13.05.2003

Koexistenz von Gentech-Agrarindustrie
und Bio-Bauern?

Studie über eine Unmöglichkeit

Studie über die Probleme einer Koexistenz von
Grüner Gentechnik und ökologische Landwirtschaft
vom September 2002
Autorinnen und Autoren:
Regine Barth, Öko-Institut e.V., Darmstadt
Ruth Brauner, Öko-Institut e.V., Freiburg
Andreas Hermann, Öko-Institut e.V., Darmstadt
Dr. Robert Hermanowski, Forschungsinstitut für biologischen Landbau Berlin e.V.
Karin Nowack, Forschungsinstitut für biologischen Landbau, Frick (CH)
Hanspeter Schmidt, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Freiburg
Dr. Beatrix Tappeser, Öko-Institut e.V.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Eigentlich ist mit einem einzigen Satz in der Einleitung dieser Studie bereits alles gesagt:
"Für die Vegetationsperiode 2002 erteilte das deutsche Bundessortenamt den Firmen Syngenta, Pioneer, Monsanto und Aventis die Erlaubnis, etwa 50 Tonnen transgenes Mais-Saatgut in Deutschland zu vermarkten. Das Sortenamt gab Mitte März zehn Sorten transgenen Mais in begrenztem Umfang frei, zum Teil Bt-Pflanzen, also solche, die das Insektentoxin des Bacillus thuringiensis erzeugen, und zum Teil Pflanzen, die gegen das Herbizid BASTA resistent sind. Die etwa 2.000 Hektar Fläche, auf denen diese transgenen Kulturen angebaut werden, müssen nach heutiger Rechtslage in Deutschland nicht entsprechend gekennzeichnet werden."1

Bei allen Überlegungen, die in der vorliegenden Studie angestellt werden, ist Grundvoraussetzung, daß die Herkunft genveränderter Pollen, die die Felder von Bio-Bauern kontaminieren, festgestellt werden kann. Werden die Anbauflächen gentechnisch veränderter Pflanzen jedoch geheim gehalten, sind Bio-Bauern der Vernichtung ihrer Existenz wehrlos ausgeliefert.

Syngenta, Pioneer, Monsanto oder Aventis müßten doch von Dummheit geschlagen sein, wenn sie oder die von ihnen abhängigen Gen-Food-Anbauer freiwillig ihre Anbauflächen bekannt geben. Gegen wen soll also ein Bio-Bauer klagen, dessen Ernte wegen "GVO-Eintrag" nicht mehr als Bio-Ware verkäuflich ist.

Während über 70 Prozent der deutschen VerbraucherInnen Gen-Food ablehnen, steht das Verhältnis in der deutschen Agro-Industrie auf dem Kopf: 3 Prozent Bio-Bauernhöfe stehen 97 Prozent konventionelle Agro-Betriebe gegenüber. Und letztere 97 Prozent werden auf Grund existentiellen Drucks und langjähriger Abhängigkeiten von den Agro-Konzernen bei der - so ist zu befürchten - schon baldigen völligen Freigabe reihenweise auf die angeblich so effizienzsteigernden gentechnisch veränderten Sorten zugreifen.

Mit dem Argument der "Wahlfreiheit" wird zynischer Weise das genaue Gegenteil betrieben: Der Grenzwert von 1 Prozent gentechnischer Verschmutzung biologischer Ware wird eingeführt, um den EU-Markt für Gen-Food zu öffnen. Die Kennzeichnung suggeriert für maximal einige Jahre Wahlfreiheit, während die schrankenlose und unkontrollier- bare Verbreitung des Anbaus genverändeter Pflanzen unumkehrbare Fakten schafft. Der Grenzwert von 1 Prozent wird nicht mehr einzuhalten sein. Der Bio-Landwirtschaft wird so der Garaus gemacht und die Wahlfreiheit kann allenfalls noch durch importierte Bio-Ware aus Neuseeland gewährleistet werden.

Bei dieser Art von self-fullfilling-prophethy läßt sich in der Studie problemlos vorhersagen:
"Es ist aber damit zu rechnen, dass das de-facto-Moratorium für die Zulassung gentechnisch veränderten Saatguts nicht auf Dauer fortbestehen wird."

Während bisher Deutschland (angeblich rot-grün regiert) und Spanien als einzige EU-Staaten den kommerziellen Anbau von Gen-Food zugelassen haben, blockieren "Frankreich, Dänemark, Griechenland, Luxemburg und Österreich (...) derzeit gemeinsam neue Genehmigungen" so die "Koexistenz"-Studie.

"Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft sieht in der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG, die u.a. den Mitgliedstaaten ein Offenlegen aller transgenen Kulturen durch raumdeckendes Anbaukataster bis zum 17.10.2002 vorschreibt, in Verbindung mit zwei 2001 vorgelegten Verordnungs- entwürfen über die Kennzeichnung und das Monitoring von Produkten, die genetisch veränderte Organismen (GVO) enthalten oder aus solchen bestehen, die politische Legitimation für ein Ende des Moratoriums. Mit dem Fall des Moratoriums ist auch in Deutschland mit einem zunehmenden Anbau transgener Sorten zu rechnen." Auf Anregung von Greenpeace fragten etliche Bürgermeister bei den genannten Gen-Konzernen an, ob auf ihrer Gemarkung transgener Mais angebaut würde. Bis heute - nicht nur bis zum 17.10.2002 - wird jede Auskunft verweigert. Doch dies kümmert Frau Künast nicht.

Zwei mögliche Strategien wie sich Bio-Bauern wehren könnten werden in der Studie diskutiert. Einerseits Vereinbarungen unter bäuerlichen Nachbarn und im Streitfall die Klage gegen den verursachenden Betrieb und andererseits Anbaukataster mit untragbarem bürokratischem Aufwand und Fonds zur Entschädigung von Bio-Bauern.

Ausführlich werden die Gegebenheiten des deutschen Rechtssystems eruiert. Doch unterm Strich bleibt das Fazit: "Der Bio-Bauer trägt die Beweislast für die Kausalität und für die Wesentlichkeit und Unzumutbarkeit der gentechnischen Veränderung seiner Bio-Kultur." Dabei gerät völlig außer Betracht, daß es der europäischen Bio-Landwirtschaft auf die Dauer nichts nützt, wenn sie jede nur erdenkliche Entschädigung erstreiten könnte. Der Möglichkeit beraubt, überhaupt noch Bio-Ware erzeugen zu können, verliert sie dennoch ihre Existenzgrundlage.

Angesichts des deutschen Rechts sehr realitätsnah wird dem Bio-Bauern allen Ernstes ein Maßnahmenkatalog in 11 Dokumentations-Schritten empfohlen, um überhaupt vor Gericht beweisen zu können, daß eine gen-technische Verunreinigung von einem bestimmten Nachbarn verursacht wurde. Doch dann dämmert es den AutorInnen selbst: "Wenn Bio-Bauern diesen Maßnahmenkatalog als unerträglich und praktisch nicht zu leisten zurückweisen würden, wäre klar, dass das heute vorhandene zivilrechtliche Ausgleichssystem des § 906 BGB zumindest für diese Materie die Grundrechts- sphären der einander mit konkurrierenden Nutzungen gegenüberstehenden Nachbarn nicht in praktische Konkordanz bringt. Die Rechtsansprüche, die den Bio-Bauern aus § 903, 1004, 906 BGB entstehen, können in Einzelfällen helfen, Ansprüche durchzusetzen. Das System der Sachverhaltsfeststellung und -dokumentation, das zum Führen des Kausalitätsbeweises erforderlich ist, würde, wie gezeigt wurde, die Bio-Bauern so belasten, dass sie praktisch ihre Rechte kaum wahrnehmen können."

Im Fazit der Studie heißt es dann nochmals abgemildert formuliert: "Den Bio-Bauern wird aber ein solches Maß an rechtlicher Präzision bei der Beweissicherung für den Kausalitätsbeweis auferlegt, dass viele dies als unerträgliche Fessel empfinden werden. Keine der beiden Seiten wird so zu zufriedener Koexistenz finden."

Die Anlegung von Anbaukatastern, um irgendwelche willkürlich festgelegten Mindestabstände zwischen den unvereinbaren Anbaumethoden zu regeln, wurde bereits in einer Anhörung sowohl von den konventionellen als auch von den Bio-Landwirten als unpraktikabel abgelehnt. Der bürokratische Aufwand ist nicht zu leisten.

Die konventionelle Landwirtschaft weist schon heute jede mögliche Haftung für den Ruin der Bio-Bauern weit von sich: "... da aus unserer Sicht Pollenflug bzw. unvermeidbare und zufällige Spuren von GVO keinen zu ersetzenden Schaden darstellen, an dessen Regulierung sich der >>konventionelle<< Landwirt zu beteiligen hat."

Ein letztes Zitat aus der Studie:
"Die Produktions- und Interessensphären von Bio-Bauern und Landwirten, die transgenes Saatgut verwenden, voneinander abzugrenzen wird in der neuseeländischen Diskussion als >>about as simple<< beschrieben >>as getting just a little bit pregnant.<<2" Auf deutsch: Die Koexistenz zwischen Gentech-Agrarindustrie und Bio-Bauern ist ungefähr so einfach wie nur ein bißchen schwanger zu werden.

 

Ute Daniels

 

Anmerkungen:
1 siehe Artikel Künast schlägt Bresche für Gen-Mais
2 Clifton, New Zealand Listener, 03.11.2001, S. 16.

 

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