Über das Thema >Zusammenbruch des Kapitalismus< ist in den verschiedensten
Kreisen schon heftig diskutiert worden. Günter Grass ist
nach wie vor einer der hellsichtigsten deutschen Intellektuellen (siehe
zB. die Rede vor dem Europaparlament, die auf www.netzwerk-regenbogen.de
veröffentlicht ist) - er zieht nur die falschen Schlüsse und verhebt
sich dazu noch.
Es scheint mir recht gewagt, heute das Zusammenbrechen des Kapitalismus zu
prophezeien.
Zu oft schon hat er seine Untergangs-Propheten durch eine unglaubliche
Zähigkeit und Erneuerungsfähigkeit eines schlechteren belehrt. Aber auch
ich meine, es rumpelt kräftiger in der Kiste und knirscht ächzender im
Gebälk als je zuvor. Auch habe ich ja schon öfter gesagt, daß es einigen Grund
zu Angst gibt. Denn immer in der Geschichte war das Absterben eines alten
und die Geburt eines neuen Systems von viel Blutvergießen und Schrecken
begleitet, WENN die Menschen nicht fähig waren im Sinne einer Hebammen-
tätigkeit das Neue vorzubreiten und ihm den Weg zu bahnen.
Ich schätze es handelt sich bei geschichtlichen Abläufen um Flüsse mit
derart großen Kräften, daß sie weder willkürlich eingeleitet, noch
verhindert werden können - insofern meine ich, daß Grass sich mit
seinem Apell an Rot-Grün verhebt, ganz abgesehen davon, daß die
Adressaten seines Apells eh völlig die falschen und völlig kraft-
und machtlos sind.
Und letztlich finde ich eine Überlegung entscheidend: Mit dem Kapitalismus
wird ein globaler Untergang der gesamten Menscheit, unserer Zivilisation
und nicht zuletzt das Sterben zumindest aller "höheren" Lebensformen,
wenn auch vielleicht erst in 100 oder 200 Jahren unvermeidlich sein,
während etwas neues zumindest die Chance auf ein Überleben und die
Realisierung von Utopien, also Hoffnung, bietet.
Klaus Schramm
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