22.12.2003

Artikel

60 Tote
infolge europäischer
Unchristlichkeit

Am Samstagabend ertranken 60 Flüchtlinge beim Versuch nach Europa zu gelangen. Die Menschen aus dem Irak und Afghanistan starben als ihr Boot auf der Strecke zwischen der türkischen Mittelmeerküste und der griechischen Insel Rhodos sank.

In einer Pressemitteilung klagt die Hilfsorganisation 'Pro Asyl' die Staaten der EU an, eine "zentrale Mitverantwortung für das tausendfache Sterben an den europäischen Außengrenzen" zu tragen. Selbst in der Weihnachtszeit bleiben die Tore der Festung Europa nahezu hermetisch geschlossen. 'Pro Asyl' erinnert an die Weihnachtslegende, nach der die Familie eines gewissen Jeschuah, später latinisiert: Jesus, an einer Herberge auf verschlossene Türen stieß (Lukas-Evangelium, 2,7) und dieser nach der Geburt in einen Futtertrog für Tiere gebettet werden mußte. Erinnert sei auch daran, daß nach den Evangelien diese Familie selbst das Flüchtlingsschicksal erlitt und auf der Fluch vor einem Gewaltherrscher für einige Jahre in Ägypten Asyl fand.

Mindestens 1000 Menschen kamen innerhalb der letzten 24 Monate an den Außengrenzen Europas zu Tode. Die tatsächliche Opferzahl liegt nach Einschätzung von 'Pro Asyl' wesentlich höher. Flüchtlinge und Migranten sterben in den Minenfelder zwischen Griechenland und der Türkei, ertrinken in der Ägäis, vor den Küsten Italiens, in der Meerenge von Gibraltar und auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln.

Die europäischen Innenminister beschlossen bisher keine einzige Maßnahme, um solche Katastrophen in Zukunft zu verhindern. Im Gegenteil: Hunderte Millionen Euro werden bewilligt, um den europäischen Grenzschutz auszubauen, die Grenzen noch effizienter abzuriegeln und vor allem die Transit- und Herkunftsländer stärker in die Flucht- und Migrationskontrolle einzubeziehen. Jede Tragödie hatte bisher lediglich die immer gleichen Bekundungen zur Folge, "Schlepper" und "Schleuser" noch besser bekämpfen zu wollen.

Nur ein winziger Bruchteil der Asylsuchenden hat überhaupt die Chance die Außengrenzen der EU zu überwinden und einen Antrag auf Asyl zu stellen. Von diesen wiederum werden in Deutschland nur 1,8 Prozent Asyl zuerkannt. Untersuchungen belegen, daß diese wenigen das Territorium der EU ohne die Hilfe von "Schlepper" und "Schleuser" nicht erreicht hätten. Laut 'Pro Asyl' entwickeln sich die Anstrengungen zur Abdichtung der europäischen Außengrenzen zu einem gigantischen Arbeitsbeschaffungs-Programm für kommerzielle Fluchthilfe. Und infolge der Illegalität findet diese zunehmend unter menschenverachtenden und lebensgefährlichen Bedingungen statt.

"Ohne den Abbau der Barrieren und ohne gefahrenfreie Wege für Flüchtlinge nach Europa bleibt das in Sonntagsreden geäußerte Schutzversprechen für Flüchtlinge folgenlos und ein europäisches Asylrecht Makulatur," so Karl Kopp, Europareferent von 'Pro Asyl'. Ein effektiver Zugang zum Territorium und zu einem fairen Asylverfahren wäre unerläßlich, wenn die EU-Mitgliedsstaaten ihren internationalen Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention ernsthaft gerecht werden wollten. Der Rückbau der Festungsanlagen, die Schaffung eines europäischen Asylrechts, das diesen Namen verdient, und die Eröffnung legaler Einwanderungsmöglichkeiten sind der einzig gangbare Weg, um das tausendfache Sterben an Europas Grenzen zu beenden.

 

Adriana Ascoli

 

Anmerkung:
Siehe unseren Artikel
    'Sind Sie darauf stolz, Herr Schily?'
    vom 13.01.03

 

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