17.09.2003

Artikel

Blair unter Buch-Druck

Enthüllungen über Innenminister Straw erhöhen den Druck auf Blair

Ein Buch mit dem Titel "Blairs Krieg", das am Wochenende in Großbritannien erschien, aber eigentlich von den Hintergründen von Bushs Krieg, genauer: der Sicherung der Kohlenwasserstoff- Ressourcen, handelt, setzt dem britischen Premierminister Tony Blair mit der Veröffentlichung eines bisher geheimen Memorandums zu.

Der auf Labour spezialisierte Journalist John Kampfner hat ein Buch um ein explosives Schriftstück herum gebastelt, das der britische Innenminister Jack Straw wenige Tage vor dem Irak-Krieg an seinen Chef gesendet hatte. Bisher genoß Straw den Nimbus des unbedingt loyalen Blair-Palladins, der seinen Chef und dessen Beteiligung am vornehmlich der US-Energiewirtschaft nützlichen Krieg um jeden Preis verteidigte. Blair hatte Straw zur absoluten Geheimhaltung des Memorandums verpflichtet und bis dato war keinem von beiden eine Stellungnahme zum Inhalt zu entlocken. Wie John Kampfner in den Besitz des Schriftstücks kam, ist zwar unbekannt, der Ruf des Weltklasse-Journalisten steht jedoch für die Autentizität: Gewissermaßen in letzter Minute hatte Straw seinen Premier geradezu angefleht, Großbritannien wegen des vorhersehbaren "enormen Schadens" nicht in den Krieg zu führen, sondern es bei einer lediglich "politischen und moralischen" Unterstützung der USA zu belassen.

Nun wird in Großbritannien darüber spekuliert, ob etwa Straw selbst, dem Gelüste, Blair im Amt des Premierministers zu folgen, nachgesagt werden, das Papier lancierte. Zumindest ist offensichtlich, daß ihm der Zeitpunkt der Veröffentlichung gelegen kommt. Denn in Anbetracht der dramatisch fallenden Umfrage-Werte Blairs ist Straw in den letzten Wochen zunehmend bemüht, sich als Nachfolger Blairs zu positionieren.

Der Druck auf Blair hat sich seit dem Tod des B-Waffen-Experten David Kelly durch immer neue Enthüllungen zusehends erhöht und wie die Veröffentlichung des ehemaligen Umweltministers unter Blair, Michael Meacher, vom 6.09. im 'Guardian' zeigt1, wird die Nervosität in den Führungskreisen der Labour-Party und der entscheidenden Wirtschaftsfunktionäre immer angespannter. Ausschlaggebend dürften dabei allerdings weniger moralische Erwägungen sein, die denn ansonsten monatelang optimal getarnt waren, sondern die im Zuge des nicht enden wollenden Irak-Krieges explodierenden Kosten.

Finanzminister Gordon Brown hat sich ausgerechnet in diesen für Blair so stürmischen Tagen erdreistet, darauf hinzuweisen, daß auch für Großbritannien die Kosten des Irak-Kriegs untragbare Dimensionen annehmen und "die britische Wirtschaft vom Kurs abbringen" können. Um eine Milliarde Pfund auf insgesamt 4,5 Milliarden würden die Kosten in diesem Jahr ansteigen und damit drohen sie, den britischen Staats-Etat zu sprengen. Auch in Großbritannien sieht die wirtschaftliche Lage nicht rosig aus und es muß im laufenden Haushaltsjahr mit einem Defizit von nahezu 50 Milliarden Pfund gerechnet werden. Auf der anderen Seite des großen Teichs spricht US-Außenminister Powell bereits offen seine Frustration über den Irak-Krieg aus, über die "hohen Investitionen, die sich noch nicht amortisiert hätten". Und da dürfen die Briten wohl nicht mehr damit rechnen, von der vermeintlich fetten Beute jemals mehr denn "Investitionen" verbuchen zu können.

 

Harry Weber

 

Anmerkungen:
1 siehe auch unseren Artikel
'Meacher schlägt Blair' v. 7.09.03

 

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