24.06.2004

Interview

Müller-Milch macht Gen-Widerstand
nur populärer

Klaus Schramm sprach mit Ulrike Brendel

Vorbemerkung:
Ulrike Brendel ist Gentechnik-Expertin bei Greenpeace. Müller-Milch, Deutschlands größter Milch-Konzern hat nun zurückgeschlagen. Greenpeace hatte es gewagt, dessen Praxis offenzulegen, Milch von Kühen, die mit Gen-Futter gefüttert wurden, zu verarbeiten.

K. S.:
Das Kölner Landgericht hat gestern einer einstweiligen Verfügung von Müller-Milch stattgegeben. Ist Greenpeace nun gezwungen, die Kampagne gegen Müller-Milch zu stoppen?

Ulrike Brendel:
Wir dürfen gewisse Slogans nicht mehr verwenden und mußten eine Internet-Seite abschalten. Doch solange im Futtertrog von Müllers Milchkühen Gen-Pflanzen landen, wird Greenpeace die Verbraucher darüber informieren. Eine unklare Fütterpraxis wird von Müller-Milch auch gar nicht bestritten. Außerdem werden wir gegen das Urteil beim Oberlandes- gericht Berufung einlegen. Müller-Milch tut weder sich selbst noch den Gen-Konzernen einen Gefallen, sondern verhilft dem Widerstand zu größerer Popularität.

Vor wenigen Tagen präsentierte Greenpeace einen Untersuchungsbericht des Forschungszentrums für Milch und Lebensmittel (FML) in Weihenstephan, der drei Jahre lang unter Verschluß gehalten wurde und der belegt, daß Bestandteile von Gen-Futter auch in der Milch zu finden sind. Welche Rolle spielte diese Untersuchung vor Gericht?

Anscheinend keine. Wir konnten diesen Untersuchungs- bericht erst am Montag nachreichen und er wird im Urteil nur am Rande erwähnt.

Nun wurde dieser Untersuchungsbericht von Wissen- schaftlern inzwischen bereits massiv angegriffen und in Zweifel gezogen. Unter anderem wurde spekuliert, die nachgewiesene Verunreinigung durch genmanipulierte DNA könne über Staub beim Umfüllen der Futtermittel in die Milch geraten sein...

Das ist wohl ein Eigentor. Es hat dabei sogar geheißen, daß eine solche Verunreinigung praktisch nicht zu vermeiden sei. Auf welchem Wege die Verunreinigung in die Milch gerät, spielt für die Verbraucher ja keine Rolle. Wichtig wären allerdings Untersuchungen über Eintragungpfade, um Aufschluß über Intensität und Häufigkeit solcher Rückstände in der Milch zu bekommen.

...und außerdem könne die Verunreinigung beim Befüllen der Tanks auf dem Bauernhof hineingeraten, was auch "unter hygienisch einwandfreien Bedingungen (...) fast unvermeidlich" sei, so das FML Weihenstephan. Haben Sie eine Erklärung, warum bisher bei anderen Untersuchungen keine Gen-Verunreinigungen in der Milch gefunden wurden?

Offenbar wurde da nur unter Laborbedingungen geprüft und nicht unter Praxisbedingungen. Und dann kommt es auch sehr darauf an, wonach gesucht wird. Wissenschaftler, die nur nach ganzen Gen-Sequenzen suchen und nicht nach Bruchstücken, liefern ihren Auftraggebern keine unliebsamen Ergebnisse.

Laut Stellungnahme der FML Weihenstephan seien keine weiteren Untersuchungen durchgeführt worden, um "den genauen Weg der Gene in die Milch" zu klären.

Ein beachtliches Versäumnis. Das deutet zumindest darauf hin, daß die Wissenschaftler vom FML Weihenstephan kein Interesse an Untersuchungen hatten, die für die Verbraucher relevant wären.

Ein weiteres Gegenargument zu dem von Greenpeace vorgelegten Untersuchungsbericht lautet nun, in wissenschaftlichen Studien sei nachgewiesen worden, daß genetisches Material, das Tiere übers Futter aufnehmen, im Organismus abgebaut werde und lediglich Fragmente und Einzelbausteine der Erbsubstanz am Ende übrig blieben.

Auch ein Eigentor. Mit demselben Argument wird seit Jahren versucht, uns Gen-Food schackhaft zu machen: Auch in der menschlichen Verdauung würde die Nahrung in molekulare Bruchstücke zerlegt und daher sei das alles ungefährlich. Einerseits wurden beispielsweise wissenschaftliche Untersuchungen publiziert, wonach das Insektengift, das aus einem Bakterium (Bacillus thuringiensis) auf Bt-Mais übertragen wurde, bereits im Maul der Kühe durch den Speichel abgebaut werde. Andererseits gibt es inzwischen unbestreitbare Studien, wonach das Gift im Kot der Kühe nachgewiesen wurde.

Vor wenigen Tagen wurde vom Bundestag nun das Gentechnik-Gesetz in einer vom Bundesrat nicht zustimmungsbedürftigen Form verabschiedet. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Realisierbarkeit von Koexistenz zwischen Gentechnik-Landwirtschaft auf dem einen Acker und konventioneller oder biologischer Landwirtschaft auf dem anderen?

Greenpeace vertritt nach wie vor den Standpunkt, daß Koexistenz nicht möglich ist. Genmanipulierte Pflanzen können sich unkontrollierbar ausbreiten und Gen-Kontaminationen sind wahrscheinlich gar nicht mehr rückholbar. Andererseits muß man sehen, daß die deutsche Bundesregierung gezwungen war, eine EU-Richtlinie umzusetzen. Zu begrüßen ist dabei das durch dieses Gesetz geregelte Anbaukataster und die damit verbundene super Transparenz. Mehrheitlich sind zwar auch die Landwirte gegen den Anbau von Gen-Pflanzen. Doch auch die wenigen Ausnahmen werden es sich nun zweimal überlegen, ob sie Gen-Pflanzen anbauen.

Wäre es da nicht sinnvoller, sich für den Erhalt des Gen-Moratoriums einzusetzen?

Das eine schließt das andere nicht aus. Das europäische Gen-Moratorium von 1998 ist nun zwar bereits durch die Import-Zulassung für den genmanipulierten Zuckermais Bt-11 durchbrochen. Aber im wesentlichen besteht es noch, da bisher noch keine Zulassung für den kommerziellen Anbau einer Gen-Pflanze in Europa erteilt wurde. Durch die EU-Erweiterung um zehn Staaten könnten sich zudem auch die Mehrheitsverhältnisse ändern. Da mussen wir mal sehen. Ein großes Problem neben dem Anbau ist allerdings der massenhafte Import genmanipulierter Futtermittel nach Europa. Wir fordern daher: Schluß mit Gen-Futter in der Milchwirtschaft und eine Kennzeichnung von Milch, Fleisch und Eiern, bei deren Produktion Gen-Pflanzen als Futtermittel eingesetzt wurden. Hier klafft nach wie vor eine riesige gesetzliche Lücke.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Anmerkungen:

Siehe auch unsere Artikel

    'Müller-Milch verklagt Greenpeace' (2.06.04)

    'Wissenschaftsskandal'
    Negative Studie zu Gen-Milch drei Jahre geheim gehalten
    Gen-Futter ist doch in der Milch nachweisbar (21.06.04)

 

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