11.05.2009

Kommentar

US-Regierung bricht Schweigen
über Israels Atombombe

Neue Perspektive bei Verhandlungen mit dem Iran?

Die im US-Außenministerium für die Verhandlungen über den Atomwaffensperrvertrag zuständige US-Unterstaatssekretärin Rose Gottemoeller erhob am 5. Mai öffentlich die Forderung, Israel müsse der Vereinbarung beitreten. Bisher hatte sich keine US-amerikanische Regierung jemals öffentlich zur Existenz der israelischen Atombombe geäußert. Für die israelische Regierung ist dies ein Rückschlag, weil sie in der Frage ihrer hartnäckig geleugneten Atomwaffen bislang von den USA gedeckt wurde. So konnte sie bisher sämtliche Forderungen nach nuklearer Abrüstung ignorieren.

Die israelische Regierung hat den Besitz der Atom-Bombe immer konsequent geleugnet, obwohl es eigentlich keine Zweifel an ihrer Existenz gibt. Lediglich im Dezember 2006 kam es wegen eines Versprechers des israelischen Premiers Ehud Olmert in einem Interview in N24 beinahe zu einem Eklat. Er hatte selbst den Staat Israel in einer Reihe mit Atomwaffen-Staaten genannt. Doch unter Einsatz sämtlicher diplomatischer Mittel wurde die Affaire säuberlich unter den Teppich gekehrt.

Nun schrieb die Washington Times am 6. Mai, die USA zeige sich "vorbereitet, ein 40 Jahre altes Geheimabkommen, durch das Israels Nuklearwaffen vor internationaler Kontrolle abgeschirmt wurde, zum Entgleisen zu bringen." 1969 hatten die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir und der US-amerikanische Präsident Richard Nixon vereinbart, daß die USA darauf verzichten, Israel zur Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrag zu drängen - und daß die israelische Regierung im Gegenzug auf den Test der Atom-Bombe verzichtet.

Die laut Washington Post "dramatische Kehrtwende" trifft die israelische Regierung unerwartet. Ex-Knesset-Abgeordnete Uzi Even, ein Wissenschaftler, der auch im Nuklear-Komplex Dimona, wo israelische WissenschaftlerInnen die Atom-Bombe entwickelt hatten, tätig war, kritisierte: "Die Amerikaner wußten, daß Israel Kernwaffen besitzt, schauten aber in die andere Richtung. Jetzt brechen sie diese - stillschweigende - Übereinkunft." Und Dov Weissglas, einst Chefstratege von Ex-Premier Ariel Scharon, sprach im Armee-Radio gar von einer "äußerst besorgniserregenden Entwicklung", die die Sicherheit Israels langfristig gefährden könne. Das israelische Außenministerium zeigte sich von der Forderung "verwirrt", denn "es sei schwer zu verstehen, warum auf einen Vertrag, der sich als ineffizient erwiesen hat, beharrt werden sollte. Das Wundermittel des Atomwaffensperrvertrages hat kein Land davon abgehalten, sich Atomwaffen zu besorgen, wie wir es im Fall Iran sehen können."

Die Ankündigung des neuen US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama, sich für die weltweite Ächtung von Atomwaffen einsetzen zu wollen, ist solange nicht ernst zu nehmen, als er nicht zumindest in einem ersten Schritt damit beginnt, selbst konsequent abzurüsten. Die sicherlich intern abgestimmte Äußerung der US-Unterstaatssekretärin steht vermutlich eher im Zusammenhang mit dem durchaus rational nachvollziehbaren Bestreben der USA, einen Aufstieg des Iran zur Atom-Macht zu verhindern. Da offensichtlich sowohl alle diplomatischen Offerten an das iranische Regime unter Präsident Mahmud Ahmadinedschad als auch wirtschaftliche Sanktionen und militärische Drohungen nichts ausrichten konnten, ist es naheliegend, hier einen Zusammenhang zu vermuten.

Präsident Obama scheint wenigstens so realistisch zu sein, daß er den Einstieg in einen Dreifronten-Krieg - in Afghanistan, im Irak und im Iran - zumindest in Zeiten der Weltwirtschaftskrise für aussichtlos einschätzt. Es mag hoch gepokert erscheinen, aber eine Verzichtserklärung Israels auf die Atom-Bombe wäre für den Iran so etwas wie das sprichwörtliche Angebot, das man nicht ausschlagen kann. "Was die Israelis fühlen, ist, daß Obama irgend etwas Neues in Sachen Iran tun möchte. Das könnte sehr gut etwas Neues in Sachen des israelischen (Atom-)Programm einschließen", meint Henry Sokolski, Direktor des Washingtoner nichtstaatlichen Instituts Nuclear Nonproliferation Policy Education Center.

Zumindest als Signal in diese Richtung wird die Äußerung vom 5. Mai in Ägypten interpretiert. Hossam Zaki, Sprecher des ägyptischen Außenministeriums, erklärte gegenüber der Jerusalem Post am 7. Mai: Die Versuche des Westens, den Iran von seinem Programm zur zivilen Nutzung der Kernenergie abzubringen, würden scheitern, weil diese Politik Israels Atomprogramm als "größte Bedrohung für die regionale Sicherheit nicht berücksichtigt. Israels Atomwaffen stören das Gleichgewicht im Nahen Osten und veranlassen andere Staaten zu eigenen Atomplänen."

Im März 2008 hatte die Arabische Liga gedroht, den Atomwaffensperrvertrag zu kündigen. Die Liga sagte, wenn der UN-Sicherheitsrat nicht eingeschaltet wird, um Israel unter Druck zu setzen, seine Atomwaffen aufzugeben, würde alle ihre Mitglieder den Vertrag verlassen. Und im April 2009 hatte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, in der saudischen Zeitung Al Medina gewarnt, es sei "Israels militärisches Nuklearprogramm, das die arabischen Länder beängstige, und nicht das iranische". Es sei bewiesen, daß dieses militärisch sei. Dagegen gebe es "keinerlei Hinweise, daß Iran ein militärisches Nuklearprogramm betreibt." Auch der Vorstoß des syrischen Präsident Baschar Al-Assad aus der vergangenen Woche geht in diese Richtung: "Jedes Land der Welt hat das Recht, Kernenergie für friedliche Zwecke zu nutzen, und das Recht wird durch einschlägige internationale Übereinkommen garantiert. Parteien, die Gespräche über den Verdacht auf ein militärisches Programm befürworten, sollen uns aus Gründen der Glaubwürdigkeit zeigen, was sie bezüglich des seit Jahrzehnten in Israel existierenden militärisch-nuklearen Programms unternommen haben."

Zu solchen Aussagen kann nicht oft genug wiederholt werden: Es ist hochgradig irrational und psychisch krank, wenn Regierungen auf dem Besitz von Atomwaffen beharren. Und es ist ebenso irrational und psychisch krank, wenn Regierungen unter dem Vorwand oder im ehrlichen Glauben, sich so gegen die Bedrohung durch Atomwaffen schützen zu können, selbst nach Atomwaffen streben. Einen Ausweg aus dieser unaufhörlichen Eskalation der Irrsinns könnte tatsächlich ein (erzwungener) schrittweiser Verzicht der israelischen Regierung auf Atomwaffen eröffnen. Es mag zwar unwahrscheinlich sein, daß dies Menschen wie Ahmadinedschad zum Umdenken veranlassen wird. Aber dies ist auch nicht nötig. Denn eine schrittweise atomare Abrüstung Israels würde ihn unter Zugzwang setzen und dies ist eine reale Chance, das iranische Nuklearprogramm zu stoppen. Ahmadinedschad könnte sein Gesicht wahren und die Vernichtung der israelischen Atomwaffen als seinen Erfolg verkünden.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel zum Thema

      Irans Präsident Ahmadinedschad
      und die "Anti-Rassismus-Konferenz" (23.04.09)

      Bilanz des Gaza-Kriegs
      Die Mehrheit der Israelis und der PalästinenserInnen
      sind Opfer (25.01.09)

      Vanunu endlich frei (21.04.04)

      Israels Spiel mit der Atombombe
      Israel soll einen neuen Atomtest unternommen haben
      Der Aufbau einer Nuklearflotte mit deutschen U-Booten
      schreitet voran (23.03.04)

 

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