Enthüllungen über Innenminister Straw erhöhen den Druck auf Blair
Ein Buch mit dem Titel "Blairs Krieg", das am Wochenende in Großbritannien erschien, aber eigentlich von den
Hintergründen von Bushs Krieg, genauer: der Sicherung der Kohlenwasserstoff- Ressourcen, handelt, setzt dem
britischen Premierminister Tony Blair mit der Veröffentlichung eines bisher geheimen Memorandums zu.
Der auf Labour spezialisierte Journalist John Kampfner hat ein Buch um ein explosives Schriftstück herum gebastelt,
das der britische Innenminister Jack Straw wenige Tage vor dem Irak-Krieg an seinen Chef gesendet hatte. Bisher
genoß Straw den Nimbus des unbedingt loyalen Blair-Palladins, der seinen Chef und dessen Beteiligung am
vornehmlich der US-Energiewirtschaft nützlichen Krieg um jeden Preis verteidigte. Blair hatte Straw zur absoluten
Geheimhaltung des Memorandums verpflichtet und bis dato war keinem von beiden eine Stellungnahme zum Inhalt
zu entlocken. Wie John Kampfner in den Besitz des Schriftstücks kam, ist zwar unbekannt, der Ruf des
Weltklasse-Journalisten steht jedoch für die Autentizität: Gewissermaßen in letzter Minute hatte Straw seinen
Premier geradezu angefleht, Großbritannien wegen des vorhersehbaren "enormen Schadens" nicht in den Krieg zu
führen, sondern es bei einer lediglich "politischen und moralischen" Unterstützung der USA zu belassen.
Nun wird in Großbritannien darüber spekuliert, ob etwa Straw selbst, dem Gelüste, Blair im Amt des Premierministers
zu folgen, nachgesagt werden, das Papier lancierte. Zumindest ist offensichtlich, daß ihm der Zeitpunkt der
Veröffentlichung gelegen kommt. Denn in Anbetracht der dramatisch fallenden Umfrage-Werte Blairs ist Straw
in den letzten Wochen zunehmend bemüht, sich als Nachfolger Blairs zu positionieren.
Der Druck auf Blair hat sich seit dem Tod des B-Waffen-Experten David Kelly durch immer neue Enthüllungen zusehends
erhöht und wie die Veröffentlichung des ehemaligen Umweltministers unter Blair, Michael Meacher, vom 6.09. im 'Guardian'
zeigt1, wird die Nervosität in den Führungskreisen der Labour-Party und der entscheidenden
Wirtschaftsfunktionäre immer
angespannter. Ausschlaggebend dürften dabei allerdings weniger moralische Erwägungen sein, die denn ansonsten
monatelang optimal getarnt waren, sondern die im Zuge des nicht enden wollenden Irak-Krieges explodierenden Kosten.
Finanzminister Gordon Brown hat sich ausgerechnet in diesen für Blair so stürmischen Tagen erdreistet, darauf
hinzuweisen, daß auch für Großbritannien die Kosten des Irak-Kriegs untragbare Dimensionen annehmen und "die
britische Wirtschaft vom Kurs abbringen" können. Um eine Milliarde Pfund auf insgesamt 4,5 Milliarden würden die
Kosten in diesem Jahr ansteigen und damit drohen sie, den britischen Staats-Etat zu sprengen. Auch in Großbritannien
sieht die wirtschaftliche Lage nicht rosig aus und es muß im laufenden Haushaltsjahr mit einem Defizit von nahezu 50
Milliarden Pfund gerechnet werden. Auf der anderen Seite des großen Teichs spricht US-Außenminister Powell bereits
offen seine Frustration über den Irak-Krieg aus, über die "hohen Investitionen, die sich noch nicht amortisiert hätten".
Und da dürfen die Briten wohl nicht mehr damit rechnen, von der vermeintlich fetten Beute jemals mehr denn "Investitionen"
verbuchen zu können.
Harry Weber
Anmerkungen:
1 siehe auch unseren Artikel
'Meacher schlägt Blair' v. 7.09.03