Die Schweizer Endlager-Suche
Am 16. Juni erschien unter der Überschrift "Dem Ton auf der Spur" ein
Artikel in der 'Badischen Zeitung' auf Seite 3, der sicherlich von Vielen auf den
ersten Blick als einigermaßen kritisch wahrgenommen wurde. Der Autor, Franz Schmider,
galt bisher als in Umwelt-Themen kritischer Journalist. Außer der
für AKW-GegnerInnen ins Auge springenden verharmlosenden Angabe von
200.000 Jahren, die ein Endlager für hochradioaktiven Müll diesen von
der Biosphäre zurückhalten müßte, enthielt der Artikel drei weitere
eklatante Fehldarstellungen. Bei einer journalistisch einwandfreien
Arbeit dürfte zumindest erwartet werden, daß die Fakten nicht
einseitig, sondern auch aus der Sicht der Endlager-GegnerInnen
präsentiert werden.
1. "Vor allem sind von Anfang an klare Kriterien festgehalten, nach
denen die Suche erfolgt,..."
Die Anti-AKW-Bewegung weist bereits seit vielen Jahren darauf hin,
daß die ursprünglich in der Schweiz vorgesehenen Kriterien für ein
atomares Endlager immer wieder aufgeweicht wurden. Sie wies zudem
darauf hin, daß die physikalischen Anforderungen an ein Endlager für
hochradioaktiven Müll von der NAGRA immer wieder gerade dann
heruntergeschraubt wurden, wenn die Ergebnisse der Erkundungen
ansonsten eine Aufgabe der Endlager-Pläne erzwungen hätten. Und in
ganz Europa wies die Anti-AKW-Bewegung darauf hin, daß es wohl kein
Zufall sein könne, daß "geeignete" Endlager-Standorte ausgerechnet in
Grenznähe zu Nachbarstaaten entdeckt wurden: Gorleben an der
damaligen Grenze zur DDR, das französische Bure an der Grenze zu
Deutschland und das schweizerische Benken ebenfalls an der Grenze zu
Deutschland.
Da die im Artikel getroffene Aussage vom deutschen Öko-Institut
bestätigt wurde, muß darauf hingewiesen werden, daß sich das Öko-
Institut bereits im Januar 2004 mit einer nachlässigen Arbeit, für
die Schweizer AtomkraftgegenerInnen 30.000 Franken bezahlen mußten, in
der Frage der Endlager-Problematik als inkompetent erwiesen hat.
Etliche weitere Fauxpas im Laufe der vergangenen Jahre, über die sich
unter anderen auch der Präsident von Eurosolar, Hermann Scheer,
öffentlich geäußert hat, lassen zumindest Zweifel daran aufkommen, ob
das Öko-Institut noch als Anwalt des Umweltschutzes gelten kann.
2. "In einem zweiten Schritt hat die NAGRA alle Opalinustonschichten
ermittelt und dann jene ausgeschlossen, die in einer Erdbebenzone
oder nicht tief genug liegen und die nicht groß genug sind."
In Fachkreisen ist bekannt, daß unter den Anforderung an homogene
geologische Schichten, die in der Lage wären, hochradioaktiven Müll
als Endlager aufzunehmen, in anderen Ländern und zu anderen Zeiten
unter anderem eine vertikale Stärke von nicht weniger als 200 Meter
aufgelistet war. Daher hätten NAGRA-Direktor Markus Fritschi und der
"obersten Steinforscher" Paul Bossart von einem kritischen
Journalisten mit der Frage konfrontiert werden müssen, was sie denn
dazu sagen, daß die Stärke der von der NAGRA untersuchten Opalinuston-
Schichten in keinem der "möglichen Standorte" mehr als 120 Meter
beträgt.
3. "Nichts ist so fest wie ein Opalinuston. Weil die dünnen
Sedimentschichten aufquellen, sobald sie feucht werden. Dadurch
werden die Zwischenräume abgedichtet, das Gestein verschließt sich
vom Rand her selbt. Was einmal drin ist, kommt nicht mehr raus. Einen
solchen Tresor..."
Ein informierter Journalist, der sich vor dem Zusammentreffen mit
ausgefuchsten Vertretern der Schweizer Atomlobby wie Markus Fritschi
und Paul Bossart sachkundig gemacht hätte, wäre in diesem
Zusammenhang über eine im November 2007 in der Verantwortung von
Geologieprofessor Simon Löw an der Eidgenössische Technische
Hochschule (ETH) Zürich publizierten Studie informiert gewesen. Er
hätte so am Ende der Ausführungen der beiden Herren fragen können,
wie es kommt, daß sie zu den Ergebnissen jener Sudie, wonach sich
unter bestimmten Bedingungen, die bei der Einlagerung radioaktiver
und stark Wärme abstrahlender Stoffe angenommen werden müssen, im
Opalinuston beträchtliche Risse bilden, bisher kein Wort verloren
haben.
Selbst über informierte Kreise von AtomkraftgegenerInnen hinaus ist
bekannt, daß beispielsweise die Region um den Rheinfall bei
Schaffhausen keineswegs als "erdbebensicher" gelten kann. Dennoch
wird in diesem Artikel in Bezug auf Benken das Gegenteil suggeriert.
Über den Skandal, daß der unter Gorleben gelegene Salzstock
über viele Jahre hinweg illegal für 1,5 Milliarden Euro zu einem
Endlager ausgebaut wurde, brachte die 'Badische Zeitung' am 29. Mai
lediglich einen verharmlosenden Einspalter. Darin wurde Ministeriums-
Sprecher Michael Schroeren mit den Worten zitiert: "Das Thema ist ein
alter Hut." Dem Artikel "Dem Ton auf der Spur" räumte die 'Badische
Zeitung' hingegen fast die gesamte dritte Seite ein. Diese
Veröffentlichungspolitik der 'Badischen Zeitung' kann nur noch als
gezielte Desinformation der Öffentlichkeit gewertet werden.
Klaus Schramm
Anmerkungen
Hier eine Dokumentation der Artikels aus der 'Badischen Zeitung':
Dem Ton auf der Spur
Desinformation zur Schweizer Endlager-Suche v. 16.06.09
Siehe auch unsere Artikel zum Thema:
Badische Zeitung schaut weg bei Völkermord
Botswana wird als "Musterländle" dargestellt (3.06.05)
Skeptiker oder Verschwörungstheoretiker?
Zur offiziellen Begründung des Irak-Kriegs (6.02.03)