22.09.2003

Bald Gentechnik im Bier?

Deutsches Reinheitsgebot kann unterlaufen werden

Vor einigen Jahren gab es bereits einen heftigen Streit innerhalb der EU, weil das deutsche Reinheitsgebot für Bier angeblich den europäischen Wettbewerb behindern würde. Letztlich entschied der Europäische Gerichtshof nach erheblichem Druck deutscher Brauereien, die sich durch internationale Billig-Konkurrenz bedroht sahen, daß das deutsche Reinheitsgebot für Bier Bestand haben kann. Mit dem Argument der Wettbewerbsverzerrung könnten allerdings auch jegliche Mindeststandards für Lebensmittel wie beispielsweise Pestizid-Grenzwerte beseitigt werden. (Über deren Einhaltung in der Praxis: siehe unser gestriger Artikel.)

Als eines der ältesten verbindlichen Lebensstandards legt das Reinheitsgebot für Bier aus dem Jahre 1516 fest, daß für Bier ausschließlich Hopfen und Gerste (für das Malz), sowie Hefe und Wasser verwendet werden darf. In Ländern mit geringeren Standards werden in der Regel nicht bessere, sondern billigere Rohstoffe, also beispielsweise neben Gerste auch Mais, Reis oder Hirse eingesetzt.

Seit 1999 ist in Großbritannien als erster genmanipulierter Organismus eine Hefe-Neuschöpfung zugelassen. Sie wird bei der Teigführung eingesetzt und bewirkt durch höhere Kohlendioxidproduktion eine erheblich kürzere Gehzeit. Der Vorteil liegt also auch hier beim Produzenten und nicht bei den VerbraucherInnen. Eher das Risiko: Die genmanipulierte Substanz soll im fertigen Brot nicht mehr nachweisbar sein... Ebenfalls in Großbritannien - allerdings bereits seit 1995 - wird ein Bier mit genmanipulierter Hefe produziert. 'Nutfield Lyte Lager®' ist ein kalorienreduziertes Bier, das mit einer genmanipulierten Hefe vergoren wird. In ihren Organismus wurde ein Stück DNA eingeschleust, die es der Hefe ermöglicht, die Stärke restlos zu Alkohol abzubauen. Der lebende gentechnisch veränderte Stamm findet sich angeblich nicht im Endprodukt wieder. Dennoch wird das Bier bisher lediglich von einer Versuchsbrauerei in kleinen Mengen angeboten.

Der Gentech-Abteilung von 'Novo Nordisk', einem dänischen Biotech-Konzern, ist es nun jüngst gelungen, mit genmanipulierten Bakterien-Kulturen das Enzym Maturex herzustellen, das die Reifezeit des Bieres verkürzen könnte. Das in jungem Bier vorhandene Diacetyl, das den Geschmack beeinträchtigt, würde durch Maturex schneller abgebaut, so daß das so behandelte Bier um drei Wochen schneller als gewöhnlich in den Verkauf gehen würde. Ob die hierbei zu erzielende Kosteneinsparung an die KonsumentInnen weitergegeben würde, ist zumindest fraglich.

Der Geschäftsführer des Deutschen Brauerbundes Erich Dederichs äußerte sich zur Problematik, ob das deutsche Reinheitsgebot für Bier denn die Verwendung genmanipulierter Zutaten ausschließe, kürzlich1 recht zweideutig: "Da steht nicht drin, daß das Naturhopfen sein muß oder Sommer- oder Wintergerste..." Klare Verhältnisse dagegen in Österreich. Dort haben die Brauereien bereits 1996 eine gemeinsame Resolution verabschiedet und eine Selbstverpflichtung veröffentlicht laut der in österreichischen Brauereien keine genmanipulierte Hefe und ebensowenig Gen-Hopfen oder Gen-Malz Verwendung findet.

Der Deutsche Brauerbund mag sich dagegen nicht festlegen lassen. Er schließt zwar die Verwendung genmanipulierter Rohstoffe - so denn das europäische Gen-Moratorium fällt - für "in naher Zukunft" aus. Einerseits sagt Dederichs, die Akzeptanz bei den deutschen BiertrinkerInnen, die immerhin im Durchschnitt 121,5 Liter Bier pro Jahr konsumieren, sei für genmanipulierte Zutaten nicht erkennbar. Andererseits flüchtet er sich in die Floskel: "Als Brauerbund können wir aber den Brauereien nicht vorschreiben, ob sie gentechnisch veränderte Rohstoffe verwenden wollen. Das müssen die Brauereien für sich entscheiden." Allerding haben sich auch Selbstverpflichtungen in Deutschland - zu denken wäre dabei etwa an die Selbstverpflichtung der deutschen Industrie im Hinblick auf die Schaffung von Lehrstellen oder die Selbstverpflichtung, den Kohlendioxid-Ausstoß zu mindern - als nicht sehr zuverlässig erwiesen.

Ministerin Künast richtet derweil den Blick nach oben: "Ich wünsche mir, daß die Erfolgsstory des Reinheitsgebots fortgeschrieben wird, in dem die Brauereien heute schon erklären, daß sie dauerhaft gentechnikfreie Rohstoffe verwenden werden."

 

Klaus Schramm

 

Anmerkungen:
1 Berliner Zeitung, 15.09.2003

 

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