25.03.2009

Hausdurchsuchung
bei Inhaber der Domain
wikileaks.de

Aktionismus gegen Kinderpornographie
als Vorwand für politische Zensur

Gestern (Dienstag) abend fand eine Hausdurchsuchung beim Inhaber der Domain wikileaks.de statt, die offenbar im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von "schwarzen Listen" steht. Die Polizei gab laut einer Dokumentation auf wikileaks.de als Begründung an, es gehe um ein Verfahren wegen der Verbreitung pornographischer Schriften und um das Auffinden von Beweismaterial.

Auf den Internet-Seiten von wikileaks.de - einem gemeinnützig organisierten Whistleblowing-Portal - waren "schwarze Listen" aus Australien, Thailand, Dänemark und anderen Ländern dokumentiert worden, die dazu dienen sollen, Internet-Seiten mit kinderpornographischen Inhalten zu sperren. In Deutschland wird von "Bundesfamilienministerin" Ursula von der Leyen versucht, auf ähnlichemn Wege eine politische Zensur des Internet durchzusetzen.1 Die Dukumentation sollte aufzeigen, daß ein großer Teil der auf jenen "schwarzen Listen" verzeichneten links keineswegs zu Internet-Seiten mit kinderpornographischen Inhalten führen.

"Diese Sperrlisten sind sinnlos", erklärte denn auch Daniel Schmitt, der deutsche Sprecher von wikileaks.de. 85 Prozent der Adressen führten laut einer Analyse von wikileaks.de auf nicht-pornographische Webseiten, nur fünf bis sieben Prozent tatsächlich zu Kinderpornos im Netz. Die meisten Kinderporno-Seiten seien auf Servern in Deutschland und den USA gespeichert. Gegen diese Internet-Seiten kann also - ohne jeglichen medienwirksamen Aktionismus - allein mit den geltenden Gesetzen strafrechtlich vorgegangen werden. Dies würde jedoch ein ernsthaftes Interesse am Schutz der Kinder voraussetzen und nicht ein Interesse, ganz andere politische Ziele unter kinderfreundlichen Vorwand zu verfolgen. Daniel Schmitt meint daher: "Man sollte endlich gegen diese Server in Deutschland vorgehen."

Tatsächlich wissen die einschlägigen Täter und die dahinter stehenden mächtigen mafiösen Strukturen längst, wie die in Ländern wie Australien installierten Filter funktionieren. Das Millionen-Geschäft mit dem Mißbrauch von Kindern sei "ein professionelles, organisiertes Verbrechen", die Täter hätten viel technisches Fachwissen und seien gut gegen Verfolger gerüstet, erklärt Schmitt.

Weit überwiegend kommen die "Kunden" für Kinderpornographie an die entsprechenden Bilder und Video-Filme, indem sie sich gegenseitig per Mobiltelefon Zugangsdaten und Paßwörter zusenden und direkte, geschützte Verbindungen von PC zu PC ("peer to peer") nutzen. Fotos und Videos werden sofort kopiert und wandern so von einem Rechner zum nächsten. Hier also greifen die geplanten und die bereits installierten Sperrfilter in keinster Weise.

Seit einigen Jahren dient wikileaks.de als Plattform zur Veröffentlichung geheimer Dokumente. InformantInnen können hier anonym Material einstellen, das sie veröffentlichenswert halten (Der im angelsächsischen übliche Terminus ist hierfür "whistleblower"). Bekannt wurde die Seite, als das Schweizer Bankhaus Julius Baer vor einem Jahr mit einer Klage in Kalifonien gegen wikileaks.de vorging und für mehrere Tage lahm legte. Seither wurden auf dem Portal mehrere aufsehenerregende Dokumente veröffentlicht - von den Plänen für das geheime Anti-Piraterie-Abkommen ACTA bis zu den Internet-Filterlisten mehrerer Staaten. Allerdings wurden hier auch Dokumente von eher zweifelhafter Qualität veröffentlicht - so finden sich auf der Webseite auch höchstwahrscheinlich gefälschte Dokumente zum Gesundheitszustand von Steve Jobs. Wikileaks.de ist eine der Domains, unter der die Dokumente veröffentlicht werden. Der Domain-Inhaber tritt nach eigenen Angaben lediglich als Sponsor der Domain für wikileaks.de auf und sei ansonsten nicht operativ in das Projekt involviert

Insbesondere die Veröffentlichung der australischen "schwarzen Liste" hatte für Aufsehen gesorgt. Die Kritik an der Zuverlässigkeit solcher Sperrlisten erhielt damit zusätzliches Argumentationsmaterial. GegnerInnen der in Deutschland vor allem von Ministerin von der Leyen propagierten Sperrung kinderpornographischer Internet-Seiten sehen sich darin bestätigt, daß eine solche Liste auch legale Angebote treffen kann. Allerdings enthielt die dokumentierte Sperrliste auch links zu tatsächlichen kinderpornographischen Angeboten. Dies ist möglicherweise nach deutschen Recht bereits strafbar und könnte als Begründung für ein Verfahren gegen den deutschen Inhaber der Domain wikileaks.de dienen.

Für die Zukunft ist bei der Veröffentlichung von "schwarzen Listen" anzuraten, daß die entsprechend inkriminierten links bis auf einige Anfangsbuchstaben unkenntlich gemacht werden. Damit ist der Zweck der Dokumentation ausreichend erfüllt, strafrechtliche Maßnahmen können so einigermaßen sicher ausgeschlossen werden und zudem wird potentiellen Interessenten kinderpornographischer Internet-Seiten kein unfreiwilliger Dienst erwiesen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unseren Artikel:

      Aktionismus gegen Kinderpornographie
      zielt auf Zensur des Internets
      Im Visier ist das letzte Kommunikationsfeld
      für freie linke Nachrichten (1.02.09)

Siehe auch unsere Artikel:

      Kinderarmut in Deutschland
      Verwirrspiel mit statistischen Zahlen (22.06.08)

      Kinderarmut in Deutschland mittelmäßig?
      Stärkere Umweltbelastung von Kindern der Unterschicht (27.05.08)

      Krebsstation Deutschland (31.03.2008)

      Jugendalkoholismus,
      Existenzangst und Klimakatastrophe (26.10.07)

      2,7 Millionen Kinder in Deutschland
      mit ALG II nicht ausreichend versorgt (13.08.07)

      Skandal: Hormon-Chemie in Baby-Nahrung und Kinder-T-Shirts
      (30.07.2007)

      Kinderarmut, Kinderbetreuungsplätze
      und die Unternehmenssteuerreform (4.06.07)

      UN-Studie: Deutschland Spitze in Kinderfeindlichkeit
      Stärkster Anstieg bei Kinderarmut (2.03.05)

      Chemie im Blut von Kindern (30.10.04)

      Nach wie vor werden in Deutschland
      Kinderrechte mit Füßen getreten (16.01.04)

 

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