8.05.2004

'British Energy'
und der europäische
Atom-Ausstieg

Blair kämpft ums Überleben des Atom-Konzerns
'British Energy'

Der angeschlagene Atom-Konzern 'British Energy' genießt offenbar weiterhin die unbedingte Unterstützung der britischen Regierung. Vor drei Tagen, am 5. Mai, wurde bekannt, daß sie "aus Gründen der nationalen Sicherheit" dem Unternehmen im Gegensatz zu fünf anderen Unternehmen der Energie-Branche eine Sonderrolle zukommen läßt. Während aus finanziellen Gründen die "Goldene Aktie", die mit angestammten Einspruchsrechten verbunden ist, bei den Firmen 'National Grid Transco', 'Viridian Group', 'Phoenix Natural Gas', 'Scottish Power' und 'Scottish and Southern Energy' aufgeben wurde, wie das britische Handels- und Industrieministerium am Mittwoch erklärte, wird die Blair-Regierung weiterhin Einspruchsrechte und ein Sonderveto bei 'British Energy' behalten.

Bereits letztes Jahr kam 'British Energy', Betreiber von acht Atomkraftwerken in Großbritannien, in finanzielle Schwierigkeiten und ein Konkurs konnte nur durch massive staatliche Finanzhilfen abgewendet werden. Ein weiteres 7,6 Milliarden Euro teures Rettungspaket wird gegenwärtig von der EU-Bürokratie blockiert.1 Nach langer Ignoranz mußten die zuständigen Kommissare, sonst eifrige Wächter der wirtschaftlichen Liberalisierung, eine "ungesetzliche Staatshilfe" der britischen Regierung konstatieren. Ohne die unermüdliche Öffentlichkeitsarbeit europäischer Anti-Atom-Gruppen und insbesondere der englischen Sektion von Greenpeace hätte die EU vermutlich weiterhin weggesehen.

Erst im Februar war der Atom-Konzern Siemens seinem früheren Geschäftspartner 'British Energy' beigesprungen, da mit dessen Konkurs und dem daraus notwendig folgenden Teil-Ausstieg der Briten aus der Atomenergie die gesamte Atom-Industrie Europas in einen Abwärts-Sog geraten könnte. Eine dubioser, Jahre zurückliegender Streit um gelieferte Turbinen wurde genutzt, um eine "Abfindung" in zweistelliger Millionenhöhe von Siemens an 'British Energy' leisten zu können. Unmittelbar darauf nahm der Aktienkurs von 'British Energy' einen wundersamen Aufschwung. 'British Energy' ist seit Juli 1996, als die damalige Tory-Regierung die Aktien an der Börse plazierte, kein Staatsunternehmen mehr. Seitdem zeigt sich, daß Atomstrom entgegen allen neoliberalen Wunschträumen beispielsweise gegen billigen Strom aus Gaskraftwerken nicht konkurrenzfähig ist. Dem französischen Monopolisten EdF, droht mit der bislang immer wieder verschobenen Privatisierung ein ähnliches Schicksal.

Da 'British Energy' zudem über die Atomfabrik 'Throp', einem Teil der WAA Sellafield, mit der britischen Atomstreitmacht unauflöslich verknüpft ist - Atomsprengköpfe müssen regelmäßig ausgetauscht werden - kann der Atom-Konzern auch auf zukünftige Finanzströme aus dem britischen Staatshaushalt hoffen. Zudem drängen einflußreiche Kräfte in nahezu allen europäischen Regierungen auf die Etablierung einer europäischen Atomstreitmacht. Diese Lobby hat auch auf EU-Ebene ein enormes Gewicht und konnte bislang den seit 1957 bestehenden EURATOM-Vertrag2 immer wieder über die Runden retten. Dieser Vertrag verpflichtet nicht nur die tatsächlich aus der "friedlichen" Nutzung der Atomenergie ausgestiegenen Staaten wie Österreich (1978) oder Italien (1987) zu jährlichen Zahlungen in zweistelliger Millionenhöhe, um die europäische Atom-Industrie am Leben zu erhalten, sondern bietet auch die rechtliche Grundlage für die militärischen Großmacht-Pläne.

Die Bestebungen, eine Renaissance der Atomtechnologie einzuleiten können ebenso wie die damit untrennbar verknüpften Pläne zu einer europäischen Atommacht nicht aus nationalen, sondern lediglich aus europäischen Finanzmitteln bestritten werden. Dies zeigt auch der für die Atom-Industrie erfolgreiche Neubeginn mit dem AKW-Bau in Finnland. Dieser wäre ohne europäische Finanzmittel nicht möglich gewesen. Die Weichen für einen europäischen Atom-Ausstieg oder eine Atom-Renaissance werden heute gestellt.

 

Klaus Schramm

 

Anmerkung:

1 Siehe auch unseren Artikel
    'Zwangsweiser Atomausstieg in Großbritannien?' v. 11.04.04

2 Siehe auch unseren Artikel
    'Neue Atommacht EU?' v. 24.04.04

 

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