19.09.2002

Kommentar

Permissives Schweigen

Kurz vor der Bundestagswahl wollen die großen Umweltverbände die Aussichten von "Rot-Grün" nicht durch unbequeme Wahrheiten mindern. Sie lassen sich auf die trügerische Hoffnung ein, "Rot-Grün" werde die reihenweise gebrochenen Versprechungen bei einer zweiten Chance schon einlösen.

Noch im Juni deckte GREENPEACE rücksichtslos auf, wozu Künast fähig ist. Heimlich war die Genehmigung für den kommerziellen Anbau von Gen-Mais erteilt worden, während Künast seit Monaten das Publikum medienwirksam durch folgenloses Gerede von eine "Agrarwende" blendet. Die Bauerlobby spielt die Schmierenkommöde in verteilten Rollen mit: Denn je heftiger von dieser Seite gegen Künast geschossen wird, um so glaubwürdiger erscheint sie...

Doch die zunächst im Internet von GREENPEACE veröffentlichten Fakten und die durch Aktionen kenntlich gemachten Gen-Mais-Felder blieben bei anderen Umweltorganisationen unbeachtet.
(Wir berichteten:
Künast schlägt Bresche für Gen-Mais, 27.06.02)
Der BUND, der zum Thema Gen-Food gerade zu dieser Zeit eine Kampagne fährt und ausgerechnet mit 8 Meter hohen Plastik-Maiskolben von Ort zu Ort reist, ignoriert diesen Skandal.

Schlimmer noch:
Die BUND-Kampagne beschränkt sich auf die Forderung, genveränderte Lebensmittel zu kennzeichnen. Die Markteinführung wird als unvermeidlich hingenommen und von einer "schleichenden Kontaminierung" gefaselt. Gerade die Festlegung von Grenzwerten und die Kennzeichnung - die ja erst Sinn macht, sobald genveränderte Bestandteile in Lebensmitteln akzeptiert werden - bereitet den Weg für den Siegeszug der Gen-Lobby. Ob aus Unbedarftheit oder Korruptheit: Hier wird die Tür einen Spalt weit geöffnet, es wird uns weisgemacht die Breite des Spaltes könne exakt geregelt werden und schon haben skrupellose Geschäftemacher den "Fuß in der Tür".

Weder vom NABU noch vom WWF oder anderen ist Protest zu vernehmen.
Schlimmer noch:
In einer gemeinsamen Pressekonferenz entblöden sie sich nicht einer Regierung ein (eingeschränkt) positives Umweltzeugnis auszustellen und mehr oder weniger unverholen zu deren Wiederwahl aufzurufen, die sowohl in der Energiepolitik, in der Klimapolitik, in der Verkehrspolitik, in der Abfallpolitik, in der Agrar- und VerbraucherInnenpolitik und nicht zuletzt in der Naturschutzpolitik im engeren Sinne alles noch hat schlimmer werden lassen als die Regierung unter Kohl zuvor.

Von den Medien ist sowieso kaum mehr Kritikfähigkeit oder gar investigativer Journalismus zu erwarten. Der traurige Gipfel wird von der 'taz' in einem Interview mit Künast am 17.09.erreicht. Es wird ihr eine Vorlage serviert, die Künast präzise zum Tor verwandet:
taz: "Zurzeit läuft wieder die Debatte, dass die grüne Gentechnik grundsätzlich von Übel ist. Tatsächlich ist sie immer weiter auf dem Vormarsch?"
Künast: "Wir können nicht endlos eine Ja-Nein-Debatte führen, angesichts einer weltweiten Anbaufläche für GMO-Pflanzen von derzeit 50 Millionen Hektar. Der Anbau findet einfach schon statt. Nun kommt es aktuell darauf an, dass die Kennzeichnung kommt. Und zwar mit niedrigen Werten für den erlaubten Prozentsatz an gentechnisch veränderten Bestandteilen wie nur irgend möglich."

Tatsache ist, daß Deutschland neben Spanien bisher das einzige Land der EU ist, in dem der Anbau von Gen-Mais genehmigt wurde.

 

Klaus Schramm

 

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