Gestern (Dienstag) wurde in Berlin von der sogenannten Frauenzeitschrift 'Brigitte' eine Studie veröffentlicht, deren Ergebnisse auch für Feministinnen interessant sind. Vorsicht ist jedoch geboten, da das Hochglanz-Magazin aus dem Hause Bertelsmann unter dem Vorwand eines auf den ersten Blick emanzipativen Themas versucht, das reaktionäre Rollen-Modell "Alpha-Mädchen"1 zu pushen.
Laut 'Brigitte' wurden für die Studie 1.020 Frauen zwischen 17 und 19 und zwischen 27 und 29 Jahren "nach Hoffnungen und Plänen" befragt. Dabei soll nun ein überraschend hoher Anteil - der schon fast an die Wahlergebnisse aus DDR-Zeiten erinnert - von 99 Prozent der Befragten ein starkes Selbstbewußtsein gezeigt haben, das mit der etwas seltsamen Aussage "Ich weiß, daß ich gut bin" wiedergegeben wird. Welche alternativen Aussagen (etwa: "Ich fühle mich Männern unterlegen") zur Auswahl standen, ist nicht bekannt. Weiter heißt es in der Studie, daß es 85 Prozent der befragten Frauen wichtig sei, "finanziell unabhängig" zu sein. Damit meinten die Verantwortlichen wohl, den lesenden Frauen fürs erste genügend Honig ums Maul geschmiert zu haben, um die reaktionäre Botschaft unterzumischen: "79 Prozent geben an, hart für ihre Ziele zu arbeiten". So kommt die vom Bertelsmann-Konzern auch ansonsten gerne verbreitete Mär vom sozialen Aufstieg, der mit harter Arbeit zu erreichen sei, als originäre Aussage von Frauen daher. Nebenbei bemerkt: Wer beispielsweise in einer Befragung die beiden vorformulierten Antworten "Ich arbeite hart für meine Ziele" und "Ich suche mir immer die bequemsten Jobs aus" zur Wahl stellt, dürfte locker das gewünschte Prozentergebnis erreichen.
Offenbar wurden bei der 'Brigitte'-Studie auch Träume abgefragt: "Mehr als ein Drittel sieht sich künftig eher im Chefsessel als im Vorzimmer." Es dürfte also klar sein, was in Bälde der größte deutsche Export-Schlager wird: Chefinnen!
Obwohl von 'Brigitte' keine entsprechende Studie über junge Männer vorgenommen wurde, wird uns verkündet: "Von Partnerschaften erwarten sie das Gleiche wie junge Männer: Verständnis, Freiraum, gegenseitige Fürsorge im Alter." Letzteres ist selbstverständlich um so mehr von Nöten, da vom Staat immer weniger zu erwarten ist und die Verdummungs-Stategie von Bertelsmann und Co darauf abzielt, junge und alte Menschen gegeneinander auszuspielen - Stichworte: "Verteilungsgerechtigkeit" und "Überalterung der Gesellschaft". Der Propagandist der Bertlesmann-gelenkten 'Stiftung Marktwirtschaft' Bernd Raffelhüschen bringt das auf die hübsche Formel: "Zwei Drittel der Menschen von heute müssen dann zwei Mal so vielen Menschen wie heute die Rente finanzieren" und daher drohe ein "demografischer Orkan".
Auch die Präsidentin des 'Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung', Jutta Allmendinger, läßt sich einspannen und wertet die Ergebnisse der 'Brigitte'-Studie zeitgleich mit deren Veröffentlichung als "überraschend", da das starke Selbstbewußtsein der jungen Frauen unabhängig sei von Bildungsstand und sozialer Schicht. Mit dieser Pseudo-Information soll überdeckt werden, daß die realen Bildungs-Chancen in Deutschland seit Anfang der 1990er Jahre immer stärker davon abhängen, aus welcher sozialen Schicht ein Kind stammt. Spätestens seit PISA ist dies allgemein bekannt.
Wenn also "90 Prozent einer Frauengeneration einen anderen Weg gehen wollen, als noch ihre Mütter gehen konnten" - wie die 'Brigitte'-Studie vermeldet - ist dies durchaus ein ermutigendes Zeichen. Mehr aber auch nicht. Denn der überwiegenden Zahl junger Frauen ist dieser Weg nach wie vor verwehrt oder er wird ihnen zunehmend verstellt.
So ist es nichts anderes als versuchte Frauenverblödung, wenn die 'Brigitte'-Studie suggeriert: Da Frauen "alles wollen", also Kind und Karriere, entspricht dies bereits der gesellschaftlichen Realität. Seit den 1960er Jahren, die kurzfristig einige wenige Verbesserungen brachten, leidet nach wie vor die Mehrheit der deutschen Frauen am kaum zu bewältigenden Spagat zwischen Mutter- und Berufsrolle. Nach der Geburt des ersten Kindes steigen Frauen in Deutschland durchschnittlich für zweieinhalb Jahre aus dem Berufsleben aus. 42 Prozent der deutschen Frauen kehren nach dem ersten Kind gar nicht mehr in ihren alten Job zurück. Und durch die zähen und durch Illusionen überdeckten Rollenmuster bedingt arbeiten rund 40 Prozent der Frauen Teilzeit.
Seit der Einführung von Hatz IV zum 1. Januar 2005 wird der reale Stand der Emanzipation der Geschlechter in Deutschland schleichend abgebaut statt weiterentwickelt. Gerade Frauen, die für Kinder verantwortlich sind, und darunter wiederum in extremer Form die alleinerziehenden Mütter, trifft der Sozialabbau wesentlich härter als Männer. Ein deregulierter Arbeitsmarkt, Arbeitszeitverlängerung und Lohndumping trifft die Schwächsten in diesem Arbeitsmarkt am härtesten, und das sind nach wie vor überwiegend Frauen.
Von manchen Kommentatorinnen werden die jungen Frauen für ihre "selbstbewußte" Haltung, Familie und Beruf in Einklang bringen zu wollen, zudem auch noch verhöhnt. Dies nicht etwa direkt, sondern mit dem Kunstgriff rhetorischer Fragen: "Woher kommt diese Courage der viel zitierten Alpha-Mädchen? Woher stammt ihre Zuversicht, daß all ihre Vorstellungen und Wünsche Wirklichkeit werden könnten? Oder ist das Weltbild der 17- bis 29-Jährigen einfach nur naiv? Pure Theorie, die in der Praxis scheitert? Mit Macht wollen die befragten jungen Frauen nämlich nichts zu tun haben."
Doch was hat diese Kommentatorin anderes anzubieten als den Rat, in eine Partei einzutreten? Wenn diese 'Brigitte'-Studie ein solch positives Resultat zu Tage fördert, wie jenes, daß sich junge Frauen keine Verbesserungen davon erhoffen, wenn einzelne von ihnen in sogenannte Machtpositionen aufrücken - das Beispiel Angela Merkel scheint bereits viele desillusioniert zu haben - kommen ausgerechnet Frauen daher, um diesen Erkenntnisgewinn zu denunzierten. Daß ausgerechnet solch unsolidarische Frauen in den Mainstream-Medien auf den vordersten Seiten ihre Meinung verbreiten dürfen, sollte uns eigentlich nicht verwundern.
Und bezeichnender Weise fehlt in solchen Kommentaren, die von dieser 'Brigitte'-Studie schreiben als sei sie eine feministische Offenbarung, eines: die Solidarität unter Frauen! Das haben sie offenbar auf ihrem Weg nach oben in Männer-dominierte Redaktionsstuben vergessen (müssen): Was Frauen jemals in der Geschichte vorangebracht hat, war nicht etwa Anpassung an die Macht oder die Hilfe von Frauen wie Margaret Thatcher oder Angela Merkel, sondern die Solidarität unter den Frauen! Denn eines haben junge Frauen inzwischen auch bemerkt - wie selbst die 'Brigitte'-Studie einräumen muß: Von der Gesellschaft fühlen sich sich kaum unterstützt.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkung
1 Siehe auch unseren Artikel:
Alpha-Mädchen statt Alpha-Männchen?
Feministische Überlegungen zu einer 'spiegel'-Titelstory (31.05.07)