7.09.2003

(aktualisierte Fassung v. 13.09.)
zum Vergleich: die ursprüngl. Fassung

Meacher schlägt Blair

"This war on terrorism is bogus"

Kaum zu glauben: Eine schon vom Schachbrett verschwundene Figur schlägt den König der eigenen Farbe, indem sie ihn zum Bauern degradiert. Michael Meacher, britischer Umweltminister von Mai 1997 bis Juni 2003 (Rücktritt wegen der USA-freundlichen Öffnung des Marktes für Gen-Food1), legt in der Samstags-Ausgabe des 'Guardian' die US-amerikanischen Beweggründe für den Irak-Krieg offen und stellt damit Premier Tony Blair bloß.

In den letzten Wochen wurde in den britischen Massen-Medien aus Anlaß des Todes des B-Waffen-Experten David Kelly noch darüber spekuliert, wie groß die Gefahr irakischer Massenvernichtungswaffen nun tatsächlich gewesen sei und ob Tony Blair etwa mit jenen ominösen 45 Minuten nicht doch ein wenig übertrieben habe. Da platzt Blairs langjähriger Umweltminister Michael Meacher mit der Behauptung in die Debatte, all dies habe überhaupt keine Rolle gespielt. Das Schlagwort vom "Krieg gegen den Terrorismus" sei nichts als Verdummung und die Anschläge vom 11. September 2001 seien nur als willkommener Vorwand benutzt worden. Beide Kriege seit dem 11. September 2001, sowohl der Afghanistan-Krieg als auch der Irak-Krieg, seien von langer Hand geplant gewesen und einzig und allein mit dem Ziel geführt worden, die globale Dominanz der USA zu sichern und auszubauen und zugleich den Zugriff auf die Ölquellen am Kaspischen Meer und im Mittleren Osten zu erhalten.

Und um Blairs Argumentation völlig den Boden zu entziehen, schreibt Meacher, die britische Regierung habe sich nur deshalb so bereitwillig an diesen Kriegen beteiligt, weil auch die eigene Energieversorgung in naher Zukunft in Frage gestellt ist. Als ehemaliges Kabinetts-Mitglied hat Meachers Wort besonderes Gewicht.

Michael Meacher führt aus, daß die "Blaupause für die globale Pax Americana" bereits ein Jahr vor "nine-eleven", nämlich im September 2000 von Dick Cheney (heute Vize-Präsident), Donald Rumsfeld (Verteidigungsminister), Paul Wolfowitz (Rumsfelds Staaatssekretär), Jeb Bush (George W. Bushs jüngerem Bruder) und Lewis Libby (Cheneys Stabs-Chef) niedergelegt wurde. Das als "Wiederaufbau der Amerikanischen Verteidigung" (Rebuilding America's Defences) betitelte Papier war ein Produkt des einflußreichen PNAC (Project for the New American Century). In diesem Plan - so hebt Meacher hervor - sei das Ziel "die militärische Kontrolle über die Golf-Region gleichgültig, ob dabei Saddam Hussein an der Macht sei oder auch nicht". Wörtlich zitiert er daraus: "..., während der ungelöste Konflikt mit dem Irak die unmittelbare Rechtfertigung liefert, wird der Zweck des Regimes von Saddam Hussein von der Notwendigkeit einer substantiellen Militärpräsenz der USA am Golf transzendiert."

Das PNAC-Papier führe ein anderes Positions-Papier aus dem Umfeld von Wolfowitz und Libby weiter, in dem - so zitiert Meacher - ausgeführt wird, die USA müsse "führende Industienationen entmutigen, unsere Führungsrolle in Frage zu stellen oder auch nur auf eine größere regionale oder globale Rolle zu hoffen." In seinem Beitrag im 'Guardian' zeigt Meacher daran anschließend auf, wie diese Pläne vor, während und nach "nine-eleven" zum "globalen Krieg gegen Terror" umgeformt wurden.

Dies sei laut Meacher auf mehreren Wegen unternommen worden: "Zunächst, es ist klar, daß die US-Führung wenig oder nichts taten, um die Ereignisse des 11.09. zu verhindern. Es ist bekannt, daß nicht weniger als 11 Länder der US-Regierung dringende Warnungen vor den "nine-eleven"-Angriffen lieferten. Zwei Senior-Experten des Mossad (israelischer Geheimdienst, d.R.) waren im August 2001 nach Washington entsandt worden, um CIA und FBI vor einer Zelle von 200 Terroristen zu warnen, von denen es hieß, sie bereiteten eine große Operation vor ('Daily Telegraph', 16.09.2001). Die Liste, die sie lieferten, enthielt die Namen von vier der "nine-eleven"-Flugzeugentführer, von denen keiner festgenommen wurde."

Weiter weist Meacher darauf hin: "Es war bereits seit 1996 bekannt, daß Pläne existierten, Ziele in Washington mit Flugzeugen zu attackieren. Dann wurde 1999 in einem Bericht eines US-Geheimdienst-Rates festgehalten, daß >>Al Quaida mit Selbstmordattentätern ein Flugzeug beladen mit hochexplosivem Material ins Pentagon, ins Hauptquartier des CIA oder ins Weiße Haus stürzen lassen könnte.<<"

Meacher präsentiert hier keine neue Verschwörungstheorie. In Hinblick auf die entscheidende Frage, zu welchem Zweck die beiden letzten Kriege der USA, der in Afghanistan und der im Irak, geführt wurden, spielen die Hintergründe des 11. September 2001 auch nur eine sekundäre Rolle. Denn ganz klar geht aus den von Meacher zusammengestellten Informationen hervor:

1. "Nine-Eleven" diente nur als Vorwand für die beiden Kriege. Sie hatten einen anderen Zweck als Rache oder Terror-Bekämpfung.

2. Auch alle nachgeschobenen Begründungen wie die angeblichen Massenvernichtungswaffen, über die Saddam Hussein verfügt hätte, dienten nur der Verschleierung des wahren Zwecks. Und die derzeitige Debatte in Großbritannien aus Anlaß des Todes von David Kelly über mehr oder weniger gefälschte Geheimdienstberichte lenkt ebenfalls vom Kern der Sache ab.

3. Der entscheidende Punkt ist, zu welchem Zweck die Kriege tatsächlich geführt wurden - in Michael Meachers eigenen Worten:

"Der Schluß, der aus all diesen Analysen zu ziehen ist, kann kein anderer sein, als daß der "globale Krieg gegen den Terror" nur ein politischer Mythos ist, um den Weg für eine ganz andere Agenda zu bereiten: Das US-Ziel einer weltweiten Hegemonie, die um die militärische Sicherung der Öl-Vorräte herum errichtet ist, während diese zugleich zur Führung des gesamten Projekts dienen."

Inzwischen hat die US-Botschaft in London äußerst heftig mit einem Kommuniqué reagiert, in dem es heißt: "Behauptungen, die US-Regierung habe mit Absicht tatenlos zugeschaut, wie Terroristen in New York, Pennsylvania und Virginia fast 3000 Unschuldige töteten, wären ungeheuerlich und äußerst beleidigend, kämen sie denn von einer ernsthaften oder glaubwürdigen Person".

In Großbritannien, den USA, aber auch in Deutschland haben die Massenmedien bisher jegliche Berichterstattung über die Äußerungen Meachers im 'Guardian' unterschlagen.2 Und dies, obwohl Michael Meacher kaum abgesprochen werden kann, eine "ernsthafte oder glaubwürdige Person" zu sein. Meacher ist seit 33 Jahren britischer Abgeordneter und war bereits in den 70er Jahren in Labour-Regierungen unter Wilson und Callaghan Minister. Unter Blair war er britischer Umweltminister von Mai 1997 bis Juni 2003.

Zwar ist keine der von Meacher präsentierten Informationen neu und sie waren bereits alle - wie er sorgfältig dokumentiert - an verschiedensten Stellen, zu unterschiedlichen Zeiten und inmitten einer Fülle von Desinformation verstreut, aber ohne Ausnahme in renommierten Medien veröffentlicht. Allein die Kombination der Puzzle-Teile, die durch die Art ihrer bisherigen Veröffentlichung dem breiten Publikum ohne Bedeutung erscheinen mußten, und ihre stringente Präsentation durch ein prominentes Mitglied der britischen Labour Party machen sie zu einem Explosiv-Stoff.

Michael Meacher bleibt in seinen Überlegungen ganz nationalistisch, indem er die Frage aufwirft, ob Tony Blair mit seiner Politik lediglich US-amerikanischen Interessen dient oder eigenen, unabhängigen britischen Zielen. Und er fordert einen radikalen Kurswechsel. Dies heißt im Klartext: den Sturz Tony Blairs.

 

Harry Weber

 

Anmerkungen:
1 Siehe auch unseren Artikel:
    Gen-Food-Industrie stürzt britischen Umwelt-Minister v. 27.06.03
2 Siehe den gesamten Artikel von Michael Meacher
    Dieser Krieg gegen den Terrorismus ist Verdummung -
    Die Angriffe vom 9.11. lieferten den USA einen idealen Vorwand,
    um unter Gewaltanwendung ihre globale Dominanz zu sichern
    www.guardian.co.uk/september11/story/0,11209,1036685,00.html
    in deutscher Übersetzung in unserer Dokumentation

 

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