16.10.2003

CASTOR-Transport
in der Schweiz

erinnert an Reaktorkatastrophe von Lucens

Zwischen Lucens und dem grenznahen atomaren Zwischenlager Würenlingen1 fand kürzlich ein CASTOR-Transport statt. Lucens ist als AKW-Standort unbekannt und nur wenige erinnern sich noch an die schweizer Reaktorkatastrophe von Lucens.

Bevor die Schweiz AKW-Fertigprodukten US-amerikanischer Bauart den Zuschlag gab (das AKW Berznau wurde von Westinghouse zu Dumpingpreisen angeboten), versuchten es die Schweizer mit einem AKW der Marke Eigenbau. Ein Konsortium schweizer Unternehmen startete zu Beginn der 60er Jahre in einer Felskaverne in der Nahe von Lucens das Projekt eines immerhin 9 Megawatt starken Versuchsreaktors. Bereits in der Testphase geriet der Reaktor außer Kontrolle. Es kam zur Katastrophe und erst Jahre darauf wurde den Wissenschaftlern klar, daß die Expolsion am 21. Januar 1969 durch eine Kernschmelze ausgelöst worden war. Die Explosion war so gewaltig, daß der Reaktor völlig zerstört wurde.

Erst 1971 waren die Zerlegungs- und Dekontaminationsarbeiten abgeschlossen. Und erst 1979 lag der Untersuchungsbericht vor, der den Hergang der Katastrophe rekonstruierte. Diesem Bericht zufolge war glücklicherweise die Kettenreaktion zusammengebrochen und das austretende Kühlmittel gelangte in die Kaverne. Es entwich - so der Bericht - keine Radioaktivität in die Biosphäre. Nur einem unglaublichen Zufall ist es zu verdanken, daß sich zur Zeit der Explosion niemand in der Kaverne befand. Da sich der Reaktor von Lucens unter der Erde liegt, konnte zumindest ein großer Teil der Radioaktivität in der Kaverne zurückgehalten werden. In der Untersuchungskommission, welche die Folgeschäden der Reaktorkatastrophe untersuchte, saßen allerdings ausnahmslos Experten aus Gremien, welche die Betriebsbewilligung für Lucens erteilt hatten.

Allerdings wurde die Kaverne erst nach dem Unfall zugemauert, was die Untersuchungskommission nicht davon abhielt, eine nur geringfügige radioaktive Belastung der örtlichen Bevölkerung zu behaupten. Radioaktives Inventar aus Lucens wurde nunmehr dieser Tage in sechs CASTOR-Behältern ins Zwischenlager Würenlingen transportiert. Das Medienecho ist sehr gering, was nicht verwunderlich ist. Über die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wurde in weit größerem Umfang auch noch Jahre danach berichtet, während über die Katastrophen von Sellafield (GB), Harrisburg (USA), Tokaimura (Japan) oder Lucens der Mantel des Vergessens ausgebreitet wird. Damit wird der Eindruck gefördert, nur im "unsicheren Rußland" seien atomare Unfälle denkbar.

Doch auch mit der Lagerung im Würenlinger "ZWILAG" ist das Kapitel Lucens noch lange nicht abgeschlossen. Das radioaktive Material wird noch für hunderttausende von Jahren unsere Nachkommen belasten.

 

Ute Daniels (nach Infos von Axel Mayer und Uli Faigle)

 

Anmerkung:
1 Siehe auch unsere Artikel:
'Hier strahlt die Schweiz: Atomklo am Hochrhein'
      atomare Bedrohung im Dreyeckland - schweizer Hoheitsgebiet
'Atomklo Würenlingen (Schweiz) -
      extreme Rechenfehler unfähiger Nuklearexperten' (25.10.2000)
'CASTOR nach Würenlingen' (22.01.2001)

 

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