Drei Wochen nach Einführung der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderten Futtermitteln am 18. April zogen Bauern heute vor die Raiffeisen Hauptgenossenschaft in Hannover und forderten, endlich der Nachfrage nach gentechnikfreien Futtermitteln1 nachzukommen. "Es ist ein Skandal, daß unsere eigene Genossenschaft uns keine gentechnikfreien Futtermittel und kein garantiert gentechnikfreies Saatgut liefern will", so der Bauer Cord Pralle aus Soltau. Die Raiffeisen-Genossenschaft sei ursprünglich von Bauern gegründet worden, um den einzelnen im Handel zu stärken. Nun aber weigere sich die Raiffeisen Hauptgenossenschaft Hannover, den Anforderungen der Landwirte nachzukommen.
Nachdem es sich unter VerbraucherInnen immer mehr herumspricht, daß die von "Rot-Grün" propagierte Wahlfreiheit nur solange funktioniert, bis das genmanipulierte Erbgut aus Gen-Pflanzen sich auf andere Pflanzen ausbreitet, wird nun auch den Bauern klar, daß ihnen in Europa bei den Futtermitteln keine Wahlfreiheit zugestanden werden soll. So sollen sie die Türöffner für einen schleichenden Vormarsch der "Grünen Gentechnik" spielen. Und solange in den Supermärkten keine als Gen-Food gekennzeichnete Ware zu finden ist, wägen sich die VerbraucherInnen in Sicherheit. Doch bereits heute werden 80 bis 90 Prozent aller weltweit angebauten Gen-Pflanzen als Tierfutter eingesetzt. Und Fleisch, Milch, Käse, Joghurt, Eier und andere Produkte von Tieren, die mit genmanipulierten Futtermitteln gemästet wurden, müssen nicht als Gen-Food gekennzeichnet werden. Der Absatzmarkt für einen breit angelegten Anbau von Gen-Pflanzen in Europa wäre somit vorhanden. Doch diese Rechnung geht nicht auf, wenn sich die Bauern gegen das Gen-Futter wehren.
Immer mehr Bauern erklären, daß sie eine solche "Wahlfreiheit" nicht wollen: "Ich will meinen Tieren keine genmanipulierten Saaten verfüttern. Und für meine Produkte sehe ich einen besonderen Markt. Indem Raiffeisen sich aber weigert, mir das entsprechende Futter zu liefern, behindert ausgerechnet unsere Landwirteorganisation meine Wahlfreiheit und letztlich damit auch die der Verbraucherinnen und Verbraucher."
Der Landwirt aus dem niedersächsischen Soltau hat bei allen Futtermittelhändlern in der Region angefragt, ob sie ihm Futtermittel ohne Gentechnik verkaufen. Keiner mochte es ihm vor dem 18. April, dem Beginn der Kennzeichnungspflicht, zusagen. Und noch immer warten er und seine Berufskollegen auf Angebote. Dabei gibt es aus Brasilien ein ausreichendes Angebot mit zertifiziert gentechnikfreiem Soja. Nur die Bauern können es nicht kaufen.
Vor anderthalb Jahren waren die Bauern schon einmal zu Raiffeisen gezogen und hatten gentechnikfreie Ware gefordert. Auf eine Antwort warten sie bis heute vergebens, so die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).
Christian Semmler
Anmerkung:
1 Siehe auch unseren Artikel
'Wahlfreiheit zwischen Gen-Futter und Gen-Futter' v. 22.04.04