Studie über eine Unmöglichkeit
Studie über die Probleme einer Koexistenz von
Grüner Gentechnik und ökologische Landwirtschaft
vom September 2002
Autorinnen und Autoren:
Regine Barth, Öko-Institut e.V., Darmstadt
Ruth Brauner, Öko-Institut e.V., Freiburg
Andreas Hermann, Öko-Institut e.V., Darmstadt
Dr. Robert Hermanowski, Forschungsinstitut für biologischen Landbau Berlin e.V.
Karin Nowack, Forschungsinstitut für biologischen Landbau, Frick (CH)
Hanspeter Schmidt, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Freiburg
Dr. Beatrix Tappeser, Öko-Institut e.V.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit
Eigentlich ist mit einem einzigen Satz in der Einleitung dieser Studie bereits alles gesagt:
"Für die Vegetationsperiode 2002 erteilte das deutsche Bundessortenamt den
Firmen Syngenta, Pioneer, Monsanto und Aventis die Erlaubnis, etwa 50 Tonnen
transgenes Mais-Saatgut in Deutschland zu vermarkten. Das Sortenamt
gab Mitte März zehn Sorten transgenen Mais in begrenztem Umfang frei, zum
Teil Bt-Pflanzen, also solche, die das Insektentoxin des Bacillus thuringiensis
erzeugen, und zum Teil Pflanzen, die gegen das Herbizid BASTA resistent sind.
Die etwa 2.000 Hektar Fläche, auf denen diese transgenen Kulturen angebaut
werden, müssen nach heutiger Rechtslage in Deutschland nicht entsprechend
gekennzeichnet werden."1
Bei allen Überlegungen, die in der vorliegenden Studie angestellt werden, ist Grundvoraussetzung, daß die
Herkunft genveränderter Pollen, die die Felder von Bio-Bauern kontaminieren, festgestellt werden kann.
Werden die Anbauflächen gentechnisch veränderter Pflanzen jedoch geheim gehalten, sind Bio-Bauern der
Vernichtung ihrer Existenz wehrlos ausgeliefert.
Syngenta, Pioneer, Monsanto oder Aventis müßten doch von Dummheit geschlagen sein, wenn sie oder die von ihnen
abhängigen Gen-Food-Anbauer freiwillig ihre Anbauflächen bekannt geben. Gegen wen soll also ein Bio-Bauer klagen,
dessen Ernte wegen "GVO-Eintrag" nicht mehr als Bio-Ware verkäuflich ist.
Während über 70 Prozent der deutschen VerbraucherInnen Gen-Food ablehnen, steht das Verhältnis in der deutschen
Agro-Industrie auf dem Kopf: 3 Prozent Bio-Bauernhöfe stehen 97 Prozent konventionelle Agro-Betriebe gegenüber.
Und letztere 97 Prozent werden auf Grund existentiellen Drucks und langjähriger Abhängigkeiten von den Agro-Konzernen
bei der - so ist zu befürchten - schon baldigen völligen Freigabe reihenweise auf die angeblich so effizienzsteigernden
gentechnisch veränderten Sorten zugreifen.
Mit dem Argument der "Wahlfreiheit" wird zynischer Weise das genaue Gegenteil betrieben: Der Grenzwert von 1 Prozent
gentechnischer Verschmutzung biologischer Ware wird eingeführt, um den EU-Markt für Gen-Food zu öffnen. Die
Kennzeichnung suggeriert für maximal einige Jahre Wahlfreiheit, während die schrankenlose und unkontrollier- bare
Verbreitung des Anbaus genverändeter Pflanzen unumkehrbare Fakten schafft. Der Grenzwert von 1 Prozent wird nicht
mehr einzuhalten sein. Der Bio-Landwirtschaft wird so der Garaus gemacht und die Wahlfreiheit kann allenfalls noch
durch importierte Bio-Ware aus Neuseeland gewährleistet werden.
Bei dieser Art von self-fullfilling-prophethy läßt sich in der Studie problemlos vorhersagen:
"Es ist aber damit zu rechnen, dass das de-facto-Moratorium für die Zulassung gentechnisch veränderten Saatguts nicht
auf Dauer fortbestehen wird."
Während bisher Deutschland (angeblich rot-grün regiert) und Spanien als einzige EU-Staaten den kommerziellen
Anbau von Gen-Food zugelassen haben, blockieren
"Frankreich, Dänemark, Griechenland, Luxemburg und Österreich (...) derzeit gemeinsam neue Genehmigungen" so
die "Koexistenz"-Studie.
"Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft sieht in der Freisetzungsrichtlinie
2001/18/EG, die u.a. den Mitgliedstaaten ein Offenlegen
aller transgenen Kulturen durch raumdeckendes Anbaukataster bis zum
17.10.2002 vorschreibt, in Verbindung mit zwei 2001 vorgelegten Verordnungs-
entwürfen über die Kennzeichnung und das Monitoring von Produkten, die
genetisch veränderte Organismen (GVO) enthalten oder aus solchen bestehen,
die politische Legitimation für ein Ende des Moratoriums. Mit dem Fall des
Moratoriums ist auch in Deutschland mit einem zunehmenden Anbau
transgener Sorten zu rechnen." Auf Anregung von Greenpeace fragten etliche Bürgermeister bei den genannten
Gen-Konzernen an, ob auf ihrer Gemarkung transgener Mais angebaut würde. Bis heute - nicht nur bis zum
17.10.2002 - wird jede Auskunft verweigert. Doch dies kümmert Frau Künast nicht.
Zwei mögliche Strategien wie sich Bio-Bauern wehren könnten werden in der Studie diskutiert. Einerseits
Vereinbarungen unter bäuerlichen Nachbarn und im Streitfall die Klage gegen den verursachenden Betrieb
und andererseits Anbaukataster mit untragbarem bürokratischem Aufwand und Fonds zur Entschädigung
von Bio-Bauern.
Ausführlich werden die Gegebenheiten des deutschen Rechtssystems eruiert. Doch unterm Strich bleibt das
Fazit: "Der Bio-Bauer trägt die Beweislast für die Kausalität und für die Wesentlichkeit und Unzumutbarkeit
der gentechnischen Veränderung seiner Bio-Kultur." Dabei gerät völlig außer Betracht, daß es der
europäischen Bio-Landwirtschaft auf die Dauer nichts nützt, wenn sie jede nur erdenkliche
Entschädigung erstreiten könnte. Der Möglichkeit beraubt, überhaupt noch Bio-Ware erzeugen zu können,
verliert sie dennoch ihre Existenzgrundlage.
Angesichts des deutschen Rechts sehr realitätsnah wird dem Bio-Bauern allen Ernstes ein
Maßnahmenkatalog in 11 Dokumentations-Schritten empfohlen, um überhaupt vor Gericht beweisen
zu können, daß eine gen-technische Verunreinigung von einem bestimmten Nachbarn verursacht wurde.
Doch dann dämmert es den AutorInnen selbst: "Wenn Bio-Bauern diesen Maßnahmenkatalog als unerträglich und praktisch
nicht zu leisten zurückweisen würden, wäre klar, dass das heute vorhandene
zivilrechtliche Ausgleichssystem des § 906 BGB zumindest für diese Materie
die Grundrechts- sphären der einander mit konkurrierenden Nutzungen gegenüberstehenden
Nachbarn nicht in praktische Konkordanz bringt. Die Rechtsansprüche, die den Bio-Bauern
aus § 903, 1004, 906 BGB entstehen, können in Einzelfällen helfen, Ansprüche durchzusetzen.
Das System der Sachverhaltsfeststellung und -dokumentation, das zum Führen des Kausalitätsbeweises
erforderlich ist, würde, wie gezeigt wurde, die Bio-Bauern so belasten, dass sie
praktisch ihre Rechte kaum wahrnehmen können."
Im Fazit der Studie heißt es dann nochmals abgemildert formuliert:
"Den Bio-Bauern wird aber ein solches Maß an rechtlicher
Präzision bei der Beweissicherung für den Kausalitätsbeweis auferlegt, dass
viele dies als unerträgliche Fessel empfinden werden. Keine der beiden Seiten
wird so zu zufriedener Koexistenz finden."
Die Anlegung von Anbaukatastern, um irgendwelche willkürlich festgelegten Mindestabstände zwischen den
unvereinbaren Anbaumethoden zu regeln, wurde bereits in einer Anhörung sowohl von den konventionellen als
auch von den Bio-Landwirten als unpraktikabel abgelehnt. Der bürokratische Aufwand ist nicht zu leisten.
Die konventionelle Landwirtschaft weist schon heute jede mögliche Haftung für den Ruin der Bio-Bauern
weit von sich: "... da aus unserer
Sicht Pollenflug bzw. unvermeidbare und zufällige Spuren von GVO keinen zu
ersetzenden Schaden darstellen, an dessen Regulierung sich der
>>konventionelle<< Landwirt zu beteiligen hat."
Ein letztes Zitat aus der Studie:
"Die Produktions- und Interessensphären von Bio-Bauern und Landwirten, die
transgenes Saatgut verwenden, voneinander abzugrenzen wird in der
neuseeländischen Diskussion als >>about as simple<< beschrieben >>as getting just
a little bit pregnant.<<2" Auf deutsch: Die Koexistenz zwischen Gentech-Agrarindustrie und
Bio-Bauern ist ungefähr so einfach wie nur ein bißchen schwanger zu werden.
Ute Daniels
Anmerkungen:
1 siehe Artikel
Künast schlägt Bresche für Gen-Mais
2 Clifton, New Zealand Listener, 03.11.2001, S. 16.