14.10.2002

Artikel - Nachtrag

Irak-Krieg
nach Auskunft des CIA: "unnötig"

Wenn der US-amerikanische Präsident Georg W. Bush dieser Tage einen heftigen Tritt vors Schienbein bekam, dann nicht durch die Verleihung des Nobel-Preises an seinen mindestens so gefährlichen Vorgänger Jimmy Carter, sondern durch den CIA, den mächtigen Geheimdienst der USA.

Vergangene Woche, am 9.10., wurden Aussagen des CIA-Direktors George J. Tenet aus einer Anhörung vor dem US-Senat veröffentlicht (siehe u.a. 'New York Times' der letzten Woche oder 'taz' vom 10.10.). Daraus geht eindeutig hervor, daß der CIA einen Krieg gegen den Irak aus den von Bush propagierten Gründen der Gefahrenabwehr als völlig unnötig erachtet. Und der CIA war in der Beschwörung von Gefahren für die Sicherheit der USA noch nie zurückhaltend. Der CIA gibt dabei lediglich eine Einschätzung, die unter Geheimdienstlern und Militärs seit Jahren unverändert und völlig unumstritten ist. Es war nur nicht mehr opportun, sie in der Öffentlichkeit zu benennen, seitdem der US-Präsident in einem propagandistischen Trommelfeuer den Irak als Gefahr für die Welt brandmarkte. Ehemalige UN-Waffeninspekteure wie Scott Ritter, die dies dennoch taten
(siehe Artikel: "Irak-Krieg... nur Theaterdonner" , 2.10.02),
wurden totgeschwiegen und in den großen Medien nicht beachtet.

Die offenkundige Blamage für den US-Präsidenten ist also nur für all diejenigen überraschend, die die Gefahr eines neuerlichen Irak-Kriegs als real erachteten. Bemerkenswert ist allenfalls noch, daß die Aussagen von CIA-Direktor George Tenet nur Informationen enthielten, die ein zuständiger Kongress-Ausschuß bereits mündlich erfahren hatte. Es darf nun spekuliert werden, aus welchen Interessen heraus diese Informationen jetzt an die breite Öffentlichkeit gelangten. Die hier bereits im Artikel vom 2.10. dargelegte Analyse besagt, daß die globalen Konzerne und insbesondere auch die Öl-Industrie ebenso wie kleinere US-Konzerne kein Interesse an einem neuerlichen Irak-Krieg haben. Die Investitionen (Afghnistan-Krieg) sind getätigt, die Gas-Pipeline durch Afghanistan wird gebaut, die Erdöl- und Erdgasfelder am Kaspischen Meer liegen offen zur Ausbeutung bereit. Saddam Hussein würde das Öl des Irak gerne zu den OPEC-Bedingungen verkaufen, wenn er denn dürfte. Ein weiterer Krieg könnte den ungestörten Abtransport der Kaspischen Energieressourcen in Gefahr bringen und den "unberechenbaren" Gegenspieler des Irak, den Iran begünstigen.

Mehr noch, die Bewertung des CIA besagt, daß der Irak gerade erst durch einen Angriff der USA zur Gefahr werden könnte. Sollte Saddam Hussein entgegen den vorliegenden Erkenntnissen über bakteriologische oder chemische Waffen verfügen, würde er diese aller Voraussicht nach erst in einer nahezu aussichtslosen Lage einsetzen. Der CIA gibt dabei nur die altbekannte militärische Grundkenntnis wieder: Je aussichtsloser die Lage eines Regimes, desto wahrscheinlicher wird der Rückgriff auf den letztlich selbstmörderischen ABC-Waffeneinsatz. Andererseits ist die Drohung oder der Einsatz solcher Waffen durch ein Regime, das noch nicht kurz vor dem Untergang steht, extrem unwahrscheinlich. Es könnte damit nichts erreichen und verlöre den letzten Rest an ausländischer Unterstützung.

Den großen Konzernen wird es völlig gleichgültig sein, wieviele Milliarden Dollar an Steuergeldern ein Krieg gegen den Irak kosten kann. Lawrence Lindsey, Wirtschaftsberater der US-Regierung nennt in einer Schätzung 100 bis 200 Milliarden. "Ein Klacks für die Amerikaner", wird ein nicht näher benannter westlicher Diplomat in Washington zitiert, "etwa verglichen mit den Steuersenkungen im Umfang von 1,3 Billionen Dollar, die vergangenes Jahr beschlossen wurden." Doch selbst wenn die USA die eigentlichen Kosten relativ leicht wegstecken könnten, ist völlig offen, welche Auswirkungen ein Irak-Krieg auf die Weltwirtschaft hätte. Und ein lohnenderes Opfer als der Irak ist schnell gefunden. Die Schaffung geeigneter Vorwände für die Führung eines Krieges und dessen Legitimation vor der US-Öffentlichkeit stellte noch nie ein Problem dar. Insofern wäre es ein Mißverständnis, die hier dargelegte Auffassung würde die Kriegsgefahr kleinreden. Angesichts einer mehr als kritischen Situation der Weltwirtschaft ist eher anzunehmen, daß die USA in den nächsten vier Jahren nicht zwei, sondern erheblich mehr Kriege führen wird. Allerdings keineswegs aus Gründen der Terrorismusbekämpfung oder Gefahrenabwehr oder was auch immer in Zukunft noch an Propagandamärchen erfunden werden wird.

 

Klaus Schramm

 

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