11.09.2019

11. September 1973
Ein blutiger Putsch unter Führung der CIA

Victor Jara
Der Regierungspalast in Santiago de Chile, die Moneda, wird bombardiert. Angeleitet vom US-amerikanischen Geheimdienst CIA und mit massiver finanzieller und logistischer Unterstützung putscht das Militär gegen die Regierung der Unidad Popular. Die aus der Sozialistischen und der Kommunistischen Partei gebildete "Volksfront"-Regierung von Dr. Salvador Allende wird blutig gestürzt. Eine Militär-Junta unter General Augusto Pinochet übernimmt die Macht und bereits in den ersten Tagen werden Tausende von Menschen in Lagern wie dem dazu umfunktionierten Chile-Stadion gefangen gehalten und ermordet.

Der sozialistische Präsident Allende kommt im Regierungspalast ums Leben. Mit dem Putsch am 11. September 1973 wurde das erste (und wohl bisher einzige) freie sozialistische Gesellschaftsmodell in Blut ertränkt. Unbestritten ist, daß die Regierung von Präsident Salvador Allende am 24. Oktober 1970 in freien Parlaments-Wahlen an die Macht gekommen war.

Welche Ziele verfolgte die friedliche Revolution in Chile, die sie für USA und UdSSR so gefährlich machte? Heute ist kaum mehr bekannt, welches die Ideen von Salvador Allende waren. Das einzigartige politische und gesellschaftliche Experiment Allendes stellte eine Gegenthese zu Fidel Castros Ideen dar, der 1959 in Kuba die Macht an sich gerissen hatte und jegliche Opposition rigoros unterdrückte.

Die kurzfristigen Ziele der Regierung Allende waren:

  • eine Agrar-Reform, die das Land der Großgrundbesitzer an die besitzlosen Landarbeiter und Kleinbauern verteilte

  • die Unabhängigkeit der chilenischen Wirtschaft von den Industrienationen, insbesondere den USA. Große Unternehmen, vor allem die Kupferminen und andere ausländische Firmen, aber auch inländische Firmen, von denen die Stabilität des Landes abhing, wurden verstaatlicht. Zum Teil wurden die Firmen vom Staat aufgekauft, zum Teil per Gesetz beschlagnahmt. Viele Betriebe wurden enteignet und die Leitung an die Arbeiter übergeben. Das Problem, wie eine gesamte Volkswirtschaft demokratisch gesteuert werden kann, wurde allerdings nicht angegangen.

  • die Wirtschaft sollte entsprechend keynesianischer Theorie durch Nachfragebelebung gestärkt werden. Die Produktion sollte gesteigert werden, da angenommen wurde, infolge monopolistischer Strukturen seien große Kapazitäten ungenutzt geblieben. Tatsächlich hatten auf den Latifundien der Großgrundbesitzer riesige fruchtbare Gebiete brach gelegen oder waren nur für Exportprodukte genutzt worden, während Landarbeiter und Kleinbauern hungern mußten. Zugleich hatte Chile vor dem Regierungsantritt der Unidad Popular für den Verbrauch in den Städten in großem Maß Lebensmittel aus dem Ausland importieren müssen.

  • die Löhne wurden erhöht und die Regierung erhoffte sich davon sowohl eine Steigerung der Nachfrage als auch eine Verbesserung des Lebensstandards des armen Teils der Bevölkerung. Zugleich wurden die Mieten eingefroren, Familienbeiträge erhöht und alle Kinder bekamen täglich einen halben Liter Milch gratis.

  • die Inflation sollte niedrig gehalten werden, indem die Preise für die wichtigsten Güter des täglichen Lebens festgesetzt und streng kontrolliert wurden. Die Regierung Allendes setzte bei der Bekämpfung der Inflation neue Schwerpunkte. Wechselkursen und umlaufender Geldmenge wurde wenig Beachtung geschenkt, während die Steigerung der Produktivität im Mittelpunkt stand.

Wer war Salvador Allende?

Am 26. Juni 1908 wurde Salvador Allende Gossens in Valparaiso, einer mittelgroßen Küstenstadt Chiles geboren. Sein Vater, Salvador Allende Castro, war Rechtsanwalt, seine Mutter hieß Laura Gossens Uribe (Die in Chile übliche Reihenfolge der Nachnamen - erst der des Vaters, dann der der Mutter - entspricht spanischer Tradition). 1910 zog die Familie in den Norden Chiles. Salvador verbrachte seine Kindheit in Tacna, Iquique und Valdivia. 1921 kehrte die Familie nach Valparaiso zurück. In diesen Jahren nahm Allende erstmals bewußt die soziale Ungleichheit in Chile wahr. Er freundete sich mit einem anarchistischen Schuhmacher an, der ihm Bücher lieh. 1922 wird die Kommunistischen Partei Chiles (PC), angeführt von Luis Emilio Recabarren, gegründet. (Salvador Allende ist zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt.)

Salvador Allende begann 1925 das Studium der Medizin an der Universidad de Chile in Santiago. Während des Studiums (bis 1931) beteiligt er sich an Protesten gegen die Diktatur von Oberst Carlos Ibanez del Campo. Er wurde zum stellvertretenden Präsidenten der Föderation chilenischer Studenten (FECH) gewählt. 1929 trat er der Freimaurerloge und der Gruppe "Avance" bei. Im Jahr 1932 führt ein Aufstand von Zivilisten und Militärs, angeführt von Marmaduque Grove, zur Ausrufung einer "Sozialistischen Republik". Nach der Niederschlagung der Bewegung wurde Allende inhaftiert.

1933 wurde die Sozialistische Partei Chiles (PS) gegründet und Allende zum Parteisekretär der Region Valparaiso gewählt. Er arbeite zu jener Zeit als Assistenz-Arzt an einem Krankenhaus. 1935 wurde Allende wegen Opposition gegen die Regierung von Arturo Alessandri in ein Dorf im Norden verbannt. Wie in Spanien und Frankreich wurde auch in Chile 1936 eine Volksfront von Kommunisten und Sozialisten in Gegnerschaft zum Faschismus gegründet. 1937 wurde Allende im Alter von 29 Jahren zum Abgeordneten der PS gewählt; und damit begann seine lange parlamentarische Laufbahn.

Mit der Unterstützung der Volksfront erreichte 1938 Pedro Aguirre Cerda von der Radikalen Partei die Präsidentschaft. Allende wurde Gesundheitsminister. Allende heiratete 1940 Hortensia Bussi.

1943 wurde Allende zum Generalsekretär der PS gewählt und zwei Jahre später, 1945, zum Senator. Er brachte eine Reihe von Gesetzesänderungen im Gesundheits- und Sozialversicherungswesen ein und beteiligt sich an einer antifaschistischen Bewegung, die den Bruch mit der Rom-Tokio-Berlin Achse forderte.

1951-1952
Teile der Sozialisten unterstützten die Kandidatur von General Ibañez. Die PS spaltete sich und eine Fraktion angeführt von Allende schloß sich mit der PC in der Volksfront (Frente del Pueblo) zusammen und stellt ihn als Präsidentschaftskandidaten auf. Allende bekam nur 52.000 Stimmen. In diesem Jahr wurde er allerdings erneut zum Senator gewählt.

1953
PS und PC gründen gemeinsam die CUT.

1954
Allende besuchte zum ersten Mal die UdSSR (also ein Jahr nach Stalins Tod) und das China Mao Tsetungs, das sich ebenfalls als sozialistisch bezeichnete. Er war zu dieser Zeit stellvertretender Senatspräsident.

1957-58
Wiedervereinigung der Sozialistischen Partei und Gründung der FRAP (Frente de Accion Popular - Volksfront), in der sich PS, PC und andere linke Gruppierungen zusammenschlossen. Als Präsidentschaftskandidat der FRAP erhielt er 28 Prozent der Stimmen und mußte sich nur knapp dem konservativen Jorge Alessandri geschlagen geben.

1959
Kurz nach dem Sturz des kubanischen Diktators und US-Statthalters Fulgencio Batista besuchte Allende Kuba, wo er Fidel Castro und Ernesto Che Guevara kennenlernte.

1964
Allende wurde nochmals als Präsidentschaftskandidat aufgestellt und vereinte 39 Prozent der Stimmen auf sich. Aus Angst vor einem Sieg der Linken unterstützte die Rechte die Kandidatur des als progressive geltenden Eduardo Frei, der mit 56 Prozent der Stimmen gewählt wurde.

1966
Wahl Allendes zum Senatspräsidenten

1967
Allende war aktiv an der Gründung der OLAS (lateinamerikanische Solidaritätsorganisation) beteiligt. In Bolivien wurde am 9. Oktober Ernesto Che Guevara erschossen. Auf dem Parteitag in Chillan radikalisierte die PS ihr politisches Programm.

1968
Allende stellte die Überlebenden aus der Guerilla von Ernesto Che Guevara unter seinen persönlichen Schutz. Die Rechte forderte seinen Rücktritt als Senatspräsident und die Aufhebung seiner Immunität. Allende verurteilte den Einmarsch der UdSSR-Armee am 21. August in Prag. (Die UdSSR unterdrückte mit Waffengewalt die Entwicklung eines freien Sozialismus in der Tschechoslowakei - Siehe hierzu unseren Artikel v. 21.08.18)

1969
Die Unidad Popular wurde als Zusammenschluß von Sozialisten, Kommunisten, Radikalen und Sozialdemokraten gegründet und Allende erneut zum Senator gewählt.

1970
Am 4. September erzielte Salvator Allende als Kandidat der UP die relative Mehrheit (36,3 Prozent) bei den Präsidentschaftswahlen.

Nachdem er ein Statut über Verfassungsgarantien - vorgeschlagen von der christdemokratischen Partei DC - unterzeichnet hat, wurde er am 26.10. als gewählter Präsident durch den Kongreß bestätigt. In der Zeit zwischen Wahl und der Ratifizierung wurden mehrere Versuche unternommen, die Machtübernahme der Linken zu verhindern. Ein Mordanschlag auf Allende wurde verübt, und während des durch die CIA angestifteten Versuchs, General René Schneider zu entführen, wurde dieser erschossen. General René Schneider hatte sich gegen die Einflußnahme der US-Regierung gestellt.

Am 4. November wurde Allende zum Präsidenten der Republik erklärt und das Regierungsprogramm der UP in Angriff genommen. Diplomatische Beziehungen zu Kuba und anderen "sozialistischen" Ländern wurden aufgenommen. Im Dezember unterzeichneten UP und CUT ein Abkommen, das "die Beteiligung der Arbeiter" in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens festschrieb. Im wirtschaftlichen Bereich wurde ein Umverteilungsplan ausgearbeitet.

1971
Aufgrund des großen Drucks der Bauern, besonders in Temuco und Cautin wurde die Agrarreform ab Januar, Februar schneller vorangetrieben. Allende verlegte das Agrarministerium in dieses Gebiet. Als Teil der "vierzig Maßnahmen" wurde mit der Verstaatlichung der Banken und Unternehmen sowie der Verteilung eines halben Liters Milchs pro Tag und Kind begonnen.

März
Die ersten Konflikte mit der Judikative traten auf. Eine Unterstützung der Christdemokraten für die Veränderungsmaßnahmen konnte nicht erzielt werden.

April
Bei den Kommunalwahlen erzielte die UP fast 51 Prozent der Stimmen.

Am 21. Mai hielt Allende seine erste Rede vor dem Kongreß: "Der chilenische Weg zum Sozialismus".

Am 8. Juni wurde der christdemokratische Ex-Minister Edmundo Pérez Zújovic von einer Gruppe von Linksextremisten getötet. Obwohl die Regierung eine schnelle Untersuchung einleitete und die Verantwortlichen festnahm, unterbrach die Tat die Annäherungen zwischen UP und DC.

Am 15. Juli stimmte der Kongreß einstimmig der Verstaatlichung der Kupferminen zu.

Oktober
Allende brachte einen Gesetzentwurf über "Wirtschaftskreise und Beteiligung der Arbeiter" ein, der die Schaffung dreier verschiedener Besitzerkreise vorsah: den sozialen, den gemischten und den privaten. Das Parlament stimmte dem Entwurf nicht zu und brachte den "Hamilton-Fuentealba-Entwuf" ein, der später verabschiedet wurde. Die Diskussion über den sozialen Besitzkreis bestimmte ab da die zunehmend unversöhnlichen Differenzen zwischen UP und DC.

November
Fidel Castro traf zum offiziellen Staatsbesuch in Chile ein und blieb einen ganzen Monat. Dabei ließ er kein gutes Haar an Allendes sozialistischen Vorstellungen und propagierte stattdessen den bewaffneten Kampf und damit implizit den Übergang zu einer Diktatur. Er verschärfte damit die Spannungen.

Am 1. Dezember fand die Demonstration der "leeren Töpfe" der rechtsextremen Opposition statt und provozierte gewalttätige Auseinandersetzungen. Später wurde gegen den Innenminister José Tohá eine Anklage wegen Verfassungsbruch erhoben. Es folge einer Reihe von gesetzlichen Machtbeschränkungen der Exekutive durch das Parlament.

1972

Februar
Erste Anzeichen der Wirtschaftskrise. Allende traf sich mit den Vorsitzenden der UP und Technikern der Regierung, um über Veränderungen der Wirtschaftspolitik nachzudenken.

März
Ein nordamerikanischer Journalist bezichtigte den US-Konzern ITT und die CIA der Konspiration gegen die Amtsübernahme Allendes 1970.

Juni
Angesichts der wachsenden Krise und der Arbeitskonflikte gab es eine Versammlung der UP. Der radikalere Flügel der Regierung war für die strikte Umsetzung des Programms, Allende und die KP waren für eine Kompromiß-Linie, die einen Dialog mit der christdemokratischen DC ermöglichen soll.

Juli
Die linksextreme MIR schlug in Concepción die Gründung einer "Volksversammlung" vor, der sich MAPU und PS anschließen. Die PC spracht sich dagegen aus. Allende verurteilte die Spaltungstendenzen innerhalb der UP.

August
In diesem und dem darauffolgenden Monat kam es zu Streiks der Einzelhändler, der Transportunternehmer und Aktionen der rechten Gruppe Patria y Libertad, die mit parlamentarischen Vorstößen gegen die Regierung einhergingen. Allende gab daraufhin bekannt, daß er, wenn nötig, die chilenische Revolution mit Gewalt verteidigen würde.

September
Die UP deckte den Plan "September" auf, der das ganze Land in den Bürgerkrieg treiben soll, und rief zur Gründung von Komitees gegen Faschismus und die Verschwörung auf. Der von Rechten bezahlte Streik der Lastwagenfahrer begann.

Oktober
Attentate und Sabotageakte der Patria y Libertad. Es gab in Allendes Amtszeit insgesamt sechshundert Terroranschläge auf Eisenbahnen, Brücken, Hochspannungsleitungen und Pipelines. Die Regierung rief nun den Notstand aus. Die sogenannten Industriegürtel und Kommunalen Koordinationskomitees wurden gegründet, um die Auswirkungen des Streiks zu lindern und die Regierung zu unterstützen. Viele Fabriken wurden besetzt und in den sozialen Besitzkreis integriert. Eine Schiffsladung Kupfer wurde durch die Gesellschaft Kennekott im französischen Le Havre beschlagnahmt. Aus Solidarität mit Chile, weigerten sich die französischen Hafenarbeiter die Ladung zu löschen. Ein französisches Gericht hob die Beschlagnahmung auf.

November
Durch die Berufung einiger Militärs auf Ministerposten wurde die Krise kurzzeitig behoben. General Prats wurde Innenminister. Die höchsten Vertreter der CUT sind ebenfalls im Kabinett.

Dezember
Allende begab sich auf Reisen (Peru, Mexico, Algerien, UdSSR, Kuba und Venezuela). Er klagte vor der UNO die Aggressionen des internationalen Kapitals gegen Chile an.

1973

Januar
Erneute Kupferbeschlagnahmungen durch die Kennekott in Hamburg.

Am 4. März erzielte die UP 43,4 Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen und beendete somit die Möglichkeit der Amtsenthebung durch die Opposition. Trotzdem gelang es Allende nicht, die Parteien auf eine Linie zu bringen.

Mai
In seiner dritten Rede vor dem Kongreß warnte Allende vor den Gefahren, die die Demokratie und den Frieden bedrohen. Er bat darum, die Spannungen abzubauen, die das Land erschütterten.

Juni
Am 29. Juni erhob sich ein Panzerregiment unter dem Kommando des Oberst Souper, doch der Putschversuch scheiterte.
Die CUT sowie die Industriegürtel standen zur Regierung.
Die Streitkräfte wendeten in Siedlungen, Fabriken und Volksorganisationen das Gesetz über die Waffenkontrolle an, das im Oktober 1972 mit den Stimmen der Opposition verabschiedet worden war. Die Blockade durch das Parlament wurde jedoch immer rigider und machte die Regierung zunehmend arbeitsunfähig. In den USA überreichte Senator Church den Bericht über die destabilisierenden Aktivitäten von ITT und CIA in Chile.

Juli
Mit Vermittlung durch Kardinal Silva Henriquez suchte Allende erneut den Dialog mit der DC, was jedoch scheiterte.
Terroristische Aktionen der Patria y Libertad nahmen zu. Am 27. wurde Arturo Araya, loyaler Marine-Adjudant des Präsidenten, ermordet.

August
Die Lastwagenfahrer nahmen ihren Streik wieder auf.
Am 22. August erklärte die Abgeordnetenkammer den Rechtsstaat für gebrochen und die Regierung für illegitim - eine Art Mißtrauensvotum, das in der chilenischen Verfassung gar nicht vorgesehen war.
Am 23. trat der loyale General Prats als Oberbefehlshaber der Streitkräfte zurück und General Augusto Pinochet übernahm dessen Platz.
Allende ernannte am 28. ein neues Kabinett "der nationalen Rettung", was von den Sozialisten kritisiert wurde.

September
Die Organisation der Arbeitgeber rief zur landesweiten Offensive gegen die Regierung auf.
Am 4. September, dem dritten Jahrestag der UP fanden Demonstrationen im ganzen Land statt. In Santiago bekundeten Hunderttausende ihre Unterstützung für Allende.
Am 9. deckte Altamirano die Putschpläne auf. Allende beorderte am 10. alle Minister zu einem außerordentlichen Treffen. Aufgrund der nicht mehr zu lösenden Krise wollte er zu einem Plebiszit aufrufen, und teilte dies den Militärs mit. Auf deren Bitte verschob er die öffentliche Bekanntmachung auf den 12. September.
In der Nacht vom 10. auf 11. September wurde Allende er über Truppenbewegungen informiert, die von den hohen Militärs abgestritten werden. Die letzten Treffen mit Vorsitzenden, Beratern und Freunden finden in der derselben Nacht in seinem Haus in Tomas Moro statt.
Um 7:40 Uhr des 11. September begibt sich Allende in den Regierungspalast, die Moneda. Zur Mittagszeit beginnt die Bombadierung. Allende bleibt mit seinen Wachen und einigen wenigen vertrauten Mitstreitern und kämpft. In den Arbeiterbezirken warten viele vergeblich auf ein Zeichen zur bewaffneten Verteidigung. Zwar sind Waffenlager vorhanden, doch gibt es keinen Plan zum Widerstand.
Als die ersten Truppen die Moneda stürmen, ergibt sich Allende nicht. Er wird von den Angreifern ermordet oder nimmt sich - nach Darstellung der Rechten - das Leben.

Die Militärjunta übernimmt das Kommando über das Land sowie die parlamentarische und die verfassungsgebende Macht. Vereinzelte Versuche eines bewaffneten Widerstands werden niedergeschlagen. Während der ersten Tage des Militärregimes werden Tausende von Menschen in Gefangenenlager wie das zentrale Chile-Stadion eingesperrt. Mitglieder der linken Parteien stehen im Mittelpunkt der Repression. Rund 2.500 Personen verschwinden spurlos. Nicht selten werden die Leichen Ermordeter aus Flugzeugen über dem Meer abgeworfen. Hinzu kommen die von der Junta zugegebenen zahlreichen Toten aufgrund der Anwendung des internen Kriegszustandes. Im September werden in Buenos Aires General Prats und seine Ehefrau auf Anordnung der DINA unter dem Kommando von Oberst Contreras ermordet.
Im Dezember ernennt sich Pinochet selbst zum Präsidenten der Nation. Rund 150.000 Chilenen fliehen vor der Verfolgung ins Ausland.

Unter den bereits am ersten Tag nach dem Putsch im Chile-Stadion eingesperrten rund 5000 ChilenInnen befand sich auch der damals 41-jährigen Musiker und Theaterregisseur Víctor Jara. Der damalige CDU-Generalsekretär Bruno Heck, erklärte nach einer "solidarischen" Reise nach Chile: "Soweit wir Einblick bekommen haben, bemüht sich die Militärregierung in optimalem Umfang um die Gefangenen. Die Verhafteten, die wir ... sprachen, haben sich nicht beklagt." Über die Lage der im Stadion von Santiago gefangenen und gefolterten ChilenInnen sagte Heck der 'Süddeutschen Zeitung' am 18.10.73: "Das Leben im Stadion ist bei sonnigem Wetter recht angenehm." Laut den 2011 und 2012 angestellten Ermittlungen der chilenischen Justiz wurde Jara am fünften Tag nach dem Putsch, dem 16. September 1973, mit "mindestens 44 Kugeln" erschossen. Die Täter hatten ihm zuvor die Hände gebrochen, um ihm die Fähigkeit zu nehmen, Gitarre zu spielen. Das Stadion, das von der Junta als Gefangenenlager genutzt wurde, trägt heute Jaras Namen.

Die Rolle der USA

Ende der 1990er Jahre veröffentlichte Unterlagen der US-Regierung belegen, daß Agenten des US-Geheimdienstes CIA zwischen 1962 und 1975 in Chile aktiv waren. Bis 1970 versuchte die CIA zunächst, die Wahl Allendes zum Präsidenten zu verhindern. Laut den Dokumenten wies US-Präsident Richard Nixon CIA-Direktor Richard Helms an, alles in seiner Macht Stehende gegen Allende zu unternehmen. Als Allende dennoch Präsident wurde, suchte die CIA seine Regierung insbesondere durch finanzielle Unterstützung seiner Gegner zu destabilisieren. Mitschriften von Gesprächen zwischen Nixon und Regierungsmitgliedern, darunter sein damaliger Sicherheitsberater und späterer US-Außenminister (ab 4.09.1973) Henry Kissinger, belegen ein hohes Interesse an einem Sturz Allendes. 1971 zeigte sich Nixon gegenüber seinem Finanzminister John Connally empört, als Chile US-Unternehmen Entschädigungen nach der Verstaatlichung der Kupferindustrie verweigerte: "Ich habe beschlossen, daß wir Allende von der Bühne holen. (...) Er ist ein Feind (...) Alles ist in Chile erlaubt." Und Kissinger sagte damals: "Ich kann nicht einsehen, weshalb wir einfach daneben stehen sollten, wenn ein Land wegen der Verantwortungslosigkeit seines eigenen Volkes kommunistisch wird." Später stritt er jede Beteiligung der USA am Putsch des 11. September 1973 ab.

Die Rolle der UdSSR

Einige hundert chilenische Linke konnten in den Tagen des Putsches in ausländische Botschaften flüchten - so etwa die spätere chilenische KP-Vorsitzende Galdys Marín in die niederländische Botschaft. Sie stand auf der Todesliste Pinochets unter den ersten Hundert. Doch weder die Botschaft der D"D"R noch die Botschaft der UdSSR nahmen am 11. September 1973 und den darauffolgenden Tagen Flüchtlinge auf. Solidarität mit dem ungeliebten demokratisch-sozialistischen Experiment Allendes hatte kein Gewicht gegenüber dem Interesse am chilenischen Kupfer. Erst eine Welle der internationalen Solidarität führte zu einem Kurswechsel des Ostblocks. Dies ist ein eindeutiger Beweis gegen die These, die diktatorisch geführten Staaten des Ostblocks seien "sozialistisch" gewesen.

Die Erfahrung, die flüchtende Linke in Chile im September 1973 vor den Toren der D"D"R-Botschaft und der UdSSR-Botschaft machen mußten, wurde durch die Aussage des damaligen Mitarbeiters in der D"D"R-Botschaft in der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile, Johnny Norden, Anfang der 2000er-Jahre bestätigt. Norden nahm am 25. September 1973 in der D"D"R - also 14 Tage nach dem Putsch - an der entscheidenden Sitzung des Politbüros teil. In der für Leben oder Tod Vieler entscheidenden ersten Zeit nach dem Putsch bestand in der Führung der D"D"R laut Norden "keine klare Haltung" zum Regime Pinochets. Im Politbüro der SED wurde von einigen Mitgliedern "wirtschaftlichen Aspekten", so Norden, absolute Priorität eingeräumt. Das Interesse bestand darin, weiter Kupfer zu günstigen Preisen wie unter der Allende-Regierung zu beziehen. Gegen die Aufnahme von Emigranten wurden "Bedenken geäußert".

Am 18. September 1973 hatte das Politbüro der SED auf der ersten turnusmäßigen Sitzung nach dem Putsch Pinochets keine Hilfsmaßnahmen beschlossen. Zwar sollte die Solidaritätsbewegung mit dem chilenischen Volk agitatorisch genutzt werden, chilenische Flüchtlinge sollten jedoch weiter am Zugang zur Botschaft der D"D"R in Chile gehindert werden. So ließ der D"D"R-Botschafter Dr. Friedel Trappen in diesen Tagen alle Versuche von Verfolgten, in der D"D"R-Botschaft Asyl zu suchen, abweisen. Stattdessen sondierte er die Vorstellungen der Militärjunta um den Mörder Pinochet über die Perspektive der Beziehungen zur D"D"R. Auch die UdSSR wollte sich in der ersten Zeit nach dem Putsch außenpolitisch nicht festlegen. Erst am 21. September gaben die D"D"R und die UdSSR gleichzeitig die Unterbrechung der diplomatischen Beziehungen zum Militärregime in Chile bekannt. Und die bürokratische Nomenklatura der D"D"R ließ sich Zeit bis zu ihrer turnusmäßigen Sitzung am 25. September, um Beschlüsse zur Unterstützung der chilenischen Linken zu fassen. Erst ab diesem Zeitpunkt ließ die D"D"R-Botschaft Verfolgte der Junta ein.

Weder dem Ehemann noch den beiden Söhnen Galdys Maríns gelang im September 1973 die Flucht aus Chile. Ihr Mann wurde zusammen mit führenden VertreterInnen der KP Chiles von der Junta gefangen genommen und vermutlich ermordet. Seine letzten Spuren führen in die berüchtigte Deutschensiedlung 'Colonia Dignidad', rund 400 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago de Chile.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkung

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