9.12.2003

EU weist Gen-Mais Bt-11
überraschend ab

Gen-Moratorium bleibt vorläufig bestehen

Für die Zulassung der genmanipulierten Süßmais-Sorte Bt-11 von Syngenta kam am gestrigen Montag vor dem EU-Lebensmittelausschuß die erforderliche Mehrheit nicht zustande. Bereits im November war die Abstimmung verschoben worden. Und bereits eine für September angekündigte Entscheidung über Fall oder Fortbestand des Gen-Moratoriums in Deutschland hatte "Rot-Grün" auf unbestimmt vertagt. Es scheint, als ob der schwarze Peter zwischen den nationalen Regierungen und der EU hin und her geschoben wird1. So räumte auch eine Sprecherin des EU-Verbraucherkommissars David Byrne in Brüssel ein, daß eine solche Zulassung und das darauf in Bälde folgende Ende des europäischen Gen-Moratoriums "den Bürgern und Verbrauchern schwer zu erklären ist".

Interessant ist auch das Abstimmungs-Ergebnis im Ausschuß: Lediglich die VertreterInnen von Spanien, Großbritannien, Irland, Schweden, Finnland und den Niederlanden stimmten für die Zulassung des Bt-11. Deutschland, Italien und Belgien enthielten sich. Frankreich, Österreich, Griechenland, Portugal, Dänemark und Luxemburg stimmten gegen den Antrag. Der Gen-Mais des Basler Agro-Konzerns Syngenta (Nachfolger von Novartis) war somit wegen Stimmengleichheit abgelehnt. Doch damit ist die Entscheidung nur aufgeschoben, denn entsprechend den EU-bürokratischen Regelungen liegt die Entscheidung nun bei der EU-Agrarministerkonferenz, die binnen drei Monaten die Entscheidung treffen soll - so denn nicht zuvor eine nationale Regierung eine Zulassung erteilt und auf diese Weise den schwarzen Peter aufnimmt.

So wurde unlängst darüber spekuliert, daß die Anbau-Zulassung für die Gen-Maissorte NK 603 des US-Konzerns Monsanto sehr schnell über die Bühne gehen könne. Weitere 18 Anträge liegen seit 1998 auf Halde, seit die EU mit dem Gen-Moratorium ein de-facto-Verbot für Anbau und Einfuhr genmanipulierter Pflanzen und Nahrungsmittel einführte.

Dem nunmehr vorläufig abgelehnten Gen-Mais Bt-11 wurde ein Gen eingebaut, das die Pflanze für die Raupe eines kleinen Falters, des Maiszünslers, giftig macht. Der Zulassungs-Antrag betraf allerdings nicht das Saatgut, sondern den Speisemais. Und während beim Anbau von genmanipulierten Pflanzen die sogenannte Koexistenz, das Nebeneinander zwischen Gen-Pflanzen einerseits und konventionellem Anbau oder ökologischem Anbau andererseits völlig ungeklärt ist, scheint den Propagandisten der schönen neuen Gen-Welt die Akzeptanz von Gen-Food im Supermarkt-Regal Dank dem Konzept einer Kennzeichnung, die den KonsumentInnen "Wahlfreiheit" suggeriert, leichter zu erreichen.

Bei der "Koexistenz" auf den Feldern sind bislang Probleme wie Mindestabstände oder Barrieren ebensowenig wie Haftungsfragen geklärt. Denn werden durch Wind Pollen herübergeweht oder wird bei der Ernte und Weiterverarbeitung ein klein wenig vermischt, kann vermeintlich gentech-frei angebaute Ware schnell unverkäuflich werden. Die EU-Bürokratie schob die Verantwortung für "Koexistenz"-Regelungen den nationalen Regierungen zu und diese wiederum fordern eine EU-einheitliche Regelung. Der ehemalige britische Umweltminister Michael Meacher, der von Regierungs-Chef Tony Blair im Juni wegen seiner ablehnenden Haltung gegen die "Grüne Gentechnik" entlassene worden war, stellt angesichts der kleinflächigen Anbauweise in Europa die Möglichkeit einer "Koexistenz" generell in Frage, da sich diese nach den Erfahrungen in Kanada nicht realisieren lasse. Laut Meacher steht deshalb die Entscheidung an, ob wir eine prosperierende Bio-Landwirtschaft für eine risikobehaftete Gentech-Landwirtschaft opfern wollen.

Das Gen-Moratorium rief insbesondere heftige Attacken der US-Regierung hervor. Und wohl nicht zufällig ist der größte der Gentech-Konzerne, Monsanto, von dem weltweit rund 90 Prozent aller angebauten Gen-Pflanzen stammen, ein US-Konzern. So hat die US-Regierung dieses Jahr Klage gegen die EU wegen des Gen-Moratoriums vor der WTO erhoben. Umgekehrt jedoch hatte die US-Regierung jahrelang Klagen wegen ihrer Schutz-Zölle gegen Stahlimporte ignoriert, um der international nicht konkurrenzfähigen US-Stahlindustrie das Überleben zu sichern. Freier Handel scheint schon immer eine feine Umschreibung für das Recht des Stärkeren gewesen zu sein...

 

Harry Weber

 

Anmerkung:
1 Siehe auch unseren Artikel
    Wann endet das Gen-Moratorium?
    - EU-Entscheidung soll deutsche Regierung entlasten (2.10.2003)

 

 

neuronales Netzwerk