60 DemonstrantInnen festgenommen
Das in der Stuttgarter Innenstadt erstmals öffentlich inszenierte Gelöbnis der Bundeswehr konnte trotz Einsatzes von 1.500 PolizeibeamtInnen erheblich gestört werden. Um die martialische Zurschaustellung mechanisierter Menschenformationen und aufgewärmter religiöser Rituale durchzusetzen, hatte die baden-württembergische Landesregierung nicht davor zurückgeschreckt, die Stuttgarter Haupteinkaufsstraße am gestrigen Freitag zeitweilig zu sperren.
Rund tausend DemonstrantInnen waren dem Aufruf des Bündnisses 'GelöbNix' unter dem Motto "'Kein Werben fürs Sterben!" gefolgt. Gegen 12 Uhr kam es zu ersten Versuchen der Polizei, die Demonstration von der Domkirche St. Eberhard abzudrängen, wo um 13:15 Uhr ein unchristlicher "Gottesdienst" für Rekruten stattfinden sollte. Die DemonstrantInnen setzten sich friedlich vor den Eingang der Kirche. "Für diesen Ort war keine Kundgebung angemeldet, die Versammlung war deshalb illegal", erklärte der Polizeisprecher Stefan Keilbach, der damit einen eklatanten Mangel an Rechtskenntnis offenbarte. Rund 60 DemonstrantInnen kamen einem Räumungsbefehl nicht nach und wurden festgenommen.
Die Königstraße wurde daraufhin zwischen Schloßplatz und Thouretstraße komplett gesperrt, sodaß die dort ansässigen Geschäfte bis 14:20 Uhr zwangsgeschlossen wuren. Ein Teil der dort verkehrenden Nobel-Kundschaft murrte vernehmlich. Ein Passant merkte dagegen kritisch an: "Das ist eine einzige Verschwendung von Steuergeldern!"
220 Ehrengäste - darunter der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus und Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster - waren zum Bundeswehr-Gelöbnis erschienen und mußten trotz der martialischen Absperrungen die Proteste zur Kenntnis nehmen. Da sich die Staatsmacht gezwungen sah, die Stuttgarter Innenstadt in eine Festung zu verwandeln, konnten die zahlreichen DemonstrantInnen die mit dem öffentlichen Gelöbnis gewünschte Wirkung als Werbeveranstaltung für die Bundeswehr effektiv durchkreuzen.
Für Roland Blach, Versammlungsleiter des Bündnisses 'GelöbNix', waren die Auflagen des Stuttgarter Ordnungsamtes ein Skandal: "Ich mußte sie gleich als Erstes verlesen - vor den begrüßenden Worten - das ist ein Eingriff in die Redefreiheit.". Außerdem mußten die Lautsprecher der kleinen Bühne in Richtung Hauptbahnhof ausgerichtet sein. Und zwischen 15 und 16 Uhr, dem Zeitraum des Bundeswehr-Gelöbnisses, mußte sie abgeschaltet bleiben. Roland Blach sieht es dennoch als Erfolg, daß so viele Menschen sich der öffentlichen Werbung für das staatlich organisierte Morden für den Profit entgegenstellten. Auch im Besucherbereich waren hunderte von DemonstrantInnen präsent, pfiffen dort mit Trillerpfeifen und skandierten "Soldaten sind Mörder!"
Während die 650 Rekruten mit ihren roten Mützen aufmarschierten, machten sich eine Clowns-Army über das Militär lustig: "Taliban, komm raus", riefen drei Clowns in einen Gully. Zugleich machten sich die Militärs selbst lächerlich, indem sie ihre Hände über eine vor ihnen hingehaltenen Fahne ausstreckten und so die Weihe-Geste eines Priesters nachahmten. Manche PolizistInnen zeigten sich übereifrig und einem Demonstranten mit Trillerpfeife wurde eine Anzeige wegen "Körperverletzung" angedroht. Dementsprechend zog Polizeisprecher Keilbach am Ende das Fazit, die Demonstration habe einen "nicht friedlichen, aber den Umständen entsprechend ruhigen Verlauf" gehabt.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
Siehe auch den Aufruf:
"Kein Werben fürs Sterben!"
Aufruf zum GelöbNix in Stuttgart (26.07.10)