Frühlingserwachen für die Atomenergie?
Am Dienstag sprach der ehemalige deutsche Umweltminister und jetzige
UN-Umweltdirektor Klaus Töpfer auf einem Energiekongress in Köln. Dabei begrüßte
er den ab 2005 geplanten europaweiten Emissionshandel als im Grundprinzip
"absolut richtig". Bereits beim "Energiegipfel" bei Bundeskanzler Schröder am
Freitag vor einer Woche mit den Chefs der deutschen Energiekonzerne drehte sich
alles um das Thema Emissionshandel. Bis März 2004 sollen in Brüssel die
nationalen Zuteilungspläne verhandelt werden. Mit einem solchen Zuteilungsplan
vergibt die Bundesregierung an Betriebe und Anlagen sogenannte Emissionsrechte,
um die hinter den Kulissen bereits ein heftiges Gerangel eingesetzt hat. Denn
bei der Frage, wer wieviel klimaschädigendes Kohlendioxid emittieren darf, geht
es um Marktpositionen und um viel Geld.
Klaus Sturany vom Energiekonzern RWE äußerte auf dem Kölner Energiekongress
bereits Bedenken, daß bei zu hohen Kosten für Emissionsrechte
Braunkohlekraftwerke nicht mehr wettbewerbsfähig seien. Er warnte vor "Exzessen"
bei neuen Zielen zur CO2-Minderung. Doch da könnte ihn das Deutsches Institut
für Wirtschaftsforschung, Berlin, beruhigen. Denn laut Meldungen dieses
Instituts stieg die CO2-Emission in Deutschland entgegen weit verbreitetem
Glauben seit 1999 wieder an1.
Der Handel mit Emissionszertifikaten soll so ablaufen, daß beispielsweise
Kraftwerksbetreiber, die ihre ihnen zugeteilten Verschmutzungsrechte nicht
ausschöpfen, diese an andere Unternehmen verkaufen können. Käufer eines solchen
Zertifikats dürfen dann die entsprechende Menge Kohlendioxid zusätzlich
emittieren. Gezählt wird dabei allerdings nur das CO2, das aktuell freigesetzt
wird. Atomkraftwerke sind jedoch keineswegs - wie immer wieder verbreitet wird -
CO2-neutral. Würde nämlich die CO2-Emission während der Errichtung der Anlagen,
beim Uranabbau, bei der chemischen Umwandlung des Urans für die Verwendung in
Brennstäben und beim Transport auf die Kilowattstunde Atomstrom umgerechnet,
wäre Atomenergie auch auf diesem Gebiet nicht konkurrenzfähig. So hat
beispielsweise die Gemis-Studie des Ökoinstituts Darmstadt aufgezeigt, daß
Atomkraftwerke bei einer umfassenden CO2-Bilanz modernen Gaskraftwerken
unterlegen sind. Auf der Grundlage der vereinbarten Berechnungsmethode jedoch
läßt sich mit Atomkraftwerken im Emissionshandel gut verdienen.
Mit einer weiteren Festsetzung in den Grundlagen des Emissionshandels werden die
Chancen der erneuerbaren Energien zunichte gemacht. Es werden nämlich nur
Anlagen ab einer Größe von 20 MW berücksichtigt und so können Solar-, Biogas-
und Windkraftwerke, sowie kleine Wasserkraftwerke keinen Gewinn im
Emissionshandel erzielen. Atomenergie wird damit einmal mehr heimlich gefördert2.
Und es darf nicht verwundern, wenn deren Propagandisten nach einer Zeit
relativer Zurückhaltung wieder vermehrt das Gerücht vom klimafreundlichen
Atomkraftwerk streuen. Die Förderung eines neuen europäischen Reaktortyps, des
EPR, mit europäischen Forschungsgeldern scheint ihnen recht zu geben.
Klaus Schramm
Anmerkung:
1 Siehe auch unseren Artikel:
Umweltpolitische Geisterfahrer -
"Rot-Grün" mit voller Fahrt in die Klimakatastrophe (9.01.03)
2 Siehe auch unseren Artikel:
EEG: Trittin fördert die Atom-Konzerne
vom 22.08.03 (u.a. zum Thema Blockheizkraftwerke und Wasserkraft)