28.12.2007

Abgeschaltetes AKW Krümmel
mit "normalen" Pannen

War "AKW-Tuning" Ursache des Beinahe-GAU am 28. Juni?

Die Pannenserie im schleswig-holsteinischen Atomkraftwerk Krümmel nimmt kein Ende. Das seit dem 28. Juni wegen einem Beinahe-GAU1 abgeschaltete AKW ist in den vergangenen Monaten bereits des öfteren durch Pannen, die das Wiederanfahren hinauszögern, in den Nachrichten der Mainstream-Medien aufgetaucht. Wie die Atomaufsicht in Kiel heute (Freitag) mitteilte, wurden bei der Prüfung eines Umschaltvorgangs in der Eigenbedarfsstromversorgung unplanmäßig drei der sechs Notstromdiesel gestartet. Ursache sei nach derzeitigem Stand ein fehlerhafter Schalter eines Transformators. Der meldepflichtige Vorfall habe sich am Samstag voriger Woche (22.12.) ereignet und sei vom Betreiber Vattenfall an diesem Freitag "fristgerecht" mit der Kategorie "N" wie Normal gemeldet worden.

Nach wie vor ist seit Juni ebenso das von Vattenfall betriebene AKW Brunsbüttel außer Betrieb. Inzwischen wurden Indizien bekannt, wonach die nahezu zeitgleich aufgetretenen "Pannen" in den von Vattenfall betriebenen AKWs Krümmel und Brunsbüttel auf "AKW-Tuning" zurückzuführen sind. Ein solches "AKW-Tuning" ist nun auch im bayerischen AKW Gundremmingen geplant. Laut einer kurz vor Weihnachten bekannt gewordenen Meldung haben die Betreiber-Konzerne RWE und E.on (E.on ist auch am AKW Krümmel beteiligt) den für das AKW Gundremmingen zuständigen Behörden eine Steigerung der Nennleistung um 112 Megawatt angekündigt. Die Nennleistung der Blöcke B und C beträgt derzeit jeweils 1.284 MW.

Bereits Ende der 1990er Jahre war laut interner Informationen eine Leistungserhöhung der beiden Reaktoren B und C des AKW Gundremmingen mit Behördenvertretern besprochen worden. Reaktor A mußte übrigens 1977, nachdem es in Folge eines Zusammenbruchs der abführenden Stromleitungen zu einer Schnellabschaltung (ähnlich wie beim AKW Krümmel) gekommen war, wegen Totalschaden stillgelegt werden. Über die Ende der 1990er Jahre geführten Gespräche wurden offenbar weder die örtlichen Landräte, noch Abgeordnete oder Bürgermeister informiert. Auch der Genehmigungsantrag im September 1999 blieb geheim, bis eine lokale Bürgerinitiative die Sache publik machte.

Zunächst hieß es damals vom Bayerischen "Umwelt"-Ministerium als Genehmigungsbehörde, eine Beteiligung der Öffentlichkeit sei nicht vorgesehen, da vom Atomgesetz nicht zwingend vorgeschrieben. Die Genehmigung sei ein Routinevorgang, der innerhalb von eineinhalb Jahren abgeschlossen sei. Doch noch vor März 2001 wurde der Genehmigungsantrag wieder zurückgezogen - offenbar konnten die erforderlichen Sicherheitsnachweise nicht erbracht werden.

Nun liegen erneut Planungen für ein "AKW-Tuning" vor - diesmal nach schwedischem Vorbild. Die Brennstäbe sollen mit einem höheren Anteil von Uran-235 als bisher eingesetzt werden, die Steuerstäbe sollen weiter herausgezogen werden, um mehr Neutronen für die Kettenreaktion freizugeben und die Umwälzpumpen sollen mit einer höheren Leistung betrieben werden, um so die zusätzliche Hitze schneller abzuführen. Durch die erhöhte Neutronenstrahlung und durch höhere Temperaturen werden die Hüllrohre der Brennstäbe stärker belastet. Das Risiko von Versprödung, Rissen und Bruch sowohl an den Brennstäben als auch am Reaktordruckbehälter wird erhöht.

Das "AKW-Tuning" verringert die Sicherheitsreserven wie dies auch bei einem Auto der Fall ist, dessen Motor getunt wird, dessen Bremsen und Getriebe hierfür aber nicht ausgelegt sind. So kam in diesem Jahr bereits der Verdacht auf, daß Leistungserhöhungen mittels Turbinenoptimierungen mehrere schwere Ausfälle von Generatoren und Transformatoren in deutschen AKWs verursacht hätten. Bezeichnender Weise war nur wenige Monate vor dem Beinahe-GAU im AKW Krümmel am 28. Juni dort eine nicht näher spezifizierte Leistungserhöhung vorgenommen worden. Der Totalschaden des Transformators führte am 28. Juni zu einer Schnellabschaltung und in deren Folge zu einer kritischen Absenkung des Kühlwasserstands und des Drucks im Reaktordruckbehälter.

Was Vattenfall, einer der vier Energie-Konzerne, die den deutschen Strommarkt beherrschen, in Schweden bereits in den AKWs Forsmark und Ringhals "erprobt" hat2, soll nun auch in Gundremmingen zu einer höheren Stromausbeute - und damit zu höheren Profiten - führen. Nachdenklich stimmt, daß es am 25. Juli 2006 im AKW Forsmark zu einem zu einem Beinahe-GAU kam3, dessen Begleitumstände merkwürdige Parallelen mit den "Pannen" im Juni 2007 in den AKWs Brunsbüttel und Krümmel aufweisen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch:

      Brand im AKW Krümmel
      Reaktor heruntergefahren (28.06.07)

      AKW Krümmel knapp an GAU vorbei
      Schnellabschaltung infolge des Brands gefährdete Reaktor (3.07.07)

      Beinahe-GAU oder Medien-GAU? (17.07.07)

      AKW Krümmel:
      Atom-Ministerin Trauernicht beim Lügen ertappt (26.07.07)

      Erneut ein Defekt im AKW Krümmel entdeckt (27.08.07)

2 Siehe auch:

      Schwedens "Atomausstieg" (27.09.06)

3 Siehe auch:

      Schwedisches AKW 7 Minuten vor GAU
      Versagte eine Komponente »Made in Germany«? (3.08.06)

 

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