Ein deutscher Energie-Konzern als global player
Der Düsseldorfer E.on-Konzern verstärkt seine strategische Expansion in Osteuropa und zielt auf die russischen Energievorräte. Schon heute kontrollieren deutsche Energie-Konzerne große Teile der europäischen Energieversorgung. Durch ein Abkommen mit dem weltgrößten Erdgas-Produzenten Gazprom erhalten E.on und Wintershall jetzt exklusiven Zugriff auf die russischen Erdgasfelder. Die Energievorräte Rußlands gehören zu den bedeutendsten der Welt.
E.on hatte im Verlauf der umstrittenen Ruhrgas-Übernahme im Jahre 20021 der Bundesregierung zugesagt, bis zu acht Milliarden Euro in Osteuropa zu investieren, dies jedoch bisher nicht getan. In den letzten Jahren expandierte E.on vor allem nach Skandinavien und Großbritannien und trug dazu bei, daß deutsche Energie-Konzerne nunmehr große Teile der europäischen Energieversorgung kontrollieren.
Jetzt geht der deutsche Konzern überraschend in Osteuropa in die Offensive und hat in den neuen EU-Mitgliedsstaaten und bei den EU-Beitrittskandidaten vor allem die ehemaligen Staatsbetriebe im Visier. Die Privatisierung der Energieversorgung ist zwingende Voraussetzung für den EU-Beitritt; es wird mit Massenentlassungen und einer Erhöhung der Energiepreise gerechnet. Im Zuge der Privatisierung des bulgarischen Stromsektors erhielt E.on bereits den Zuschlag für die Stromverteilung im Nordosten des Landes.2 In Rumänien hat das Unternehmen inzwischen ein verbindliches Angebot für rumänische Gasversorger unterbreitet. In Ungarn, wo eine Tochterfirma des deutschen Energie-Konzerns schon heute rund 50 Prozent des Stromverbrauchs abdeckt, will E.on seine dominante Position durch Millioneninvestitionen in das Stromversorgungsnetz ausbauen. Im Gegenzug fordert E.on, die ungarische Regierung habe "vernünftige" Strompreise zu garantieren und dürfe die Energiepreise nicht mehr wie bisher aus sozialpolitischen Gründen niedrig halten.3
Die bedeutendsten Investitionen tätigt der größte unter den vier Strom-Konzernen, die den deutschan Markt beherrschen, nun aber in Rußland4. Anläßlich des Moskau-Besuchs von Bundeskanzler Schröder wurde ein Rahmenabkommen über mehrere gemeinsame Vorhaben zwischen dem russischen Gas-Konzern Gazprom und den deutschen Energie-Konzernen E.on und Wintershall abgeschlossen. Mit einem Investitions-Volumen zwischen 2 und 2,5 Milliarden Euro für die deutschen Unternehmen ist dies das größte bilaterale Wirtschaftsprojekt seit mehr als zwei Jahrzehnten. Die Abmachungen sehen vor, als dritten großen Transportweg für sibirisches Erdgas nach Nordwesteuropa eine mehr als 1.000 Kilometer lange Gas-Pipeline durch die Ostsee nach Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) zu verlegen. Dort erfolgt der Anschluß an das westeuropäische Netz, so daß russisches Erdgas bis nach Frankreich und Großbritannien weitergeleitet werden kann. Vereinbart wurde erstmals die Beteiligung deutscher Konzerne an der gesamten Wertschöpfungskette der russischen Gasproduktion: Von der Exploration über den Transport durch die neue Pipeline bis zur Vermarktung in Westeuropa. Hinzu kommt noch die Zusammenarbeit bei der Stromerzeugung in Rußland und Europa.
Das zentrale Element der Zusammenarbeit bildet aus Sicht der deutschen Energie-Konzerne der Zugang zu den russischen Förderquellen. Wintershall hat mit Gazprom schon vor einiger Zeit eine Vereinbarung zur Erschließung einer Gasquelle in Sibirien vereinbart. Nun wird auch die E.on-Tochter Ruhrgas erstmals selbst in die Erdgas-Förderung in Rußland einsteigen. Gazprom bringt ein Gas-Vorkommen in West-Sibirien in die Kooperation ein und E.on wird exklusiver Partner bei der Ausbeutung des Feldes. "Es ist das erste Mal, daß Gazprom ein Gasfeld von dieser Qualität und Größe einem westlichen Partner anbietet", erklärte E.on.
Die russischen Energievorräte, die zu den größten der Welt zählen, sind Objekt einer scharfen Konkurrenz der westlichen Staaten und Energie-Konzerne. Die USA, der größte Erdgas-Abnehmer weltweit, verhandeln mit dem russischen Gasproduzenten Gazprom über eine Kooperation mit US-amerikanischen Energie-Konzernen und zielen unter anderem auf die Erschließung von Gasvorkommen im Norden Rußlands. Mit dem deutsch-russischen Rahmenabkommen habe Deutschland sich nun in diesem Wettlauf um den Primärenergieträger der Zukunft, dem Erdgas, den ersten Zugriff gesichert, heißt es.
Harry Weber
Anmerkungen:
1 Siehe auch unseren Artikel
'Monopole zocken den Gaspreis nach oben' (22.07.03)
2 Siehe auch
'E.on fasst in Bulgarien Fuß', Handelsblatt vom 15.07.2004
und
'Ostmärkte elektrisieren Energietochter',
Financial Times Deutschland vom 22.06.2004
3 Siehe auch
'E.on modernisiert Ungarns Stromnetz',
Frankfurter Allgemeine Zeitung 15.05.2004
4 Siehe auch
'E.on will Erdgas in Russland fördern', Die Welt vom 9.07.2004
'Deutsche Gaskonzerne investieren Milliarden in Russland',
Tagesspiegel vom 10.07.2004
Unter Verwendung von:
'Informationen zur Deutschen Außenpolitik'
(www.german-foreign-policy.com)