Westen droht mit Intervention, obwohl
Regierung in Khartum mit UN kooperiert
Am heutigen Montag soll in der sudanesischen Hauptstadt
                         Khartum die zwischen Sudans Außenminister Mustafa Osman
                         Ismail und dem UN-Sondergesandten Jan Pronk getroffene
                         Grundsatzvereinbarung über "konkrete Schritte" bei der
                         Befriedung der Krisenprovinz Darfur unterzeichnet werden.
                         Tags zuvor trafen in Kairo die Außenminister der Arabischen
                         Liga zu einer Sondersitzung zusammen, um insbesondere eine
                         Verlängerung der vom UN-Sicherheitsrat der sudanesischen
                         Regierung gestellten 30-Tage-Frist zur Entwaffnung der
                         verschiedenen Rebellengruppen in Darfur zu erreichen. Zudem
                         einigten sich die sudanesische Regierung und zwei
                         Darfur-Rebellenorganisationen auf Friedensgespräche. Wie es
                         in einer Erklärung am Sitz der Afrikanischen Union in Addis
                         Abeba hieß, soll das Treffen am 23. August in der
                         nigerianischen Hauptstadt Abuja stattfinden.
Derweil reißen die Berichte über Vertreibungen und
                         Greueltaten durch die arabischen Reitermilizen, die
                         sogenannten Dschandschawid, nicht ab: So warf eine
                         Sonderberichterstatterin der UNO der Regierung in Khartum
                         jüngst erneut vor, diese zu unterstützen. Dabei wird die
                         westliche Öffentlichkeit systematisch darüber getäuscht, daß
                         die Verbrechen in der Region mindestens im selben Umfang auf
                         die Darfur-Rebellenorganisationen Sudan Liberation Army (SLA)
                         und Justice and Equality Movement (JEM) zurückgehen. Wie
                         der arabische Nachrichtensender Al Dschasira in der
                         vergangenen Woche berichtete, haben Kämpfer von SLA und
                         JEM 28 Angehörige eines Stammes in Darfur getötet und sich
                         für diese Bluttat als Dschandschawid verkleidet. "Sie ritten auf
                         Kamelen und Pferden und zogen sich wie die arabischen Reiter
                         an", sagte Provinzgouverneur Abd Allah Massar. "Sie haben
                         schon in den letzten Wochen Angriffe gestartet, aber jetzt
                         machen sie das täglich." 
Ohne Zweifel werden in Darfur Dörfer überfallen, Frauen
                         vergewaltigt, Menschen ermordet. Demagogisch ist es aber,
                         dies als "Völkermord" oder "ethnische Säuberung" zu
                         bezeichnen. "Dieselben Stämme sind vertreten sowohl unter
                         denjenigen, die andere vertreiben, als auch unter denjenigen,
                         die vertrieben werden", meint Jan Egeland, Generalsekretär
                         des Menschenrechtsbüros der UN. Schon die Größenordnung
                         der humanitären Krise in Darfur ist unklar. So ging etwa die
                         französische Nachrichtenagentur AFP noch am 15. Juli von 
10.000 ums Leben gekommenen Personen aus, während Reuters
                         gleichzeitig schon von 30.000 sprach. Zu Recht kritisiert die
                         Neue Zürcher Zeitung Ende Juli, daß diese Berechnungen
                         "ohne nähere Angaben" und "ohne nähere Erklärungen in die
                         Welt gesetzt" wurden - nur um dann diese ungeprüften
                         Werte aufgrund windiger Hochrechnungen zu multiplizieren
                         und bei 100.000 Opfern anzukommen. 
Wie einseitige Schuldzuweisungen zustande kommen, zeigt
                         etwa der aktuelle Bericht von Amnesty International über
                         Massenvergewaltigungen in Darfur. Daß darin nur die
                         Greueltaten der Dschandschawid vorkommen, wird ganz
                         salopp erklärt: "Es gibt Berichte über Mißbrauch und Folter,
                         einschließlich Vergewaltigung, durch Mitglieder der SLA und der
                         JEM, aber wegen Zugangsbeschränkungen zu dem Gebiet ...
                         war es schwierig, mehr Beweise über die berichteten
                         Menschenrechtsverletzungen zu sammeln, die angeblich von
                         den Aufständischen begangen wurden." Und weil das so
                         schwierig war, ging Amnesty den einfachen Weg und befragte
                         nur die Opfer der Dschandschawid. 
Unbestritten ist die Tatsache, daß der Ausbruch der Kämpfe in
                         Darfur nicht auf die Regierung und die Dschandschawid
                         zurückgeht, sondern auf die Rebellen. SLA und JEM begannen
                         im März 2003 einen Aufstand, und zwar "just zu dem
                         Zeitpunkt, als die Friedensverhandlungen zwischen Khartum
                         und dem Süden ins Stocken geraten waren". Durch die
                         Eröffnung dieser zweiten Front wollten die mit der SLA
                         kooperierenden Südrebellen die Regierung "zu schnellen
                         Konzessionen ... bewegen", konnte man der Frankfurter
                         Allgemeinen Zeitung am 28. Mai entnehmen. 
Interessant ist auch, daß die JEM von Khalil Ibrahim geführt
                         wird, der lange Zeit Mitglied in der islamistischen Partei von
                         Hassan al-Turabi war. Dieser wiederum war bis 1995 der
                         sudanische Gastgeber und Statthalter von Osama bin Laden.
                         Staatschef Omar al-Bashir hatte Turabi 1999 entmachtet und
                         damit den Fundamentalismus im Land zurückgedrängt. Anstatt
                         ihn dafür zu belohnen, unterstützt der Westen nun die
                         JEM-Rebellen des Bin-Laden-Freundes Turabi. Darüber kann
                         sich nur wundern, wer immer noch glaubt, daß George W. Bush
                         und der saudische Millionär Todfeinde seien. 
Übrigens: "Im Sudan ist sehr viel Geld zu verdienen", titelte
die FAZ am 27. Juli. Die Darfur-Rebellen fordern "dreizehn
Prozent der künftigen Öleinnahmen".
 
Jürgen Elsässer
 
Anmerkung (NR):
Siehe auch unsere Artikel
     Neue Runde im Propagandakrieg
gegen den Sudan (24.07.04)
und
     Das "humanitäre" Interesse am Sudan (4.06.04)
3 Siehe auch unseren Artikel
     US-Besatzung bleibt im Irak (29.06.04)