Wer bezahlt?
Die Atom-Mafia?
Wie aktuell von der baden-württembergischen Landesregierung bekannt gegeben wurde, verdoppeln sich die Kosten für die Stillegung eines Teils des ehemaligen "Kernforschungszentrums Karlsruhe" von 1,9 Milliarden Mark auf 1,9 Milliarden Euro. Die Mehrkosten müssen allein von Bund und Land - also aus Steuergeldern - finanziert werden. Über eine Kostenexplosion war bereits in den vergangenen Monaten spekuliert worden.
Laut den 1991 unterzeichneten Verträgen wurden die Kosten für die Stillegung und "Entsorgung" der dabei anfallenden flüssigen radioaktiven Abfälle auf 1,9 Milliarden Mark geschätzt. Mit den nun veranschlagten 1,9 Milliarden Euro fielen Mehrkosten in Höhe von rund 930 Millionen Euro an, wovon über 76 Millionen Euro (8,2 Prozent) dem Haushalt des Landes Baden-Württemberg aufgebürdet werden sollen. Weder EnBW noch andere Nutznießer der pseudowissenschaftlichen Nuklearforschung, die fast ausschließlich dazu diente servile WissenschaftlerInnen aus Steuergeldern zu alimentieren, sind an den Mehrkosten beteiligt. Die Atom-Mafia handelte 1991 Vertragsklauseln aus, nach denen sie lediglich dazu verpflichtet ist, einen Festbetrag von 511 Millionen Euro zu übernehmen. So bleiben die Kostensteigerungen, woran wiederum Firmen profitieren, die mit der Atom-Mafia verfilzt sind, am "Betreiber" des 'Kernforschungszentrums Karlsruhe', also an Bund und Ländern, hängen.
Den damaligen politischen VerhandlungsführerInnen "Blauäugigkeit" zu unterstellen, hieße, sie vorab von jeder politischen Verantwortlichkeit freizustellen. Wie an vielen ähnlich gelagerten Fällen zu belegen ist, verfolgte "die Politik" seit den 50er Jahren in Deutschland eine klare Linie: Die Gewinne sind zu privatisieren, die Kosten zu sozialisieren. Nur durch die verschleierte Umlagerung der immensen Kosten der Atomenergie auf öffentliche Haushalte und auf zukünftige Generationen ("Endlagerung") konnte die Propaganda vom billigen Atomstrom greifen.
Bei dem Teil des 'Kernforschungszentrums Karlsruhe', der nun rückgebaut werden soll, handelt es sich um eine Versuchsanlage für die sogenannte Wiederaufarbeitung von Brennstäben. Großtechnisch sollte diese Technik in der geplanten "Wiederaufarbeitungsanlage" (WAA) Wackersdorf realisiert werden - ein deutsches Pendant zu La Hague und Sellafield. Diese Anlage hätte den Weg zur deutschen Atombombe geebnet, konnte jedoch in der zweiten Hälfte der 80er Jahre verhindert werden.
Rund 80.000 Liter hochradioaktive Abfall-Lösung, eine "Atomsuppe"1 mit 504 Kilogramm Uran und 16,5 Kilogramm hochgiftigem Plutonium als Einlage, dümpelt hinter drei Meter dicken Stahlbetonwänden vor sich hin. Sie muß permanent gekühlt werden, da sie sich durch radioaktive Spaltprozesse selbst erhitzt. Wie diese Altlast des "atomaren Zeitalters" verglast werden kann, ist noch weitgehend ungeklärt.
Laut ursprünglicher Planung sollte mit der Verglasung der "Atomsuppe" in Glas-Kokillen bereits 2003 begonnen werden. Bisher wurde aber lediglich ein Gebäude
neben dem Stahlbetonbehälter mit dem hochradioaktiven Abfall errichtet, in dem an einer
Versuchs- Abfüllanlage getüftelt wird. Der nicht-radioaktive Probe-Betrieb der Verglasungs-Anlage soll im Herbst beginnen. Ein Termin, wann mit dem Umpumpen der
"Atomsuppe" durch eine Verbindungsleitung und der Umstellung der Verglasungs-Anlage
auf den radioaktiv belasteten "Normalbetrieb" begonnen werden soll, ist nicht in Erfahrung zu bringen.
Die aktuelle Kalkulation beruht jedoch auf der Annahme, daß die "Atomsuppe" bis 2009 endlagergerecht in Kokillen verglast sein wird. Die dieser Tage veröffentlichte Kostenschätzung kann sich also schnell verdoppeln und verzehnfachen - eine Kostenexplosion, die aus der Geschichte des Schnellen Brüters in Kalkar oder des Thorium- Hochtemperaturreaktors in Hamm-Uentrop hinlänglich bekannt ist.
Petra Willaredt
Anmerkungen
1 Siehe hierzu auch unseren Beitrag
'Schwerer Unfall in der WAA Sellafield' (9.05.05)