem Vormarsch?"
Künast: "Wir können nicht endlos eine Ja-Nein-Debatte führen, angesichts einer weltweiten Anbaufläche für GMO-Pflanzen von derzeit 50 Millionen Hektar. Der Anbau findet einfach schon statt. Nun kommt es aktuell darauf an, dass die Kennzeichnung kommt. Und zwar mit niedrigen Werten für den erlaubten Prozentsatz an gentechnisch veränderten Bestandteilen wie nur irgend möglich."

Mit dem Placebo der "Kennzeichnung" sollte damals der links-alternativen Anhängerschaft der aus "realpolitischer" Sicht unvermeidliche Siegerzug der Gentechnik schmackhaft gemacht werden. Nur eine Minderheit innerhalb der Bewegung gegen Gentechnik erkannte in diesen Jahren, daß die damit zugleich propagierte "Koexistenz" nichts anderes zur Folge haben würde als eben diesen Siegeszug der Gentechnik und damit letztlich das Ende aller anderen Anbaumethoden, seien diese konventionell mit herkömmlichen chemischen Pestiziden und Düngemitteln oder auch ökologisch.

Seltsamer Weise wird die abgehafterte Pseudo-Grüne Renate Künast auch heute immer noch in links-alternativen Kreisen für Veranstaltungen herumgerecht und als Gentechnik-GegnerIn gehandelt.

Zurück zu den Wurzeln?

Manche Selbstdarstellungs-Versuche der 'taz' waren einfach nur grotesk: So sollte im Dezember 2004 Rudi Dutschke vereinnahmt werden, um die 'taz' als Projekt in der Kontinuität der 68er dazustellen. Die 'taz'-Redaktion beantragte, die Straße, wo sie ihre Räume hat, in "Rudi-Dutschke-Straße" umzubenennen. Bereits am 11. April 1993, dem 25. Jahrestag des Attentats auf Rudi Dutschke, hatte die 'taz' die beiden Gebäude, in denen sie samt 'taz'-Genossenschaft residiert, zum "Rudi-Dutschke-Haus" erklärt - "offiziell".

Als müsse die 'taz' es der Öffentlichkeit zum 30. Jubiläum noch mal extra beweisen, titelte das Blatt zu Ostern ein Bild des gekreuzigten Bayern-Trainers Jürgen Klinsmann. Wie auf Knopfdruck funktionieren die Reflexe: Klinsmann klagte auf Unterlassung, und die Bayern-Verantwortlichen sprachen von der schlimmsten Entgleisung seit Menschengedenken. Bei manchen weckt dies nostaligische Erinnerungen an die Anfangszeit der 'taz', in der vergleichbare Provokationen allerdings noch politischen Biß hatten.

Ein ähnliches, bewußt produziertes Skandälchen ohne jeden politischen Gehalt produzierte die 'taz' bereits 8. Mai 2002. Ein Angriff auf Deutschlands meistverkauftes Toilettenpapier könnte immerhin Anlaß zu politischer Satire bieten. Stattdessen erinnerte die 'taz'-Satire-Seite "die wahrheit" eher an Pennäler-Humor auf dem Niveau Stefan Raabs: BILD-Chefredakteur Kai Diekmann habe sich einer Penisvergrößerung unterziehen wollen. Diekmann reagierte prompt mit der Androhung rechtlicher Schritte und erregte so die gewünschte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.

Vor diesem Hintergrund wäre es naheliegend, die 'taz' als mittlerweile unpolitisch und harmlos abzutun. Dies hieße jedoch, die Gefährlichkeit des Blatts zu verkennen. Mit Hilfe ihres bis heute ungebrochenen Nimbus, im Gegensatz zu anderen Mainstream-Medien ein Sprachrohr der links-alternativen "Szene" zu sein, zehrt sie von einem Glaubwürdigkeits-Bonus - und kann so verheerende Wirkung entfalten. Während tendenziöser Journalsmus bei klar als neoliberal erkennbaren Blättern von der 'Süddeutschen Zeitung' bis zur 'FAZ' immerhin auf Skepsis in der Leserschaft trifft, reagiert nach wie vor ein großer Teil der 'taz'-Leserschaft nach dem Schema: "Wenn sogar die 'taz' diesen Standpunkt vertritt,....."

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu:

      "Es war dieses Bild,
      das die Welt in Alarmbereitschaft versetzte" (28.02.2000)

2 Pohr, Adrian (2005): Indexing im Einsatz. Eine Inhaltsanalyse
      der Kommentare überregionaler Tageszeitungen in Deutschland
      zum Afghanistankrieg 2001.
      In: Medien & Kommunikationswissenschaft 53(2-3)

3 Siehe hierzu::

      Slobodan Milošević ist tot
      Große Verbrecher überleben kleinen Verbrecher (13.03.06)

4 Siehe hierzu::

      AKW Krümmel und AKW Brunsbüttel seit 20 Monaten außer Betrieb
      Was steckt dahinter? (13.02.09)

Siehe auch unsere Artikel:

      10. Jahrestag des Kosovo-Kriegs
      Propaganda von der "humanitären Katastrophe"
      bis heute aufrechterhalten (24.03.09)

      Die Entwicklung der Grünen zur Kriegspartei
      und die Vorbereitung des Kosovo-Kriegs (24.03.09)

 

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