Heute, 4.07. findet um 12 Uhr 30 in Berlin am ICC (Messedamm), die Auftaktveranstaltung für das Volksbegehren
"Schluss mit dem Berliner Bankenskandal" statt.
Lange Zeit hatte sich in Berlin kaum Widerstand gegen Übernahme eines rund 22 Milliarden schweren Kredits
der praktisch pleite gegangenene Berliner Bankgesellschaft (BBG) durch den Berliner Senat und den damit von
"Rot-Rot" forcierten Sozialabbau gerührt. Jetzt scheint sich Lethargie und Fatalismus plötzlich aufzulösen.
Eine Bürgerinitiative hat sich zusammengetan, um per Volksabstimmung die Aufhebung des
"Risikoabschirmungsgesetzes" und die Auflösung der BBG zu erzwingen.
Die Massenmedien haben schon längst das Interesse am "politkriminellen Korruptionssunpf", so einer der Initiatoren,
Prof. Peter Grottian, verloren und es wurde bereits so getan als hätte es diesen Skandal im Jahre 2001 nie gegeben.
Doch den Berlinern wird immer mehr klar, daß es auch unter "Rot-Rot" nur die kleinen Leute sind, die mal wieder die
Zeche bezahlen sollen. Die Folgen des Blanco-Schecks von rund 22 Milliarden Euro werden mehr und mehr spürbar:
150 Millionen Euro an Kürzungen im Sozialbereich allein 2003 und jährlich gleichzeitig 300 Millionen Euro an Zins und
Tilgung für den Auffang-Fonds.
Zur Vorgeschichte:
"Korruption und Klientelwirtschaft sind in der über vierzig Jahre lang isolierten und hoch subventionierten "Frontstadt"
Berlin zu besonderer Blüte gelangt. Bis heute wäscht in Politik und Wirtschaft eine Hand die andere. Die Zustände in
der deutschen Hauptstadt sind jedoch keine Ausnahme - Berlin ist überall." (Umschlagtext des Buches "Berlin - Hauptstadt
von Filz und Korruption" von Mathew D. Rose) Der Skandal um die BBG im Jahre 2001 stellte nur den bisherigen
Höhepunkt dar. Bereits die Konstruktion der BBG hätte alle Alarmglocken schrillen lassen müssen. Eine
Fusion von landeseigenen und privaten Bankinstituten unter dem Dach einer privaten Holdinggesellschaft brachte
den Zugriff auf landeseigene Mittel und erlaubte, landeseigenes Kapital für den privaten Bereich haftbar zu machen.
Dem Bau- und Immobiliensektor, der in früheren Zeiten reichlich sprudelnder Subventionen stets ein großes Stück vom
Kuchen abbekommen hatte, wurden großzügige Kredite gewährt. Die Firma Aubis der CDU-Mitglieder Wienhold und
Neuling ist hier ein besonders krasses Beispiel. Aber auch viele hoch gelobte Prestige- und Vorzeige-Objekte, bei deren
Finanzierung sich die BBG engagierte, sind heute extreme Verlustquellen. Als die BBG schon nach zwei Jahren in
Schieflage geriet, wandte sie sich verstärkt dem Geschäft mit Immobilienfonds zu. In viele dieser Fonds wurden
Problemimmobilien gesteckt. Nichts desto trotz garantierte die BBG für die meist hohen Mieten - zu marktunüblich langen
Laufzeiten von 25 bzw. 30 Jahren. Und nach Ablauf der Vertragszeit sollte dann auch noch das eingezahlte Kapital
wieder zurückgezahlt werden.
Mit solcherlei Angeboten stieg die BBG in diesem Bereich zum Marktführer auf. Dies spülte erst einmal viel Geld in die
Kassen, während die negativen Folgen mit einer gewissen Verzögerung zum Tragen kamen. In der Fachwelt soll schon
früh klar gewesen sein, daß diese Fonds nur Verluste bringen konnten. Trotzdem wurden sie zum Teil auch von Leuten
"vom Fach" gezeichnet und wurden als sichere Anlagen angesehen, weil eben die Konstruktion der Bankgesellschaft
darauf hinauslief, daß am Ende die landeseigenen Banken, hinter denen die Bürger Berlins stehen, daß also letztlich
die Stadt Berlin als absolut sicherer Bürge galt.
Ausgesuchten Anleger aus dem Kreis der "oberen Zehntausend" wurden über einen sogenannten Promi- und
"Schweinefonds" besonders lukrative und unverschämte Fondseinlagen zugeschoben. Die sich lange ankündigende
Misere wurde über Jahre hin verschleiert und verschleppt. Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfungsinstitute drückten
sämtliche Augen zu.
Daß die Öffentlichkeit über die wahre Lage bewußt getäuscht wurde, zeigte sich dann in krasser Weise bei dem Versuch,
die problembeladene Immobilientochter Ibag von einer Briefkastenfirma auf den Cayman-Inseln aufkaufen zu lassen - mit
einem Kredit der BBG. Diese Handlungsweise wurde öffentlich aufgedeckt und das brachte dann schließlich doch
das Faß zum Überlaufen. Eine genaue Prüfung, die daraufhin erfolgte, deckte den Skandal auf.
Trotzdem übernahm das Berliner Abgeordnetenhaus die Risiken aus dem hoch-spekulativen, größtenteils sittenwidrigen
und kriminellen "Immobiliendienstleistungsgeschäft" der BBG in Höhe von rund 22 Milliarden Euro. Eine zwingende
politische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit dieses
Blanco-Schecks wurde - wie vom Landesrechnungshof zu Recht moniert - weder hinreichend untersucht, noch
vollständig belegt.
Berlin - und damit seine Bürger - haftet damit für Risiken, für die es nicht haften müßte. Und entgegen der offiziellen
Propaganda von der "erfolgreichen Konsolidierung" werden nach wie vor gigantische Verluste produziert, dubiose
Geschäfte abgeschlossen und die Bilanzen nach US-Vorbild frisiert. Laut einem Bericht der 'Schutzgemeinschaft
Wertpapierbesitz', der heute bei der Hauptversammlung der BBG im Berliner ICC vorgelegt werden soll, gingen 2002
allein bei einem Spekulationsgeschäft auf den Euro-Stoxx rund 400 Millionen Euro verloren. Allerdings wurde dieser
Verlust durch Bilanzierungstricks aus dem operativen Geschäftsabschluß herausgerechnet. Die BBG muß bei diesem
risikoreichen Geschäft rund 1,2 Milliarden aufs Spiel gesetzt haben. Dies entspricht rund zwei Drittel des Betrages,
den die BBG 2002 von Berlin als Kapitalspritze erschnorren konnte. Eine Kapitalspritze, die angeblich unabdingbar
war, um die BBG am Leben zu erhalten.
Wie bei so vielen anderen Unternehmen auch (siehe auch:
'Topmanager als Totengräber des Kapitalismus') gab es auch hier einen
Wachstumsbereich, der in umgekehrtem Verhältnis zum Geschäftserfolg steht. Die leitenden Manager der BBG
stockten ihre Rückstellungen für Pensionsansprüche schamlos von 3 Millionen im Gründungsjahr 1994 auf inzwischen
41 Millionen Euro auf. Und während massiver Sozialabbau betrieben wird und allein bei den Berliner Kindertagesstätten
69 Millionen Euro gekürzt werden, sollen auf der heutigen Hauptversammlung die Aufsichtsratsbezüge von 4000 auf
15000 Euro pro Jahr angehoben werden.
Auch das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen (BaFin), das auf Berlin Druck ausgeübt hatte die
"Risikoabschirmung" über rund 22 Milliarden zu übernehmen, scheint seiner Aufsichtspflicht nicht nachzukommen
und macht von seinem Recht auf Sonderprüfungen gegenüber der BBG keinen Gebrauch. KritikerInnen vermuten:
"Es wird nicht geprüft, weil das Land ohnehin alles absichert."
Die Sammlung von Unterschriften für das Volksbegehren beginnt heute Mittag vor dem ICC Berlin. Die InitiatorInnen haben
zudem ein buntes Programm für ihre Veranstaltung angekündigt. Bis Dezember müssen mindestens 25.000 Unterschriften
zusammen sein, damit das Volksbegehren zugelassen wird. Beim Volksbegehren selbst müssen dann 10 Prozent der
Berliner Wahlberechtigten - also rund 248.000 Personen - dem Begehren schriftlich zustimmen, damit Regierung und
Parlament gezwungen sind, es umzusetzen. Sollte sie sich weigern, die geforderten Gesetzesänderungen zur
Risikoabschirmung und zur Auflösung der BBG zu erlassen, ist ein Volksentscheid unumgänglich.
Es kann also noch viel Zeit vergehen. Entscheidend aber ist, daß mit dieser Initiative das öffentliche Augenmerk auf
die vielfältigen Formen der Umverteilung von unten nach oben gelenkt wird
(Siehe auch: 'Reiche werden noch reicher'). Und es wird nicht länger die Lüge vom
"Sparen" hingenommen.
Harry Weber