2.03.2004

Artikel

Berliner Bankenskandal
und Verfassungsbruch

Bei einer Pressekonferenz am gestrigen Montag erhob die BI >Volksbegehren Berliner Bankenskandal< den Vorwurf des Verfassungsbruchs

Am 16.04.2002 gab das Berliner Abgeordnetenhaus seine Zustimmung zum sogenannten Risikoabschirmungsgesetz. Damit übernahm das Land Berlin die Haftung in Höhe von 21,6 Milliarden Euro für die pleite gegangene Berliner Bankgesellschaft. Verfassungsrechtler Professor Albrecht Dehnhard warf nun auf der gestrigen Pressekonferenz den verantwortlichen PolitikerInnen Verfassungsbruch vor.

Laut Dehnhard war das Abgeordnetenhaus zum damaligen Zeitpunkt keineswegs ermächtigt, für die Verbindlichkeiten der Berliner Bankgesellschaft quasi mit einer "Blankovollmacht" zu bürgen. "Der Haftungsrahmen muß auf der Grundlage einer sorgfältigen Einschätzung der Risiken bestimmt werden. Eine nachvollziehbare Wirtschaftlichkeitsrechnung ist offenbar bei der Vorbereitung des Gesetzes nicht vorgenommen worden", erläuterte Dehnhard. Nach Haushaltsrecht und Berliner Landesverfassung sei dies jedoch zwingend vorgeschrieben. Hinzu komme, so Dehnhard, daß die Abgeordneten im April 2002 gar nicht in der Lage waren, den Sachstand zu prüfen. Allein aus diesen beiden Gründen, habe das Gesetz bereits gegen die Verfassung verstoßen und dürfe daher "nicht zur Anwendung kommen". Nun ist es allerdings nicht so einfach, auch faktisch die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes feststellen zu lassen. Dazu benötigt es in Berlin mindestens 37 Abgeordneter, die gegen das Gesetz klagen. Doch dies erscheine keinesfalls aussichtslos, so Dehnhard.

Ebenfalls für die BI >Volksbegehren Berliner Bankenskandal< griff Professor Rolf Kreibich die Sanierungspläne des Senats und insbesondere von Finanzsenator Sarrazin an und kritisierte, daß diese Pläne nicht greifen könnten. Kreibich verwies auf die aktuelle, desaströse Wirtschaftssituation Berlins. Von 2002 auf 2003 gingen die Aufträge der Unternehmen um fünf Prozent zurück - bei den Exportaufträgen betrug der Rückgang sogar acht Prozent. 40 Prozent der Immobilien der Berliner Bankgesellschaft seien "entmietet", so Kreibich. Ein Teil der Immobilien bestehe schlichtweg aus "Bauruinen". Gewinne seien von der Berliner Bankgesellschaft nicht zu erwarten. Im Gegenteil müsse in naher Zukunft mit einem Zusammenbruch großer Teile der Immobilienfonds gerechnet werden.

Professor Kreibich erklärte wörtlich: "Der Senat hat für diese Schrottimmobilien eine feste Mietgarantie zu Lasten der Berliner Bürger übernommen". Bei den offenliegenden Negativzahlen sei völlig unerklärlich, wie Sarrazin ein Sanierungskonzept umsetzen wolle. Finanzsenator Sarrazin plant, die Bilanzsumme der Bank von 200 auf 142 Milliarden Euro abzuschmelzen. Eine Ertragsverbesserung in Höhe von 188 Millionen soll durch Kostensenkung erreicht werden. Doch daran glaubt offensichtlich auch der offizielle Sanierungsberater der Berliner Bankgesellschaft nicht. Dieser teilte Sarrazin mit, es seien noch lange nicht alle Risikofelder der Bank bekannt. Daher sei völlig unklar, wie hoch der Schuldenberg der Bank tatsächlich ist.

Der Geschäftsbericht der Bank von 2002 weist Gesamtrisiken in Höhe von 71 Milliarden Euro aus. Wie hoch sie jedoch tatsächlich seien, könne aber niemand wissen, erklärte Kreibich. Der Senat müsse sofort handeln, um eine weitere Verschuldung vom Land Berlin abzuwenden. Dazu schlägt die BI ein Fünf-Punkte-Sofortprogramm vor. Darin werden die "unverzügliche Entflechtung der Bankholding" und die Rettung der "gesunden Teile der Bank" gefordert. Die Berliner Bankgesellschaft müsse sich sofort von allen Managern trennen, die für das Fiasko Verantwortung tragen. Weiter Forderungen sind die Rücknahme der Risikoabschirmung und die unverzügliche Durchführung der Gerichtsprozesse gegen die Verursacher der Pleite.

 

Harry Weber

 

Anmerkung:
Siehe auch unseren Artikel
    'Zensur durch Berliner Zeitungen' v. 16.02.04

 

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