Vor wenigen Tagen, am 29.01., hatten wir vorhergesagt, daß Beweise zu Tage kommen werden, daß der britische Premierminister Blair vor Beginn des Irak-Kriegs tatsächlich über präzise Geheimdienst- informationen zum Stand der Bewaffnung im Irak verfügte.1 In den letzten Tagen nun änderte Blair seine Strategie. Er behauptet nicht mehr länger, es seien mit Sicherheit Massenvernichtungswaffen im Irak vorhanden gewesen. Erstmals versucht er nach dem Vorbild des US-amerikanischen Präsidenten Bush, dem Geheimdienst die Verantwortung zuzuschieben2, indem er von fehlerhaften Informationen redet. Nun tritt der ehemalige britische Geheimdienstchef Brian Jones an die Öffentlichkeit. Er bestreitet die von Blair mit der Hilfe der Hutton-Untersuchung aufgebaute Darstellung, die von der Blair-Regierung als entscheidender Kriegsgrund behaupteten Massenvenichtungswaffen im Irak seien in Folge von fehlerhaften Informationen der Geheimdienste als real eingeschätzt worden.
Jones, bis letztes Jahr Chef des militärischen Geheimdienstes DIS (Defence Intelligence Staff), erklärte der Zeitung 'Independent', kein einziger seiner Geheimdienstmitarbeiter habe die Irak-Darstellung von Blair unterstützt. Das von Blair und seinen "spin doctors" im September 2002 präsentierte Dossier mit angeblich unbezweifelbaren Beweisen sei, so Jones im 'Idependent', "irreführend" gewesen - insbesondere in Hinblick auf chemische und biologische Waffen "(...) wurden die erfahrenen Geheimdienstanalysten der DIS bei der Vorbereitung des Dossiers im September 2002 überstimmt, was zu einer Veröffentlichung führte, die in Bezug auf die Kapazitäten des Iraks irreführend war". Jones bezweifelt, daß Experten für chemische und biologische Waffen jemals die ungeprüften Geheimdienstinformationen zu Gesicht bekamen, die von einem einzigen Informanten stammten und offenbar vorsichtshalber oder nur aus Eile niemals überprüft wurden. Jones fordert nunmehr von Blair, diese Geheimdienstinformationen vorzulegen, damit er und seine Kollegen beweisen können, daß ihre Zweifel berechtigt waren. Schon während der Hutton-Untersuchung hatte Jones darauf hingewiesen, daß er das Dossier bereits vor dem Irak-Krieg offiziell kritisiert habe. Die britische Regierung aber habe seine Beschwerden beiseite geräumt und behauptet, andere Geheimdienste seien besser informiert.
Harry Weber
Anmerkungen:
1 Siehe unseren Artikel
'Hutton beschafft Alibi' v. 29.01.04
2 Siehe unseren Artikel
'Der Anfang vom Ende des Tony Blair' v. 18.07.03