Neue US-Studie belegt signifikante Schädigung
von Gehirnzellen
Tierversuche sind zurecht umstritten und entsprechende Studien an Zellkulturen1 deuteten bereits in dieselbe
Richtung wie die jetzt veröffentlichte US-Studie. Im Gegensatz zu Tierversuchen für Kosmetika oder Arzneimittel ist
zumindest die Frage der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen bei der vorliegenden Studie mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu bejahen.
US-Wissenschaftler haben in Versuchen mit Ratten herausgefunden, daß niederfrequente elektromagnetische Felder, wie
sie von Handys, aber auch vielen gewöhnlichen Haushaltsgeräten abgestrahlt werden, irreparable Schäden an Gehirnzellen
verursachen. Bei älteren Untersuchungen wurden die speziell bei Handys und schnurlosen Telefonen auftretenden
gepulsten elektromagnetischen Wellen untersucht. Die vorliegende US-amerikanische Studie hingegen experimentierte mit
einem Strahlen-Spektrum, das nicht nur bei Handys, sondern auch bei gewöhnlichen Haushaltsgeräten wie Föhn,
Rasierapparat oder Heizdecke auftritt.
Henry Lai, Wissenschaftler am Department of Bioengineering der University of Washington, ist bekannt für seine
Forschung über gepulste elektromagnetische Strahlung, wie sie von Handys ausgeht. Schon vor Jahren hatten auch
seine Experimente an Ratten ergeben, daß gepulste elektromagnetische Strahlung die DNA-Moleküle im Gehirn aufbrechen
können. In anderen Versuchen mit Ratten hatte er herausgefunden, daß Gehirnzellen, die diesem Strahlen-Spektrum
ausgesetzt sind, mehr Endorphine und Stresshormone produzieren. Letztere beeinflussen den Neurotransmitter Acetylcholin,
der unter anderem an Gedächtnisfunktionen beteiligt ist.
In der aktuellen Studie mit dem Titel "Magnetic Field-Induced DNA Strand Breaks in Brain Cells of the Rat", die in der
Zeitschrift 'Environmental Health Perspectives' vorab veröffentlicht wurde, haben Henry Lai und Narendra Singh nun
Hinweise dafür finden können, daß zumindest bei Ratten auch elektromagnetische Felder niederer Frequenz Schäden
an der DNA in Gehirnzellen verursachen können. Bei Ratten, die einem elektromagnetischen Feld von 60 Hz mit einer
Stärke 0,01 Milli-Tesla 24 Stunden lang ausgesetzt waren, fanden sich in deren Gehirnen eine signifikante Zunahme an
beschädigter DNA, aber auch viele tote Zellen. Nach 48 Stunden waren die beobachteten Schäden noch größer. Schwache
elektromagnetische Felder mit 50 oder 60 Hertz werden von vielen Haushaltsgeräten im normalen Betriebszustand produziert.
Wurden die Ratten mit Trolox (einem Präparat, da ähnlich wie Vitamin E wirkt) oder einer anderen Substanz behandelt, die
freie Radikale bindet, so traten deutlich weniger Schädigungen am Erbgut der Zellen auf. Auch eine Behandlung mit
Deferipron, das Eisen bindet, verhinderten die schädlichen Auswirkung der etromagnetischen Felder. Beides deutet darauf
hin, daß die niederfrequenten elektromagnetischen Felder auf die Eisen-Teilchen in den Zellen einwirken. Die dadurch
bewirkte Reaktion könnte zur Entstehung von freien Radikalen beitragen. Freie Radikale wiederum sind für
DNA-Schädigungen verantwortlich. Im Zellkern finden sich mehr Eisenatome als in der übrigen Zelle.
Schon in früheren Versuchen konnte etwa die Zuführung von Melatonin vor der Exposition der Ratten mit den
elektromagnetischen Feldern die Schäden verhindern. Melatonin bindet ebenfalls freie Radikale. Bemerkenswert ist zudem,
daß die experimentell gefundenen Schädigungen immer erst nach 24 Stunden auftraten, während bei Ratten, die dem
elektromagnetischen Feld zwei Stunden lang ausgesetzt waren, keine Veränderungen bemerkt werden konnten. Das
weist für die Wissenschaftler darauf hin, daß die Schädigung von der Intensität abhängt und kumulativ ist. Freie Radikale
schädigen nicht nur die DNA, sondern können auch andere biologische Moleküle wie Proteine beeinträchtigen. Oxidativer
Stress bei erhöhter Konzentration von freien Radikalen ist für Alterungsprozesse sowie Krankheiten wie Krebs, Alzheimer,
Immunschwächen oder Arteriosklerose verantwortlich.
Die Stärke des elektromagnetischen Feldes, dem die Ratten ausgesetzt wurden, ist zwar durchaus vergleichbar mit den
Feldern, die von Haushaltsgeräten ausgehen. Dennoch lassen die Ergebnisse der US-Studie noch keinen definitiven
Schluß darüber zu, ob elektrische Haushaltsgeräte mit niederfrequenten elektromagnetischen Feldern für den Menschen
gefährlich sind. Entscheidend könnte sein, wie nahe und wie lange die Geräte in der Nähe des Kopfes benutzt werden, wie
lange das Föhnen oder das Rasieren mit dem Elektrorasierer dauert. Entscheidend für dauerhafte Zellschäden könnte sein,
wie nahe der Radiowecker beim Kopfkissen steht und ob die elektrische Heizdecke auf Bauchhöhe oder unter dem
Kopfkissen liegt.
"Unser wichtigstes Ergebnis ist", so Lai gegenüber dem britischen Rundfunk- und TV-Sender BBC, "daß sich der
schädigende Effekt in Ratten mit der Zeit akkumuliert. Die große Frage ist, ob sich der schädigende Effekt in Menschen
akkumuliert, wenn wir einen Föhn täglich fünf Minuten lang benutzen. Wir wissen es nicht. Aber unsere Ergebnisse weisen
auf die Möglichkeit hin, daß dies der Fall sein könnte." Und in Hinblick auf Handys meinte Lai: "Die Menschen sollten alles
in ihrer Macht stehende tun, um ihre Beeinträchtigung so klein wie möglich zu halten. Das betrifft besonders elektrische
Geräte, die sehr nahe am Körper benutzt werden."
Da bereits eine Vielzahl anderer Studien in der Vergangenheit auf gesundheitliche Risiken durch die elektromagnetische
Abstrahlung von Handys hinwiesen, haben deutsche Versicherungen in ihren Verträgen bereits Schäden durch Elektrosmog
ausgeschlossen.
Frank Bayer
Anmerkung:
1Siehe auch unseren Artikel
'Krebs durch Mobilfunk ?' v. 7.08.03