21.07.2002

Kommentar
von Klaus Schramm

gewagte Prophetie
und schwer verhoben

Über das Thema >Zusammenbruch des Kapitalismus< ist in den verschiedensten Kreisen schon heftig diskutiert worden. Günter Grass ist nach wie vor einer der hellsichtigsten deutschen Intellektuellen (siehe zB. die Rede vor dem Europaparlament, die auf www.netzwerk-regenbogen.de veröffentlicht ist) - er zieht nur die falschen Schlüsse und verhebt sich dazu noch.

Es scheint mir recht gewagt, heute das Zusammenbrechen des Kapitalismus zu prophezeien. Zu oft schon hat er seine Untergangs-Propheten durch eine unglaubliche Zähigkeit und Erneuerungsfähigkeit eines schlechteren belehrt. Aber auch ich meine, es rumpelt kräftiger in der Kiste und knirscht ächzender im Gebälk als je zuvor. Auch habe ich ja schon öfter gesagt, daß es einigen Grund zu Angst gibt. Denn immer in der Geschichte war das Absterben eines alten und die Geburt eines neuen Systems von viel Blutvergießen und Schrecken begleitet, WENN die Menschen nicht fähig waren im Sinne einer Hebammen- tätigkeit das Neue vorzubreiten und ihm den Weg zu bahnen.

Ich schätze es handelt sich bei geschichtlichen Abläufen um Flüsse mit derart großen Kräften, daß sie weder willkürlich eingeleitet, noch verhindert werden können - insofern meine ich, daß Grass sich mit seinem Apell an Rot-Grün verhebt, ganz abgesehen davon, daß die Adressaten seines Apells eh völlig die falschen und völlig kraft- und machtlos sind.

Und letztlich finde ich eine Überlegung entscheidend: Mit dem Kapitalismus wird ein globaler Untergang der gesamten Menscheit, unserer Zivilisation und nicht zuletzt das Sterben zumindest aller "höheren" Lebensformen, wenn auch vielleicht erst in 100 oder 200 Jahren unvermeidlich sein, während etwas neues zumindest die Chance auf ein Überleben und die Realisierung von Utopien, also Hoffnung, bietet.

 

Klaus Schramm

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