Neue Studie:
Guttationswasser gefährlicher als Beizmittel-Staub
Laut einer aktuell veröffentlichten Studie von Professor Vincenzo Girolami, Universität von Padua, können auch junge Maispflanzen, die aus gebeiztem Saatgut wachsen, eine tödliche Gefahr für Honigbienen und andere Insekten darstellen.
Bisher wurden hochgiftige Insektizide im Ackerbau zugelassen, wenn die zuständigen Ämter davon ausgingen, daß Bienen nicht mit diesen Mitteln in Berührung kommen. Hierzu zählt das Beizmittel Clothianidin, das nach der Mais-Aussaat 2008 europaweit massive Bienenvergiftungen verursachte.1 Nach dem jetzigen Stand der Untersuchungen hatte der von Aussaatmaschinen verbreitete Staub, der das an den Maiskörnern haftende Beizmittel Clothianidin enthielt, allein in Südbaden mehr als tausend Bienenvölker und damit mehrere Millionen Honigbienen und eine Vielzahl anderer Insekten vergiftet.
Die neue italienische Studie hat nun zu Tage gebracht, daß neben dem giftigen Beizstaub, der bei der Aussaat in die Umwelt gelangt, die jungen Maispflanzen selbst eine hochgiftige Gefahrenquelle für Bienen darstellen. Das Guttationswasser und der Tau an diesen Pflanzen kann für Insekten, die diese Pflanzen als "Tränke" nutzen, tödlich sein.
Als Guttation wird eine bestimmte Form der Wasserabgabe bei Pflanzen bezeichnet: Bei reichlicher Wasserversorgung und höherer Luftfeuchte, die eine vollständige Transpiration behindert, wird hierbei Wasser über Öffnungen an den Blattspitzen in Tropfenform abgegeben. Guttationen treten besonders auf, wenn der Boden sehr feucht und wärmer als die Luft ist und zudem noch eine hohe Luftfeuchtigkeit besteht. Für die Pflanzen ist es dann unmöglich, Wasser zu verdunsten. Sie drücken dann überschüssiges Wasser durch die Spaltöffnungen nach außen.
Mit diesem Guttationswasser werden laut der Girolami-Studie Neonicotinoiden aus dem Beizmittel von den Maispflanzen abgesondert. In Tropfen des Guttationswassers wurden Insektizid-Konzentrationen von 10 - 100 ppm gemessen - absolut tödlich für jedes Insekt, das dieses Wasser aufnimmt. Die mittlere tödliche Dosis Dosis für eine Biene bei oraler Aufnahme liegt bei 0,15 ppm.
Gebeizte Maispflanzen stellen demnach über mehrere Wochen eine Gefahr für Bienen dar. Erst ab einer Pflanzengröße von circa 40 Zentimeter scheint das Guttationswasser für Insekten weniger gefährlich zu sein. Sowohl Freiland-Untersuchungen aus 2008 als auch Laborversuche zeigen, daß Bienen, die Guttationswasser mit entsprechenden Neonicotinoid-Konzentrationen aufgenommen haben, nach 2 bis 5 Minuten verenden.
Vor dem Hintergrund der Girolami-Studie sieht der Deutsche Berufs- und Erwerbs-Imker-Bund in den neonicotinoiden Saatgutbeizen eine Verletzung des Bienenschutzes laut BienSchV 1992 und fordert einen sofortigen Ausbringungsstop aller neonicotinoider Saatgutbeizen im Mais und Sommergetreide.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe hierzu auch unsere Artikel:
Italien verbietet Bienengift Clothianidin
Druck der ImkerInnen erfolgreich (19.09.08)
Maiswurzelbohrer erneut in Südbaden
Millionen Bienen im Frühjahr sinnlos vergiftet (23.07.08)
Bayer-Chemikalie Clothianidin gestoppt
Zusammenhang mit Bienensterben nun doch nachgewiesen
(17.05.08)
Bayer-Chemikalie Clothianidin in toten Bienen
Angeblich "kein klarer Zusammenhang" (9.05.08)
Bienensterben wegen Bayer-Chemikalie Clothianidin?
Kam das Gift aus Obstplantagen oder von Maisäckern? (6.05.08)
Bienensterben in Baden
Ursache Agro-Chemikalien? (27.04.08)