2.12.2002

Gen-Food:
Öffnung des EU-Markts
wird den VerbraucherInnen als
"Wahlfreiheit" kommuniziert

Mit großem Getöse - vorneweg das rot-grüne Regierungs- Amtsblättchen 'taz' - soll uns VerbraucherInnen eine neue EU-Verordung vom letzten Donnerstagabend kommuniziert werden: mit Überschriften wie "Der Verbraucher hat die Wahl" und Zitaten wie dem einer als besonders kritisch ("läßt normalerweise kein gutes Haar an der EU-Lebensmittelpolitik") vorgestellten grünen EU-Abgeordneten Hiltrud Breyer: "Meilenstein für Verbrauchertransparenz" ('Die Tageszeitung', 30.11.02).

Tatsächlich geht es nicht um "Wahlfreiheit", sondern um die Interessen der internationalen und US-amerikanischen Gentechnik- und Agro-Konzerne. Diese machen über die Welthandelsorganisation WTO und GATT Druck, denn ein seit vier Jahren bestehender Zulassungsstop für neue Genpflanzen hatte bisher den europäischen Markt einigermaßen abgeschottet. In den USA, Kanada oder beispielsweise China werden genmanipulierte Nutzpflanzen wie Weizen, Mais, Raps, Soja oder Baumwolle längst großflächig angebaut - mit inzwischen hinlänglich bekannten Folgen (siehe Artikel: "Außer Kontrolle" über die Folgen des Anbaus gentechnisch veränderter Baumwolle in China oder das Interview "Gen-Food ruiniert kanadische Bauern").

Die neue EU-Verordnung zur Kennzeichnung von Gen-Food verfolgt nun zugleich zwei Ziele: Einerseits soll den Menschen Sand in die Augen gestreut werden, indem ihnen eine trügerische Sicherheit vorgegaukelt wird. Mit der Kennzeichnung könne nun per "Abstimmung am Supermarktregal" ganz demokratisch über die Marktchancen und damit die Zukunft der "grünen" Gentechnik entschieden werden. Auf der anderen Seite werden damit zugleich die Schleusen geöffnet für eine Schwemme von billigem Gen-Food. 13 Sorten von Gen-Pflanzen, deren Zulassungsanträge schon seit geraumer Zeit beim Bundessortenamt auf die Genehmigung warten, können nunmehr bald sowohl angebaut als auch verarbeitet werden.

In der 'taz' vom 30.11.02 heißt es zwar pseudo-kritisch zu Beginn eines Artikels: "So viel Begeisterung - da fragt sich der kritische Konsument doch gleich, wo der Haken sein mag." Doch eben darüber ist dann kaum etwas zu erfahren. Treuherzig wird vermerkt, daß alle Lebensmittel, die mehr als 0,9 Prozent (in einer Übergangszeit soll eine andere Prozentmarke gelten) genmanipulierte Substanzen enthalten, gekennzeichnet werden müssen. Mit genügend Naivität könnte daraus geschlossen werden, daß dies ein Fortschritt sei, zumal in einem anderen 'taz'-Artikel derselben Ausgabe darauf hingewiesen wird, Nachprüfungen hätten regelmäßig ergeben, daß zahlreiche in den Supermärkten angebotene importierte Lebensmittel gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten. In der Wahlwerbung wurde vor noch nicht allzu langer Zeit behauptet, deutsche Supermärkte seien frei von Gentechnik (, was nachweislich falsch war). Es wird immer so hingedreht, wie es gerade paßt.

Im eben genannten 'taz'-Artikel von Wolfgang Löhr wird zudem die Lüge aufgetischt: "Auf kommerzieller Basis werden hierzulande zwar noch keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut,..." Dabei ist genau dies letzten Sommer von Ministerin Künast übers Bundessortenamt genehmigt worden und GREENPEACE entdeckte in der Folgezeit einige der nicht nachweispflichtigen Anbauflächen und machte diese öffentlich. Daß es tatsächlich auch anders geht, beweist die Schweiz. Dort gibt es zwar bekanntlich keine rot-grün gefärbte Regierung, jedoch einen erheblich stärkeren Widerstand gegen Gen-Food in der Bevölkerung. In Deutschland sind zwar je nach Umfragen 70 bis 90 Prozent gegen Gen-Food - die SchweizerInnen sind jedoch auch bereit, etwas zu tun. Und nur so ist zu erklären, daß in der Schweiz das Moratorium gegen den Anbau genmanipulierter Pflanzen letzten Sommer um fünf Jahre verlängert wurde.

Allein schon die "Wahlfreiheit" ist eine Chimäre. Bisher konnte darauf vertraut werden, daß wenigstens Bio-Lebensmittel (aus kontrolliert biologischem Anbau) garantiert frei von genveränderten Organismen sind. Wenn nun in Bälde großflächig genmanipulierte Pflanzen angebaut werden dürfen, kann die Sortenreinheit wegen Pollenflug beim besten Willen von niemandem mehr gewährleistet werden. In Mexiko wurden in kilometerweitem Abstand von Feldern mit Gen-Mais ausgewilderte Pflanzen wissenschaftlich nachgewiesen. In Kanada konnten Bio-Landwirte ihren Raps nicht mehr verkaufen, weil er durch Nachbarfelder gen-kontaminiert war. Über kurz oder lang wird ein Grenzwert von 1 oder 2 oder 3 oder 10 Prozent nicht mehr eingehalten werden können und die Wahl zwischen Gen-Food und als "genfrei" deklarierter Ware wird sich ganz von allein erledigt haben.

Ein schlechter Witz ist bereits jetzt, daß die Kennzeichnungspflicht "enthält genveränderte Bestandteile" auch für Waren gelten soll, bei denen ein Nachweis heute zumindest technisch noch gar nicht zu führen ist: so bei Glukose-Sirup oder bei Soja-Öl. Dies öffnet Manipulationen und den bekannten "Umdeklariationen" Tür und Tor. Die Nachweispflicht kann auf den Produzenten und damit letztlich auf Bäuerinnen und Bauern abgeschoben werden, die dann mal wieder die Dummen sind. Eine weitere Schwachstelle liegt in den technischen Nachweismethoden systematisch begründet. Es kann immer nur nach bereits bekannten Genveränderungen gesucht werden. Bei importierten Lebensmitteln können Veränderungen vorhanden sein, die den beauftragten Untersuchungslabors nicht bekannt sind. Wie bereits von Nachweismethoden auf Insektizide, Herbizide und Fungizide her bekannt, wird sich ein Rennen ergeben, bei dem die Kontrolleure immer hinterher hinken werden.

Dagegen sollen andererseits Produkte von der Kennzeichnung ausgenommen sein, die von Tieren gewonnen werden, welche mit Gen-Futter ernährt wurden. Das öffnet beispielsweise den Markt für Gen-Soja für die Futtermittelproduktion.

Die Haftungsfrage, wer denn für den Schaden eines Ökobauern aufzukommen habe, dessen Mais als Bioprodukt durch die Einkreuzung von Genpflanzen unverkäuflich wird, nimmt vermutlich den selben Verlauf wie die Frage, wer für den Leukämietod von Kindern in der Nähe von AKW verantwortlich zu machen ist: Der Verursachernachweis wird auf Seiten der Opfer verbleiben.

Erfreulich ist immerhin, daß der BUND, der vor der Bundestagswahl noch zu den Verbrechen von Ministerin Künast aus Gründen politischer Opportunität geschwiegen hat, in dieser Sache klar Stellung bezieht: Die EU-Verordnung wird als "Fauler Gen-Kompromiss" bezeichnet und für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sei "die Festlegungen der EU-Agrarminister, erst oberhalb einer 0,9-Prozent-Grenze genetisch veränderte Nahrungs- und Futtermittel zu kennzeichnen, ein herber Rückschlag in der Verbraucherschutzpolitik. Damit werde dem Einsatz der Gentechnik in Lebensmitteln und Landwirtschaft Tür und Tor geöffnet." "Hersteller und Nutzer der Grünen Gentechnik seien künftig nicht mehr verpflichtet, gentechnisch veränderte Organismen aus der Nahrungskette herauszuhalten." Dr. Angelika Zahrnt, BUND-Bundesvorsitzende: "Das Recht der Verbraucher auf gentech-freie Lebensmittel wurde leider geopfert. Darüber kann auch eine lasche Kennzeichnung nicht hinwegtäuschen. Die Gentechnikindustrie wird nun konventionelle und ökologisch hergestellte Produkte mit genveränderten Organismen verunreinigen. Diese durchgehende Kontamination bedroht die Wahlfreiheit der Konsumenten beim Einkauf. Sie werden in Zukunft nur noch zwischen mehr oder weniger gentechnisch verunreinigten Lebensmitteln wählen können. Und das ist dann keine wirkliche Wahl mehr."

 

Ute Daniels

 

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