Artikel von Sören Schmeling aus dem |
enn die Schleusen geöffnet werden und jeder am Strom mit seinem eigenen Kraftwerk Geld verdienen kann, dann kommt es zur Euphorie, geradewegs zum Goldrausch, und viele versuchen mit allen Mitteln, ihren Teil am Strom für pures Gold auszugeben. Yello-Strom, um hier nur ein Beispiel aufzugreifen, wird einen Teil seines Stroms beim größten europäischen Strom- produzenten1), der Electricité de France (EDF) einkaufen. Einem hochsubventionierten Monopolunternehmen, das nach eigenen Angaben eine Überkapazität von 30 bis 40 Milliarden Kilowattstunden hat und dessen Strom zu 80 Prozent in Atomkraftwerken produziert wird.1) Der gelbe Goldwäscher bezieht nun bei den Franzosen etwa 10 Prozent Wasserstrom und 60 bis 70 Prozent Atomstrom, der in längst abgeschriebenen alten 'Goldwaschschüsseln' wie Fessenheim und Cattenom produziert wird. Doch noch kreativere Haken werden da geschlagen; wollen nicht tatsächlich die Energie Baden-Württemberg (EnBW) und die EDF ihr 'atomares Katzengold' als echtes ausgeben und unter die Leute bringen. Der Coup mit der Stromwäsche gestaltet sich folgendermaßen: EnBW oder EDF verkaufen Atomstrom nach Norwegen und die EnBW-Tochter Yello bekommt dann "sauberen" Wasserkraftstrom von dort. Das ganze Geschäft findet natürlich nur auf dem Papier statt, da es gar keine Hin- und Rückleitung gibt.2) Weit abenteuerlichere Formen nimmt der Goldrausch beim osteuropäischen Strom an. Dort sind die Schüsseln, in denen das 'dreckige Gold' namens Strom gewaschen wird, noch dünner und unsicherer als im Westen - ein Berstschutz gegen Angriffe von außen sucht man bei osteuropäischen Atommeilern vergebens. Selbst die westeuropäische Atomkommission moniert viele Mängel. Auch ist die Kundschaft im wilden Osten bei weitem nicht so zahlfreudig wie in hiesigen Landen; denn Rechnungen werden oftmals nicht beglichen. So nimmt es nicht wunder, daß die osteuropäischen Stromproduzenten keine Investitionen mehr tätigen, sondern vielmehr aus den abge- schriebenen Drecklöchern billiges Gold scheffeln, indem sie mit Strom zu Schnäpp- chenpreisen den westlichen Markt überfluten. So gelangt teilweise Strom über Dritte, zum Beispiel aus dem Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine, über Österreich nach Deutschland.3) |
(Fortsetzung der ersten Spalte)Und dann stellt sich da ein westeuropäischer Saubermann mit weißer Weste hin, von Beruf Chefstromhändler des Vereins der Energie- wirtschaft (VEW), und behauptet wie Beton in der Brandung, daß der deutsche Strommarkt auf solchen Wildost-Strom nicht verzichten kann. Wenn dann mit der EU-Osterweiterung weitere Dämme fallen, wird der dubiose Stromhandel noch besser florieren. Da gerät dann das Gerangel um den Atom-Konsens hierzulande zur Farce, wenn man bedenkt, daß beispielsweise Polen sehr lange Übergangsfristen für die Stillegungen alter Anlagen und erst recht für Neuanlagen vorsieht.4) Allerdings - damit hier keine Missverständ- nisse auftauchen: dies soll kein Plädoyer für nationalstaatlichen Protektionismus sein. Im Gegenteil, es ist die politische Forderung nach einer Energiewende in ganz Europa. Was bei diesem Trauerspiel der Habgierig- keiten, des Goldrausches um den Strom deutlich wird, ist, daß die Claims nicht abgesteckt sind, und daß dadurch bisher jegliche Transparenz fehlt. Es gibt deshalb die Zertifizierung des Stroms durch verschiedene Institutionen. Blieb im letzten U-mag-Bericht noch eine gähnende Lücke zur Thematik der Zertifizierung, so soll der vorliegende Bericht diese so gut wie möglich füllen. Auffallend ist, dass in der Zeitschrift "Photon" kürzlich 68 "Grünstrom"-Anbieter veröffentlicht wurden und nur ein kleiner Teil dieser Anbieter tatsächlich den Anspruch erheben darf, Strom ökologisch, d.h. langfristig klima-, umwelt- freundlich und risikoarm zu produzieren‘.5) Allerdings besteht die Gefahr, das nicht nur die Zahl der "Grünstrom"- Anbieter inflationäre Ausmaße annimmt, sondern auch die Zahl der Zertifikate für ökologischen Strom. So vergibt seit letztem Jahr das Öko-Institut e.V mit Sitz in Freiburg, der Technische Überwachungs-Verein (TÜV) und seit kurzem auch der "Grüner Label e.V." ein Zertifikat auf Ökostrom; das Umweltbundesamt prüft ebenfalls die Vergabe des "Blauen Engels" für derartigen Strom.5) Damit die Vielfalt der Bemühungen um ein Gütesiegel nicht nur kritisiert wird, hier ein Versuch der Klärung, wie Ökostrom mit der Vergabe eines solchen Siegels definiert wird: Weiter auf Seite 2 |