17.02.2008

EU-Projekte für Atomenergie

Hochspannungs-Trassen als Atomstrom-Autobahnen

Auf dem EU-Gipfeltreffen im März 2007 brachten die Staats- und Regierungschefs ein Projekt zum Ausbau des europäischen Stromnetzes auf den Weg. Dieses sei nötig, um den "grenzüberschreitenden Wettbewerb" zu erleichtern.1 Darüber hinaus solle so die "Versorgungssicherheit" gewährleistet werden.

Laut EU-Kommission könne der Ausbau des Stromnetzes einen "wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von Stromausfällen" leisten und "eine entscheidende Voraussetzung für die (...) Integration von Ökostrom ins Netz" schaffen. Die ÄrztInnen-Organisation IPPNW warf Deutschland und Österreich nun vor, sich in der Öffentlichkeit als Atomskeptiker und Freunde der erneuerbaren Energien zu präsentieren, auf EU-Ebene jedoch klammheinlich "Atomstrom-Autobahnen" für Europa voranzutreiben.

"Es geht hierbei um Atomstrom-Importe aus geplanten Atomkraftwerken in Litauen und der Slowakei, sowie aus dem tschechischen Dukovany", erläutert IPPNW-Energie-Experte Henrik Paulitz. "Die geplanten Stromtrassen dienen offenbar dem europaweiten Transport von Atomstrom." Als vorrangiges Projekt will die EU insbesondere "die Stromverbindungen zwischen Deutschland, Polen und Litauen" vorantreiben. Polen und Litauen haben im Februar laut 'Nucleonics Week' vereinbart, am litauischen Standort Ignalia zwei neue Atomkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 3.200 MW zu errichten. Im Gespräch sind zwei Reaktoren vom Typ 'Europäischer Druckwasser-Reaktor' (EPR), der von einem Konsortium aus Siemens und Areva (Ex-Framatome) angeboten wird. Die EPR-Reaktoren sollen Reaktoren vom Tschernoby-Typ ersetzen.

"Dieses Vorhaben erinnert an Gespräche von vor einigen Jahren zwischen Siemens, der deutschen, der französischen und der russischen Regierung," so Paulitz. "Damals wollte man am westrussischen Standort Smolensk einen EPR errichten und den Atomstrom mit Hilfe einer Stromtrasse über Weißrußland und Polen bis nach Berlin und Kassel leiten."

Im übrigen plant die EU bis 2009 eine zusätzliche 900-Megawatt-Stromtrasse zwischen der tschechischen Republik und Österreich. "Diese Stromtrasse beginnt im tschechischen Slavetice und das liegt nur drei Kilometer vom Atomkraftwerk Dukovany entfernt. Das ist nichts anderes als eine Atomstromtrasse zur Lieferung von Nuklearenergie nach Österreich," kritisiert Paulitz. Offenbar soll so der 1979 in Österreich durchgesetzte Atomausstieg ausgehebelt werden. Die EU-Kommission benennt in ihrer Mitteilung vom 10. Januar 2007 selbst das wichtigste "Hemmnis" gegen das Prokekt: "Der Widerstand in Österreich gegen die Kernenergie."

Mit einer weiteren 1800-Megawatt-Trasse von der Slowakei nach Wien soll Atomstrom nach Österreich und mit Hilfe weiterer Stromtrassen in das ebenfalls atomkraftwerkfreie Italien geleitet werden, so IPPNW. Diese Stromtrasse soll im slowakischen Umspannwerk Stupava beginnen. An diesem Knotenpunkt im Stromnetz sind die Atomkraftwerke Bohunice und Mochovce angebunden.

Der italienische Stromkonzern ENEL, der bereits seit Jahren entgegen der politischen Vorgabe des 1987 per Volksentscheid in Italien durchgesetzten Atomausstiegs mit französischem Atomstrom dealt, hat sich 2007 festgelegt, in Mochovce zwei weitere Reaktorblöcke als Ersatz für in Bälde stillzulegende Reaktorblöcke des AKW Bohunice zu errichten. ENEL-Chef Fulvio Conti erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg, daß der Atomstrom aus Mochovce auch nach Zentraleuropa transportiert werden soll.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten planen offenbar zudem eine Richtlinie zur "Verschlankung der Planungs- und Genehmigungsverfahren" mit dem Ziel, die Atomstrom-Autobahnen im Schnellverfahren durchsetzen zu können.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu unsere Artikel:

      Strom-Kartell auch in Großbritannien
      "Big Six" treiben mit Absprachen Preise nach oben (19.01.08)

      E.on, RWE, EnBW und Vattenfall treiben die Strompreise hoch
      Kartellamt sitzt auf brisanten Ermittlungsdaten (5.11.07)

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

      Rußland baut AKW in Bulgarien
      Deutsche Steuergelder für AKW-Neubauh (18.01.08)

      Neubau britischer AKWs aus Steuermitteln?
      Sterbende britische Atom-Branche hofft auf Brown (11.01.08)

 

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