Der Ökostrom-Anbieter Greenpeace Energy hatte vor dem Gericht der Europäischen Union wegen der massiven Wettbewerbs-Verzerrung infolge der Subventionierung des AKW-Projekts Hinkley Point geklagt. Doch die Klage wurde nun als "nicht zulässig" abgewiesen.
Laut einer Pressemitteilung vom heutigen Donnerstag prüft Greenpeace Energy, Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts einzulegen. Neben Greenpeace Energy hatten auch die oekostrom AG aus Österreich sowie die deutschen Stadtwerke Aalen, Bietigheim-Bissingen, Bochum, Mainz, Mühlacker, Schwäbisch-Hall, Tübingen und Energieversorgung Filstal vor dem Gericht der Europäischen Union (EUG) - der ersten Instanz des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) - geklagt und der baden-württembergische Ökostrom-Anbieter Energiewerke Schönau (EWS) hatte die Klage unterstützt.
Der Rechtsstreit hat grundsätzliche Bedeutung, weil Hinkley Point C als Blaupause für ein Dutzend weiterer AKW-Projekte in Großbritannien und anderen europäischen Staaten dienen kann. "In unserer Klage geht es nicht nur um die wirtschaftliche Betroffenheit einiger Unternehmen und nicht allein um Fragen der britischen Nuklearförderung, sondern gerade im Hinblick auf die Gründe der Kommission, die Beihilfe zu genehmigen, auch um eine entscheidende Weichenstellung für die europäische Energiepolitik," sagt Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy. "Das Gericht verkennt aus unserer Sicht die Tragweite der Entscheidung, wenn es nun unsere Bedenken gegen die exorbitanten britischen Atomsubventionen abweist," so Tangermann.
Die geplante vielfältige Subventionierung für das AKW-Projekt Hinkley Point C summiert sich laut einer von Greenpeace Energy in Auftrag gegebenen Studie des deutschen Analyse-Instituts Energy Brainpool auf 108 Milliarden Euro. Die EU-Kommission hatte die Subventionierung 2014 genehmigt (Siehe unseren Artikel v. 9.10.14). Zusätzlich verspricht der britische Staat dem Betreiber-Konzern EdF ein umfangreiches Garantiepaket in zweistelliger Milliardenhöhe. Das Subventions-Paket wurde mittlerweile von der britischen Regierung unter der neuen Premierministerin Theresa May angeblich geprüft und überarbeitet. Gestern erst hatte EdF den neuen Subventions-Bedingungen zugestimmt. Der Vertrag für das Projekt Hinkley Point C an dem AKW-Standort im idyllischen Somerset, an der Südwestküste Englands, wurde am Donnerstagnachmittag in London unterzeichnet. Der nach offiziellen Angaben 31 Milliarden Euro teure Neubau zweier Reaktoren am Standort des AKW Hinkley Point wird durch den EURATOM-Vertrag gerechtfertigt.
Weitere EU-Staaten wie Polen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn planen ebenfalls AKW-Neubau-Projekte. Am weitesten fortgeschritten ist derzeit nach Hinkley Point C das AKW-Projekt Paks II in Ungarn. Die vier Staaten hatten Anträge beim EuG gestellt, als Streithelfer in das Verfahren zu Hinkley Point C auf Seiten der beklagten EU-Kommission einzusteigen, um deren Argumentationsweise zur Genehmigung der Atom-Subventionierung zu verteidigen. Sollten die AKW-Projekte in der EU nach dem Vorbild von Hinkley Point C realisiert werden, drohen nach Ansicht von Greenpeace Energy noch stärkere Wettbewerbs-Verzerrungen auf dem immer enger vernetzten europäischen Strommarkt.
Hinkley Point C soll nach jetzigem Planungsstand im Jahr 2023 in Betrieb gehen. Dabei ist heute trotz der gigantischen finanziellen Zusagen der britischen Regierung keineswegs sicher, daß Hinkley Point C jemals fertiggestellt wird. Denn die beiden Prestige-Projekte, mit denen die EdF und Areva der Welt beweisen wollten, daß die neue Atom-Reaktor-Linie vom Typ EPR "schlüsselfertig" zum Festpreis von 3,2 Milliarden Euro pro Reaktor angeboten werden könne, haben sich bereits als Flop herausgestellt. Das EPR-Projekt Olkiluoto wurde 2005 begonnen und sollte bis 2011 fertiggestellt sein. Bei dem im französischen Flamanville 2006 begonnenen EPR-Projekt war anfangs die Rede von einer Fertigstellung bis 2012. Mittlerweile ist zumindest sicher, daß es nicht vor 2019 ans Netz gehen wird. Hinzu kommt, daß aus internen Quellen Hinweise ans Licht kamen, daß das Risiko von Erdbeben beim AKW-Projekt Hinkley Point C völlig unzureichend berücksichtigt wurde.
Im Jahr 2013 war der Plan der britischen Regierung bekannt geworden, dem französischen Strom-Konzern und AKW-Betreiber EdF finanzielle Garantien zu geben, damit dieser zwei neue Atom-Reaktoren am Standort des AKW Hinkley Point baut. Zugleich wurden Pläne publik, daß sie über eine Dauer von 35 Jahren einen garantierten Abnahmepreis von umgerechnet rund 108 Euro pro Megawattstunde Atomstrom gewähren will. Schon 2014 konnten EdF und Areva in Verhandlungen einen noch höheren Garantie-Preis herausgeschlagen: Die britische Regierung verpflichtet sich, 117 Euro pro Megawattstunde Atomstrom (92,50 Pfund) zu gewährleisten. Mit weiteren zugesagten Garantien und vertraglich zugesichertem Inflationsausgleich stünde laut Berechnungen der Tageszeitung 'Financial Times' der Stromabnahmepreis im Jahr 2058 — also 35 Jahre nach der anvisierten Inbetriebnahme — bei 279 Pfund pro Megawattstunde (355 Euro nach heutigem Kurs). Das entspricht mehr als dem 10-fachen des heutigen Großhandels-Preises für Strom an der Leipziger Börse. Allein die Bau-Kosten für Hinkley Point C werden offiziell auf 31 Milliarden Euro (nicht auf 21 Milliarden Euro wie heute in Teilen der Mainstream-Medien "berichtet" wurde) veranschlagt. Der Betrag von 24,5 Milliarden Pfund und somit umgerechnet 31 Milliarden Euro ist in der am 8. Oktober 2014 veröffentlichten Entscheidung der EU-Kommission nachzulesen, mit der die Subventions-Pläne der britischen Regierung zum Bau und Betrieb der beiden EPR-Atomreaktoren gutgeheißen wurden.
In Großbritannien sind nach wie vor 16 Atom-Reaktoren in Betrieb (Siehe unseren Artikel v. 2.11.13) - darunter einige der ältesten der Welt. Zwei dieser "Technik-Museen" - beide seit 40 Jahren in Betrieb - stehen in Hinkley Point. Im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre wurde in Großbritannien kein AKW gebaut.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Hinkley Point: EdF spielt Vabanque
Der Einsatz beträgt 22 Milliarden Euro (28.07.16)
Japan: Atomkraft-Renaissance
steht auf der Kippe (22.06.16)
Ausbau der Atomenergie in Europa?
EURATOM gibt Richtung vor (20.03.16)
Hinkley Point: Chinesischer Staats-Konzern
investiert in schwarzes Loch (21.10.15)
AKW-Projekt Flamanville bis 2018?
Zum fünften Mal in die Verlängerung
Junktim mit AKW Fessenheim obsolet (3.09.15)
Areva, ein 5-Milliarden-Loch und Ärger
mit der französischen Finanzaufsicht (15.05.15)
EU-Kommission blockiert AKW-Deal
zwischen Ungarn und Rußland (14.03.15)
Atom-Konzern Areva pleite
2 Milliarden Euro von François Hollande (21.11.14)
EU-Kommission genehmigt Subvention
für AKW Hinkley Point (9.10.14)
Große Mehrheit in Polen für Energie-Wende
Regierung für Atomenergie und Kohle (12.11.13)
AKW Temelin: Ausbau verzögert
EU-Kommission streitet mit Tschechien (10.11.13)
Atom-Ausstieg?
Ein Vergleich zwischen D und GB (2.11.13)