Bei einem Referendum sprachen sich über 94 Prozent gegen den von der Zentralregierung verfolgten Plan eines AKW-Neubaus an der Ostseeküste aus.
Die Wahlbeteiligung beim Referendum lag bei rund 58 Prozent. Absolut - also gemessen an der Zahl der Wahlberechtigten - erreichten die Nein-Stimmen sogar einen Anteil von knapp 55 Prozent. Nach der Propaganda der vorangegangenen Wochen, die das Bild vermittelt hatte, "die Polen" würden sich eine Einflußnahme der deutschen Anti-Atom-Bewegung verbitten, wird dieses Ergebnis vermutlich Viele überraschen.
Ähnlich wie der US-amerikanische Präsident Barack Obama verfolgt die polnische neoliberale Regierung ebenso wie die deutsche - hierzulande allerdings hinter der Nebelwand eines vermeintlichen Atom-Ausstiegs - eine Politik im Sinne der großen Strom-Konzerne und vor allem eine Blockadepolitik gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien. So unterstützte die polnische Regierung die Baupläne des Strom-Konzerns Polska Grupa Energetyczna (PGE), in Gaski in der Gemeinde Mielno ein neues Atomkraftwerk zu bauen.
Ein Sprecher von PGE führte das klare Ergebnis des Referendums des AKW-Baus auf eine "Desinformation" der BürgerInnen zurück. Tatsächlich jedoch war die PGE von den polnischen Mainstream-Medien mit allen erdenklichen Mitteln in ihren AKW-Neubauplänen unterstützt worden; Kritik an den Plänen wurde selten und nur wenig Platz eingeräumt. Oft war hingegen von einer "nationalen Emanzipation" in der Energiewirtschaft die Rede, wobei damit völlig einseitig die Atomenergie, nicht jedoch die erneuerbaren Energien in Verbindung gebracht wurden.
Auch die polnische Regierung hatte keine ausgewogene Information der Bevölkerung vor dem Referendum für nötig erachtet. So sagt Piotr Laskowski, Sprecher der örtlichenAnti-AKW-Initiative: "Es gab keine Bürgerversammlungen, keine Informationsgespräche. Wie in einem totalitären Staat! Ein handfester Skandal!"
Vor drei Jahren gab die polnische Regierung Pläne bekannt, wonach bis 2020 das erste Atomkraftwerk in Betrieb gehen werde. Das Warschauer Wirtschaftsministerium veröffentlichte daraufhin eine Liste mit insgesamt 28 möglichen AKW-Standorten. Im Oktober vergangenen Jahres verkürzte die PGE diese Liste auf drei Orte: Gaski, Zarnowiec und Choczewo. In Zarnowiec wurde bereits in den 1980er-Jahren ein Atomkraftwerk gebaut, das jedoch nie in Betrieb ging. Die Orte Gaski und Choczewo befinden sich nicht nur direkt an der Ostsee sondern auch inmitten von Landschaftsschutzgebieten. Bei einer Reaktor-Katastrophe wären an allen drei Standorten benachbarte Naturschutzgebiete, Landschaftsparks und Vogelschutzgebiete beeinträchtigt. Aber auch der sogenannte Normalbetrieb verursacht mit der Freisetzung von Radioaktivität Krebs und Leukämie in der Umgebung des AKW. Selbst die PGE bezeichnet die drei Standorte als "riskant" hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Flora und Fauna. Nach Fukushima ist auch das Risikobewußtsein der BewohnerInnen in weiter entfernt liegenden Gebieten gewachsen. Und insbesondere der Super-GAU von Tschernobyl, der sich 1986 im der benachbarten Ukraine ereignete ist bei Vielen noch in lebhafter Erinnerung.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Obama subventioniert die Atom-Mafia
Bau zweier Atom-Reaktoren angekündigt (9.02.12)
Energie-Wende in den USA?
90 Prozent für erneuerbare Energie (15.01.12)
25.000 bei Anti-Atom-Protesten
in Frankreich (16.10.11)
Kinderkrebs im Umkreis von Atomkraftwerken
deutlich erhöht (4.08.11)
Berlusconi gescheitert
Italiens Atom-Ausstieg bestätigt (13.06.11)
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Regierung versucht Volksverdummung (26.05.11)
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steht über dem Gesetz (1.04.11)
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steigt aus AKW-Projekt Cernavoda aus (21.01.11)
AKW-Neubau?
Die große Propaganda-Offensive (3.07.10)
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Obama gibt 80 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen (15.05.10)
Studie der Citibank:
Atomenergie ist unwirtschaftlich (12.02.10)
Obama verspricht
Bau neuer Atomkraftwerke in den USA (30.01.10)
Renaissance der Atomenergie?
Wo in aller Welt? (7.01.09)
Die Geschichte der Atom-Unfälle
Folge 7 der Info-Serie Atomenergie