Ein Teil der Plutoniumfabrik und sogenannten Wiederaufarbeitungs- anlage (WAA) Sellafield1 mußte nach einem Unfall stillgelegt werden. Selbstverständlich meldet der Betreiber-Konzern British Nuclear Group, für Mensch und Umwelt bestehe keine Gefahr. Wie die britische 'Times' und der 'Guardian' heute berichten, sind in der WAA Sellafield viele Tonnen uran- und plutoniumhaltige Salpetersäure durch ein gerissenes Rohr ausgelaufen.
Der Plutonium-Anteil beträgt nach Informationen der 'Times' 200 Kilogramm, "was für 20 Atombomben ausreichen würde". Die "hochgiftige Mischung" (Guardian) floß den Angaben zufolge in einen vollständig abgedichteten Raum. Dort könne sie zwar keinen Schaden anrichten, doch werde es ein kostspieliges und langwieriges Unterfangen sein, den Raum zu säubern, berichten die Zeitungen. Möglicherweise müßten dafür erst noch Spezialroboter gebaut werden.
Der norwegische Umweltweltminister Arild Hareide forderte "politische Konsequenzen" aus dem Unfall. "Dies zeigt deutlich die Risiken der Atomkraft, und daß sie keine dauerhafte Lösung sein kann", sagte Hareide in Oslo. Die Regierungen der skandinavischen Länder längs der Nordseeküste haben seit den achtziger Jahren immer wieder vergeblich in London gegen den Betrieb der WAA Sellafield protestiert und auch die Stillegung verlangt. Doch nach wie vor hat der Betreiber der WAA Sellafield die Genehmigung, radioaktiven Flüssigabfall in die Irische See einzuleiten. Die norwegische Strahlenschutzbehörde schätzte die im Laufe der Jahre freigewordene Radioaktivität auf 40.000 Milliarden Becquerel, die sich über Tausende von Kilometern in den Ozeanen verbreitet haben. Bis nach Kanada und in die arktischen Gewässer, bis in 200 Meter Tiefe lasse sich Sellafields Radioaktivität nachweisen. Auch der Erdboden in der Umgebung ist stark verstrahlt, berichtet Greenpeace. In Fischen, Muscheln, Tauben und auch bei AnwohnerInnen wurde eine deutlich erhöhte Strahlung gemessen. Die Blutkrebsrate bei Kindern aus Sellafield ist signifikant höher als im übrigen Großbritannien.
Eine baldige Stillegung der WAA Sellafield wird in London dennoch nicht erwogen. Die Regierung von Premierminister Antony Blair spielt dagegen mit Plänen, nach über zwei Jahrzehnten wieder neue Atomkraftwerke zu bauen. Allerdings gibt es darüber nach Zeitungsberichten Streit im Kabinett. Blair selbst hat gesagt, daß er grundsätzlich für Atomkraft sei, aber noch nichts entschieden habe. Bemerkenswert ist zudem, daß Blair die Bekanntgabe des schweren Unfalls in der WAA Sellafield bis auf einen Zeitpunkt nach der britischen Parlamentswahl unterdrücken konnte. Der Unfall hatte sich bereits im April ereignet.
Ebenfalls unzweifelhaft wird der "grüne" deutsche Atom-Minister Jürgen Trittin keinerlei Konsequenzen aus dem Unfall ziehen. Aus dem Ministerium war lediglich zu vernehmen, es seien "Zweifel an der sicheren Betriebsführung der Gesamtanlage Sellafield" aufgekommen. Im Gegensatz zu Japan hatte Deutschland bereits 1999 nach dem Bekanntwerden von Fälschungen bei den Angaben zu ausgelieferten Brennelementen keine Konsequenzen gezogen und die bestehenden Verträge nicht gekündigt.
Adriana Ascoli
Anmerkungen
1 Siehe hierzu auch unsere Beiträge
'WAA Sellafield: 30 Kilogramm Plutonium verschwunden' (17.02.05)
'Noch sieben Jahre radioaktive Verseuchung?
Sellafield soll 2010 stillgelegt werden' (28.08.03)
'Sellafield - Völkerrechtlich bindende Verträge?' (18.04.01)