Japanische WissenschftlerInnen belasten den Chemie-Multi
Seit den 80er Jahren wird Glufosinat als Wirkstoff in verschiedenen Pestiziden des Bayer-Konzerns verbreitet. Doch offenbar wurden bislang die Auswirkungen dieser Chemikalie auf die Entwicklung des kindlichen Gehirns nicht gründlich untersucht.
Glufosinat ist in den Bayer-Pestiziden 'Liberty' und 'Basta' enthalten, wird im Obst-, Wein-, Getreide- und Gemüsebau eingesetzt und gehört in Europa und den USA zu den meistverwendeten "Unkraut"- Vernichtungsmitteln. Als besondere Vermarktungs-Strategie setzt Bayer auf den Doppel-Pack: Die Chemikalie wird zusammen mit genmanipuliertem Saatgut angeboten. Gen-Raps, Gen-Mais, Gen-Reis oder auch Gen-Zuckerrüben wurden von Bayer so verändert, daß sie als einzige Pflanze den Gift-Angriff mit Glufosinat überstehen. Allein mit 'Liberty' und 'Basta' setzte Bayer 2004 knapp 200 Millionen Euro um. Der Chemie-Multi ist weltweit der zweitgrößte Produzent von Pestiziden und bietet in seinem Sortiment extrem gefährliche Wirkstoffe wie Parathion, Monocrotophos, Fenamiphos und Aldicarb.
Nach der Veröffentlichung einer jüngst abgeschlossenen Studie am Metropolitan Institute for Neuroscience in Tokio warnen japanische WissenschaftlerInnen vor den Gefahren des Bayer-Pestizids Glufosinat. "Wem die Gesundheit von Kindern am Herzen liegt, der sollte mit diesen Agro-Chemikalien sehr vorsichtig sein", warnt Dr. Yoichiro Kuroda. "Das menschliche Gehirn ist während seiner Entwicklung sehr empfindlich. Die Chemische Industrie hat diese Risiken bislang nicht beachtet".
Kuroda leitete die von der japanischen Regierung finanzierte Untersuchung. Die Ergebnisse dieser Studie über die Wirkungsweise hormoneller Hemm-Stoffe auf die Entwicklung des Gehirns wurden in der Fachzeitschrift 'Kagaku' veröffentlicht. Sie belegen, daß Glufosinat die Entwicklung des menschlichen Gehirns beeinträchtigen und Verhaltensstörungen hervorrufen kann. In Japan sorgte diese Information bereits zu einer heftigen öffentlichen Debatte und die international renommierte 'Japan Times'1 berichtete über die Ergebnisse der Studie.
Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) kritisiert, "daß Chemikalien über Jahrzehnte verkauft werden, ohne daß die Öffentlichkeit deren Risiken kennt. Das Beispiel Glufosinat zeigt, daß die Unternehmen notfalls gezwungen werden müssen, alle Substanzen auf Gesundheitsrisiken hin zu untersuchen und die Forschungs- ergebnisse frei zugänglich zu machen". Die CBG fordert von Bayer die Offenlegung der toxischen Analysen2 aller Chemikalien und Pestizide.
Erst vor wenigen Monaten hatte der Bayer-Konzern eine juristische Niederlage einstecken müssen: Der europäische Umweltverband 'Friends of the Earth', unter anderem Dachverband des BUND, sollte daran gehindert werden, Studienergebnisse über Risiken von Glufosinat zu veröffentlichen. Obwohl die Untersuchungen in mehreren Ländern frei zugänglich waren, wollte Bayer bei Zuwiderhandlung hohe Strafzahlungen erzwingen. Noch bis vor wenigen Jahren hatte Bayer mit der Macht einer starken Rechtsabteilung immer wieder verhindern können, daß Informationen über Gesundheitsrisiken an die Öffentlichkeit gelangten.
Petra Willaredt
Anmerkungen
1 http://www.japantimes.co.jp/cgi-bin/getarticle.pl5?nn20041207f1.htm
2 Siehe hierzu auch unseren Artikel
'Schmerzmittel vom Markt genommen' (26.12.04)