Wenn der US-amerikanische Präsident Georg W. Bush dieser Tage einen heftigen Tritt vors
Schienbein bekam, dann nicht durch die Verleihung des Nobel-Preises an seinen
mindestens so gefährlichen Vorgänger Jimmy Carter, sondern durch den CIA, den
mächtigen Geheimdienst der USA.
Vergangene Woche, am 9.10., wurden Aussagen des CIA-Direktors George J. Tenet aus einer
Anhörung vor dem US-Senat veröffentlicht (siehe u.a. 'New York Times' der letzten
Woche oder 'taz' vom 10.10.). Daraus geht eindeutig hervor, daß der CIA einen Krieg
gegen den Irak aus
den von Bush propagierten Gründen der Gefahrenabwehr als völlig unnötig erachtet.
Und der CIA war in der Beschwörung von Gefahren für die Sicherheit der USA noch
nie zurückhaltend. Der CIA gibt dabei lediglich eine Einschätzung, die unter
Geheimdienstlern und Militärs seit Jahren unverändert und völlig unumstritten
ist. Es war nur nicht mehr opportun, sie in der Öffentlichkeit zu benennen, seitdem
der US-Präsident in einem propagandistischen Trommelfeuer den Irak als Gefahr für
die Welt brandmarkte. Ehemalige UN-Waffeninspekteure wie Scott Ritter, die dies
dennoch taten
(siehe Artikel: "Irak-Krieg... nur Theaterdonner"
, 2.10.02),
wurden
totgeschwiegen und in den großen Medien nicht beachtet.
Die offenkundige Blamage für den US-Präsidenten ist also nur für all diejenigen
überraschend, die die Gefahr eines neuerlichen Irak-Kriegs als real erachteten.
Bemerkenswert ist allenfalls noch, daß die
Aussagen von CIA-Direktor George Tenet nur
Informationen enthielten, die ein zuständiger Kongress-Ausschuß bereits
mündlich erfahren hatte. Es darf nun spekuliert werden, aus welchen Interessen heraus
diese Informationen jetzt an die breite Öffentlichkeit gelangten. Die hier bereits im
Artikel vom 2.10. dargelegte Analyse besagt, daß die globalen Konzerne und insbesondere
auch die Öl-Industrie ebenso
wie kleinere US-Konzerne kein Interesse an einem neuerlichen
Irak-Krieg haben. Die Investitionen (Afghnistan-Krieg) sind getätigt, die Gas-Pipeline
durch Afghanistan wird gebaut, die Erdöl- und Erdgasfelder am Kaspischen Meer liegen
offen zur Ausbeutung bereit. Saddam Hussein würde das Öl des Irak gerne zu den
OPEC-Bedingungen verkaufen, wenn er denn dürfte. Ein weiterer Krieg könnte den
ungestörten Abtransport der Kaspischen Energieressourcen in Gefahr bringen und den
"unberechenbaren" Gegenspieler des Irak, den Iran begünstigen.
Mehr noch, die Bewertung des CIA besagt, daß der Irak gerade erst durch einen Angriff
der USA zur Gefahr werden könnte. Sollte Saddam Hussein entgegen den vorliegenden
Erkenntnissen über
bakteriologische oder chemische Waffen verfügen, würde er diese aller Voraussicht nach
erst in einer nahezu aussichtslosen Lage einsetzen. Der CIA gibt dabei nur die altbekannte
militärische Grundkenntnis wieder: Je aussichtsloser die Lage eines Regimes, desto
wahrscheinlicher wird der Rückgriff auf den letztlich selbstmörderischen ABC-Waffeneinsatz.
Andererseits ist die Drohung oder der Einsatz solcher Waffen durch ein Regime, das
noch nicht kurz vor dem Untergang steht, extrem unwahrscheinlich. Es könnte damit
nichts erreichen und verlöre den letzten Rest an ausländischer Unterstützung.
Den großen Konzernen wird es völlig gleichgültig sein, wieviele Milliarden Dollar an
Steuergeldern ein
Krieg gegen den Irak kosten kann. Lawrence Lindsey, Wirtschaftsberater der US-Regierung
nennt in einer Schätzung 100 bis 200 Milliarden. "Ein Klacks für die Amerikaner", wird
ein nicht näher benannter westlicher Diplomat in
Washington zitiert, "etwa verglichen mit den Steuersenkungen im Umfang von 1,3
Billionen Dollar, die vergangenes Jahr beschlossen wurden." Doch selbst wenn die
USA die eigentlichen Kosten relativ leicht wegstecken könnten, ist
völlig offen, welche Auswirkungen ein Irak-Krieg auf die Weltwirtschaft hätte.
Und ein lohnenderes Opfer als der Irak ist schnell gefunden. Die Schaffung
geeigneter Vorwände für die Führung eines Krieges und dessen Legitimation vor der
US-Öffentlichkeit stellte noch nie ein Problem dar. Insofern wäre es ein Mißverständnis,
die hier dargelegte Auffassung würde die Kriegsgefahr kleinreden. Angesichts einer mehr
als kritischen Situation der Weltwirtschaft ist eher anzunehmen, daß die USA in den nächsten
vier Jahren nicht zwei, sondern erheblich mehr Kriege führen wird. Allerdings keineswegs
aus Gründen der Terrorismusbekämpfung oder Gefahrenabwehr oder was auch immer in Zukunft
noch an Propagandamärchen erfunden werden wird.
Klaus Schramm