25.02.2009

"Black Box"
für Atomkraftwerke?

Audioüberwachung für AKW Krümmel angeordnet

Für die Rekonstruktion von Störfällen hat das für "Reaktorsicherheit" zuständige Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein Tonaufzeichnungen im Leitstand des AKW Krümmel angeordnet. "Damit können wir etwa bei Störfällen besser nachvollziehen, was auf der Warte des Werks passiert ist." Auch für die AKW Brunsbüttel und Brokdorf werden dem Ministerium zufolge demnächst solche Aufzeichnungen angeordnet. Bislang zeichnet kein deutsches AKW die Gespräche der Verantwortlichen im Leitstand auf. Die Meiler in Krümmel und Brunsbüttel waren im Juni 2007 nach "Pannen" abgeschaltet worden und stehen mittlerweile 20 Monate still.1

Offenbar sind auch den Behörden mittlerweile die Diskrepanzen zwischen der Darstellung der Vorgänge im AKW Krümmel am 28. Juni 2007 durch den Betreiber und den nicht zu leugnenden Fakten aufgefallen. Im Reaktordruckbehälter war es nach dem Brand des Transformators zu einem schnellen und gefährlichen Sinken des Pegels gekommen. Der Pegel des Kühlwasser fiel unter die Normhöhe von 14,07 Meter bis auf 11,6 Meter und der Druck von 65 auf 20 bar. Bei einem Füllstandsabfall im Reaktordruckbehlter werden die Brennstäbe freigelegt. Innerhalb kürzester Zeit führt dies zu einer Überhitzung und zur gefürchteten Kernschmelze.

Vieles deutet darauf hin, daß am 28. Juni 2007 im Leitstand des AKW Krümmel zwischen 15 Uhr und 15:30 Uhr Panik geherrscht hat. Wie bereits am 17. Juli 2007 bekannt wurde, haben sich im Leitstand im genannten Zeitraum nicht etwa wie normal lediglich fünf, sondern insgesamt 37 Personen aufgehalten. Welche Schalter zu welchem Zeitpunkt betätigt wurden und der Einsatzzeitpunkt von Pumpen wird in einem AKW automatisch protokolliert. Merkwürdigerweise sind jedoch die automatischen Aufzeichnungen, die per Computer ausgeführt werden, ausgerechnet im fraglichen Zeitraum wegen einer "Panne" nicht vorhanden.

Die schleswig-holsteinische Aufsichtsbehörde will nun dennoch - nach eigenen Auskünften - keine technischen Auflagen erteilen, wie die gewünschte "Black Box" realisiert werden muß. So ist auch in Zukunft nicht ausgeschlossen, daß Aufzeichnung der "Black Box" wegen einer "Panne" gelöscht wird. Die "Black Box" eines Flugzeuges dagegen ist gegen Manipulationen gesichert und kann bei einem Flugzeugabsturz aus dem Cockpit heraus nicht gelöscht werden.

Offenbar wird hier also für die Öffentlichkeit eine Schmierenkommödie inzeniert, bei der die Rollen bereits vorher abgesprochen sind. Die Auflage sei gegen den Widerstand des Betreibers erfolgt, sagte ein Ministeriumssprecher am heutigen Mittwoch. Vattenfall verkündete, "die technischen, arbeitspsychologischen und rechtlichen Details" der Audioüberwachung sorgfältig zu prüfen." Die Situation in der 120 Quadratmeter großen Kraftwerkswarte sei nicht mit einem Flugzeug-Cockpit zu vergleichen, sagte Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Bukow. Wegen der Größe und der vielen MitarbeiterInnen sei es schwierig, die komplexe Kommunikation zuzuordnen. Zudem verwies das Unternehmen auf eine mögliche Verunsicherung der MitarbeiterInnen durch Gesprächsaufzeichnungen. Dies sei in Gutachten nachgewiesen worden.

Was sich am 28. Juni 2007 im AKW Krümmel im Einzelnen zutrug, wird vermutlich erst bekannt werden, wenn unabhängige Sachverständige die Innenwände des Reaktodruckbehälters untersuchen können.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu auch unseren Artikel:

      AKW Krümmel und AKW Brunsbüttel seit 20 Monaten außer Betrieb
      Was steckt dahinter? (13.02.09)

2 Siehe hierzu auch unseren Artikel:

      AKW Krümmel knapp an GAU vorbei
      Schnellabschaltung infolge des Brands gefährdete Reaktor (3.07.07)

Siehe auch unsere Artikel:

      Abgeschaltetes AKW Krümmel mit "normalen" Pannen
      War "AKW-Tuning" Ursache des Beinahe-GAU am 28. Juni?
      (28.12.07)

      Der deutsche "Atomausstieg"
      Folge 2 der Info-Serie 'Atomenergie'

 

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