Kurz vor der Bundestagswahl wollen die großen Umweltverbände
die Aussichten von "Rot-Grün" nicht durch unbequeme Wahrheiten mindern.
Sie lassen sich auf die trügerische Hoffnung ein, "Rot-Grün"
werde die reihenweise gebrochenen Versprechungen bei einer
zweiten Chance schon einlösen.
Noch im Juni deckte GREENPEACE rücksichtslos auf, wozu Künast
fähig ist. Heimlich war die Genehmigung für den kommerziellen
Anbau von Gen-Mais erteilt worden, während Künast
seit Monaten das Publikum medienwirksam durch folgenloses
Gerede von eine "Agrarwende"
blendet. Die Bauerlobby spielt die Schmierenkommöde in
verteilten Rollen mit: Denn je heftiger von dieser Seite
gegen Künast geschossen wird, um so glaubwürdiger erscheint
sie...
Doch die zunächst im Internet von GREENPEACE veröffentlichten
Fakten und die durch Aktionen kenntlich gemachten Gen-Mais-Felder
blieben bei anderen Umweltorganisationen unbeachtet.
(Wir berichteten:
Künast schlägt Bresche für Gen-Mais, 27.06.02)
Der BUND, der
zum Thema Gen-Food gerade zu dieser Zeit eine Kampagne fährt und
ausgerechnet mit 8 Meter hohen Plastik-Maiskolben von Ort zu Ort
reist, ignoriert diesen Skandal.
Schlimmer noch:
Die BUND-Kampagne beschränkt sich auf die Forderung, genveränderte
Lebensmittel zu kennzeichnen. Die Markteinführung wird als unvermeidlich
hingenommen und von einer "schleichenden Kontaminierung" gefaselt.
Gerade die Festlegung von Grenzwerten und die Kennzeichnung - die ja
erst Sinn macht, sobald genveränderte Bestandteile in Lebensmitteln
akzeptiert werden - bereitet den Weg für den Siegeszug der Gen-Lobby.
Ob aus Unbedarftheit oder Korruptheit: Hier wird die Tür einen Spalt
weit geöffnet, es wird uns weisgemacht die Breite des Spaltes könne
exakt geregelt werden und schon haben skrupellose Geschäftemacher
den "Fuß in der Tür".
Weder vom NABU noch vom WWF oder anderen ist Protest zu vernehmen.
Schlimmer noch:
In einer gemeinsamen Pressekonferenz entblöden sie sich nicht einer
Regierung ein (eingeschränkt) positives Umweltzeugnis auszustellen
und mehr oder weniger unverholen zu deren Wiederwahl aufzurufen, die
sowohl in der Energiepolitik, in der Klimapolitik, in der Verkehrspolitik,
in der Abfallpolitik, in der Agrar- und VerbraucherInnenpolitik und
nicht zuletzt in der Naturschutzpolitik im engeren Sinne alles noch
hat schlimmer werden lassen als die Regierung unter Kohl zuvor.
Von den Medien ist sowieso kaum mehr Kritikfähigkeit oder gar investigativer
Journalismus zu erwarten. Der traurige Gipfel wird von der 'taz'
in einem Interview mit Künast am 17.09.erreicht. Es wird ihr eine Vorlage
serviert, die Künast präzise zum Tor verwandet:
taz: "Zurzeit läuft wieder die Debatte, dass die grüne
Gentechnik grundsätzlich von Übel ist. Tatsächlich ist sie
immer weiter auf dem Vormarsch?"
Künast: "Wir können nicht endlos eine Ja-Nein-Debatte führen, angesichts
einer weltweiten Anbaufläche für GMO-Pflanzen von derzeit 50
Millionen Hektar. Der Anbau findet einfach schon statt. Nun
kommt es aktuell darauf an, dass die Kennzeichnung kommt.
Und zwar mit niedrigen Werten für den erlaubten Prozentsatz an
gentechnisch veränderten Bestandteilen wie nur irgend möglich."
Tatsache ist, daß Deutschland neben Spanien bisher das einzige Land der
EU ist, in dem der Anbau von Gen-Mais genehmigt wurde.
Klaus Schramm